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ÖKOLOGIE/063: Das Rätsel der Monodominanz - Wie im Regenwald natürliche Monokulturen entstehen (idw)


Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig - 06.09.2016

Das Rätsel der Monodominanz - Wie im Regenwald natürliche Monokulturen entstehen

von Tilo Arnhold


Leipzig. Tropische Regenwälder sind die artenreichsten Gebiete der Erde. Trotz dieser Vielfalt gibt es einzelne Inseln, in denen eine Baumart vorherrscht. Für dieses Phänomen, Monodominanz genannt, haben Wissenschaftler jetzt eine Erklärung gefunden: Eine Baumart kann den Wald im Laufe von Jahrhunderten auf natürliche Weise dominieren, wenn sie mehr in das Gewicht ihrer Samen investiert als die Konkurrenz und diese Samen auch weniger weit ausgebreitet werden, schreiben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Oldenburg im Fachjournal Interface der Royal Society.


Foto: © X. van der Burgt, RGB Kew

Zu den monodominanten Baumarten gehört auch Gilbertiodendron dewevrei, eine Baumart in den Tropenwäldern West- und Zentralafrikas.
Foto: © X. van der Burgt, RGB Kew

Als Monodominanz wird in der Ökologie ein Zustand bezeichnet, bei dem mindestens 60 Prozent, oft sogar 90 Prozent der Bäume eines natürlichen Waldes zur selben Baumart gehören. Von mindestens 22 Arten aus acht Familien ist bekannt, dass sie solche Waldflächen bilden. Wie sie dies machen, ist ein Rätsel, über das Ökologen seit Jahrzehnten spekulieren. Zu den monodominanten Baumarten gehört auch Gilbertiodendron dewevrei, eine Baumart in den Tropenwäldern West- und Zentralafrikas, die zu den am besten untersuchten monodominanten Arten gehört, auch wenn es für sie bisher keinen deutschen Namen gibt. Ihr schweres Holz wird unter dem Namen Limbali gehandelt. Der immergrüne Baum aus der Familie der Johannisbrotgewächse kann bis zu 45 Meter hoch werden und ist vor allem durch seine Früchte markant, die bis zu 30 Zentimeter lang werden und bis zu sechs Samen enthalten können. Die Samen werden von verschiedensten Säugetieren bis hin zu Flachlandgorillas gefressen, beherbergen aber giftige Verbindungen. Daher werden sie von Menschen in Zentralafrika nur bei Nahrungsknappheit geröstet, gekocht und zu Haferbrei verarbeitet.

Verglichen mit den Samen anderer tropischer Bäume, die meist weniger als ein Gramm wiegen, sind die Samen von G. dewevrei mit 20 Gramm recht schwer und werden daher vom Wind nicht transportiert, sondern bleiben meist in einem Radius von sechs Metern um den Mutterbaum. Die Art breitet sich dadurch nur sehr langsam aus - etwa 100 Meter in 200 bis 300 Jahren. Gilbertiodendron dewevrei macht dann bis zu 90 Prozent des Kronendaches aus, was andere Arten behindert. Die eigenen Sämlinge sind dagegen sehr schattenresistent, können so lange unter den Altbäumen überdauern bis diese absterben und Platz für den Nachwuchs machen. Auf diese Weise werden auch andere Baumarten abgelöst bis G. dewevrei Flächen dominiert, die bis zu 100 Quadratkilometer groß sein können.

Für die Studie erstellte das Team um Martin Kazmierczak und Pia Backmann ein Computermodell eines rund 10.000 Hektar großen Tropenwaldes mit acht Baumarten. Anschließend wurde in Jahresschritten beobachtet, wie sich die Artenzusammensetzung bei verschiedenen Variablen wie z. B. Ausbreitungsradius, Mortalität oder Samenmasse entwickelt hat. Obwohl alle acht Arten am Anfang zufällig verteilt wurden, zeigten sich nach 10.000 Jahren Anhäufungen der monodominanten Art, deren Bäume gewissenmaßen Klumpen bildeten. Das von dem Team entwickelte Computermodell ist eigenen Angaben zufolge das erste überhaupt, mit dem das Wachsen solcher Flächen untersucht werden kann und mit dem sich auch alternative Hypothesen zur Erklärung des Phänomens testen lassen. Dabei zeigte sich, dass die Cluster der monodominanten Baumart anwachsen und überdauern, wenn diese Art mehr in die Samenmasse investiert als es benachbarten Arten tun. "Arten wie die von uns untersuchte müssen also etwa 50 Prozent mehr an Energie in ihre Samen stecken als ihre Konkurrenten, die sich durch leichtere Samen weiter ausbreiten können", berichtet Pia Backmann vom UFZ und iDiv. "Diese Strategie, an einem Ort Klumpen zu bilden, ist eigentlich ein Nachteil gegenüber den 'Globetrottern', die ihre Samen weit verstreuen. Aber wenn es der Art gelingt, ihre Konkurrenten im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten zu stellen und selbst mehr Schatten zu vertragen als diese, dann kann die Art trotzdem Erfolg haben. So kommt es zu Ansammlungen einer Art, die langsam andere Arten verdrängt und monodominante Gebiete bildet.

Das Phänomen der Monodominanz könnte durch den Einfluss des Menschen weiter an Gewicht gewinnen: Bäume mit großen, schweren Samen nutzen meist Tiere zur Verbreitung. Kommt diese Logistikkette aber ins Wanken, weil die Transporteure durch den Menschen dezimiert werden, dann werden die Bäume gezwungen, sesshafter zu werden und Klumpen zu bilden. "Eine wichtige Botschaft unserer Ergebnisse ist daher: Die Menschheit verkleinert durch ihre Aktivitäten nicht nur die Fläche der Tropenwälder, sondern sie verändert auch deren Zusammensetzung und sorgt so dafür, dass diese weniger vielfältig werden als früher", fasst Backmann zusammen.

Publikation:
Martin Kazmierczak, Pia Backmann, José M. Fedriani, Rico Fischer, Alexander K. Hartmann, Andreas Huth, Felix May, Michael S. Müller, Franziska Taubert, Volker Grimm, Jürgen Groeneveld (2016): Monodominance in tropical forests: modelling reveals emerging clusters and phase transitions. J. R. Soc. Interface 2016 13 20160123; DOI: 10.1098/rsif.2016.0123. Published 6 April 2016
http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2016.0123
Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC advanced grant no. 233066) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG-FTZ 118) gefördert.



Links:

Nachwuchs geht seinen eigenen Weg - Neue Erklärung für die Dominanz von Generalisten unter den tropischen Bäumen (UFZ-Pressemitteilung vom 9. September 2014)
https://www.ufz.de/index.php?de=35283

iDiv-Graduiertenschule yDiv
https://www.idiv.de/de/ydiv.html

Wunder Regenwald - Warum leben in den Tropen so viel mehr Pflanzen- und Tierarten als im kühlen Norden? Der Ökologe Stephen Hubbell schlägt eine unkonventionelle Antwort vor (GEO Magazin Nr. 08/09):
http://www.geo.de/GEO/natur/fotogalerien/fotogalerie-wunder-regenwald-61421.html

Gilbertiodendron dewevrei
https://de.wikipedia.org/wiki/Gilbertiodendron_dewevrei
http://www.kew.org/science-conservation/plants-fungi/gilbertiodendron-dewevrei-abeum

Weitere Informationen finden Sie unter
Pressemitteilung
https://www.div.de/de/presse/pressemitteilungen/press_release_single_view/news_article/how-natural.html
Publikation
http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2016.0123

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news658531

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1813

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Halle-Jena-Leipzig, Tilo Arnhold, 06.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2016

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