Universität Hohenheim - 19.10.2018
Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Naturkundemuseum Stuttgart
Weniger Pestizide, mehr Bildung: 9-Punkte-Plan gegen das Insektensterben
Forscher präsentieren auf internationalem Insektenschutzsymposium am Naturkundemuseum Stuttgart Maßnahmenplan zur Bekämpfung des Insektensterbens.
Mit weltweit circa 1 Million bekannten Arten gehören die Insekten zu den erfolgreichsten Organismengruppen auf unserem Planeten. Trotz dieses evolutionären Erfolgs sind in Mitteleuropa mittlerweile viele Insektengruppen massiv bedroht und so stark im Rückgang begriffen, dass man von einem weitreichenden Insektensterben sprechen kann. Unter dem Motto "Fakten, Ursachen, Lösungen" haben sich heute im Naturkundemuseum Stuttgart renommierte Wissenschaftler aus ganz Europa mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Naturschutz getroffen, um mögliche Lösungsansätze zu diskutieren.
Die Wildbiene Halictus scabiosae
Foto: © A. Haselböck
Diese Lösungsansätze haben die Forscher am Ende des Symposiums in einem gemeinsamen 9-Punkte-Plan präsentiert. "Der dramatische Rückgang der Insekten zeichnet sich bereits seit Jahrzehnten ab und wird unabsehbare ökonomische und ökologische Folgen haben, wenn wir alle nicht endlich handeln", warnt Dr. Lars Krogmann vom Naturkundemuseum Stuttgart und künftiger Leiter des Fachgebiets Systematische Entomologie an der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Die Wildbiene Halictus subauratu
Foto: © A. Haselböck
1. Einschränkung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft
u.a. durch veränderte Zulassungsverfahren, einem Verbot von
vorbeugendem Pflanzenschutz und einem Verbot von Neonikotinoiden und
Totalherbiziden
2. Extensivierung der Landwirtschaft
u.a. durch Kopplung der EU-Agrarsubventionen an ökologische
Leistungen, durch Förderung von Brachflächen und Ökolandbau.
Nährstoffüberschüsse müssen begrenzt, strukturreiche Flächen und die
Vernetzung der Biotope gefördert werden.
3. Erhöhung der Artenvielfalt des Grünlands
Ein Rückgang der Grünlandflächen ist zu stoppen. Die Bewirtschaftung
muss insektenfreundlicher werden, der Einsatz von Mulchgeräten und
Mähaufbereitern begrenzt.
4. Pflege von Naturschutzgebieten
u.a. muss das Pflegemanagement Insekten besser berücksichtigen. Die
unter Naturschutz stehende Fläche ist zu erhöhen, der Einsatz von
Pestiziden darin untersagt werden. Die Naturschutzbehörden brauchen
einen höheren Etat.
5. Mehr Natur im öffentlichen Raum
Öffentliche Grünflächen sollen insektenfreundlicher gestaltet werden:
Mehr heimische Blühpflanzen statt mehr Grün in der Stadt. Rasenflächen
müssen zu extensiven Mähwiesen umgestaltet werden.
6. Weniger Lichtverschmutzung
Straßenleuchten sind auf LED umzurüsten, die Farbtemperatur sollte
maximal 3000 Kelvin betragen, die für Insekten weniger attraktiv ist
als die üblichen 4000 Kelvin.
7. Forschungs- und Bildungsoffensive
Die Artenkenntnisse der Bevölkerung in Deutschland sind gering. Daher
ist eine Taxonomie-Offensive für Experten und Amateur-Entomologen
nötig. Das Insekten-Monitoring muss ausgebaut, naturkundliche
Sammlungen besser unterstützt werden.
8. Förderung von Wildbestäubern
Wildbienen sollen einen höheren Schutzstatus erhalten und in die
FFH-Richtlinie aufgenommen werden. Um Krankheitsübertragungen zu
vermeiden, ist bei Honigbienen streng auf die Hygiene zu achten, eine
Nahrungskonkurrenz zu den Wildbienen ist zu vermeiden, etwa durch die
Festlegung einer Höchstzahl.
9. Öffentlichkeitsarbeit
Das Bewusstsein der Bevölkerung für das Problem ist zu schärfen, etwa
damit auch Privatgärten insektenfreundlicher gestaltet werden.
Fortbildungen für Lehrer und Erzieher können bereits bei den Jüngsten
ansetzen.
Die vor einigen Tagen veröffentlichten Diskussionsvorschläge für ein "Aktionsprogramm Insektenschutz" von Bundesumweltministerin Svenja Schulze bewerten die Forscher positiv und begrüßen sie. Der 9-Punkte-Plan soll in der nächsten Woche an die Agrar-, Umwelt- und Bildungsministerien des Bundes und der Länder versandt werden.
All diese Maßnahmen der letzten Tage und Wochen machen deutlich, dass hinsichtlich des Themas Insektensterben akuter Handlungsbedarf besteht. Die Autoren des 9-Punkte-Plans benennen das Insektensterben nicht umsonst als "eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts", die nur durch einen "gemeinsamen gesellschaftlichen Kraftakt" zu bewältigen ist.
Text: App-SMNS / Elsner
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news704404
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution234
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Hohenheim und Naturkundemuseum Stuttgart
Gemeinsame Pressemitteilung, 19.10.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2018
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang