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MASSNAHMEN/161: Naturschutz im Klimawandel - Anpassung, Entwicklung und Klimaschutz (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
2010 Entscheidungsjahr für die Biologische Vielfalt

Naturschutz im Klimawandel
Anpassung, Entwicklung und Klimaschutz

Von Nicolai Schaaf


Der Klimawandel kann für den Naturschutz gleichermaßen als Bedrohung, Chance oder Herausforderung betrachtet werden: Bedrohung durch die kumulativen Effekte der Veränderungen mit den ohnehin bestehenden Belastungen, Chance und Herausforderung durch die zunehmenden und neuen Erwartungen, die an den Naturschutz im Klimawandel gestellt werden.

Es wird immer stärker wird erwartet, dass die Funktionen von Ökosystemen für den Menschen als Dienstleistung zur Verfügung stehen. Gerade die Speicherung von Kohlendioxid und die Bereitstellung von Energie in Form von Biomasse sind als Klimaschutzelemente im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Zunehmend werden aber auch die puffernden und regulierenden Eigenschaften von intakten Ökosystemen gegenüber Klimaveränderungen und Wetterextremen erkannt, zusätzlich zur Produktion von Nahrung, sauberem Wasser, sauberer Luft, Arzneimitteln etc. Es geht also um Lebensgrundlagen des Menschen in Form von Ökosystemdienstleistungen, deren Bereitstellung gleichermaßen vom Naturschutz wie von der Landnutzung erwartet wird.


"Ecosystem based Adaptation"

Die Frage nach der Anpassung sollte dabei genauer beleuchtet werden, denn auch der Naturschutz hat kaum Möglichkeiten, Ökosysteme aktiv an den Klimawandel anzupassen. Vielmehr geht es um die Anpassung und Anpassungsfähigkeit des Menschen, für die er auf intakte Ökosysteme und deren Leistungen angewiesen ist. Dies wird als "Ecosystem based Adaptation" bezeichnet. Je nach Betrachter ist dieser Begriff weiter gefasst, angelehnt an den Ecosystem Approach der CBD als eine Richtlinie für Anpassung insgesamt oder enger gefasst als das gezielte Management von Ökosystemen mit dem Ziel, Leistungen für die Anpassungsfähigkeit zu fördern. Aus Naturschutzsicht sollte grundsätzlich die weitere Perspektive gewählt werden, da das Konzept kein Selbstzweck sein soll sondern eben die Lebensgrundlage von Mensch und Natur sichern und die Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel verringern soll.

Obwohl das Konzept während der 14. UNFCCC-Vertragsstaatenkonferenz in Poznan erstmals offiziell in den internationalen Klimaverhandlungen erwähnt wurde und an unterschiedlichen Stellen in den folgenden Verhandlungstexten auftauchte, ist es im Copenhagen Accord weitgehend verschwunden und kann keineswegs als politisch anerkanntes Konzept gelten - während um die Klimaschutzleistungen von Ökosystemen nicht mehr grundsätzlich sondern in der Ausgestaltung gerungen werden muss. Dabei können die zusätzlichen Vorteile, vor allem für die Entwicklungszusammenarbeit gar nicht deutlich genug betont werden. Denn der Zugang zu bzw. die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen ist untrennbar mit den Ökosystemleistungen verknüpft, die auch für die Anpassungsfähigkeit relevant sind. Dies sind insbesondere die regulierenden Leistungen im Wasserhaushalt, die den Umgang mit zu viel und zu wenig Wasser erleichtern bzw. die Amplituden dämpfen. Nachhaltige Entwicklung ist über diesen Ansatz sehr eng mit dem Naturschutz verknüpft.


Ökosystemare Dienstleistungen

Ein Beispiel für das Zusammenspiel von Ökosystemaren Dienstleistungen mit Blick auf Anpassung und Klimaschutz im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen ist das Biosphärenreservat in der Region Kafa im Südwesten Äthiopiens. Die Gegend gilt als "Biodiversity Hotspot" und ist eine der wenigen bewaldeten Gegenden des Landes. Sie ist bekannt für über 5000 Sorten wilden Kaffees der Art Coffea arabica. Durch partizipatives Waldmanagement wurden Nutzungskonzepte entwickelt, die den Nutzungsdruck auf den Primärwald verringern, ohne dabei den Zugang der lokalen Bevölkerungsgruppen zu den traditionell genutzten natürlichen Ressourcen zu erschweren. Im Mittelpunkt steht die Verminderung der Entwaldungsrate durch geringeren Holzverbrauch (z.B. Öfen statt Feuerstellen) und den Anbau von Nutzholz in einem Gemeindewald außerhalb des Primärwaldes. Entwaldete Gebiete werden zusätzlich mit heimischen Arten neu aufgeforstet. Naturtourismus und der Aufbau einer Regionalmarke des Wildkaffees in traditioneller Nutzung machen darüber hinaus deutlich, wie die Natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt werden können. Das partizipative Waldmanagement soll als Instrument noch ausgeweitet werden und durch ein Klimamonitoring begleitet werden. Verbunden mit einer Informationskampagne und Mikrokreditprogrammen soll so die Sicherung ökosystemarer Leistungen mit der Verringerung der Vulnerabilität und mit Klimaschutzmaßnahmen verbunden werden.

Weltweit finden sich mittlerweile Beispiele für Naturschutz, der zum Beispiel der Stabilisierung des Wasserhaushaltes und der Trinkwasserversorgung dient (z.B. im Einzugsgebiet von Quito) oder zur Sicherung von Siedlungen gegen Hochwasser an Flüssen und Küsten (Mangroven, Auen und andere natürliche Retentionsräume). Auch die Landwirtschaft in stark vom Klimawandel betroffenen Regionen sollte sich die Anpassungsfähigkeit natürlicher und naturnaher Systeme zu Nutze machen. Denn während Stürme, Dürren, Überschwemmungen und der Anstieg des Meeresspiegels Ernten und Ackerland bedrohen, haben technische Anpassungsmaßnahmen meist nur geringe Wirkung bzw. einen begrenzten Spielraum. Kleinbäuerliche Strukturen mit einer Vielfalt an Arten, Sorten und Anbaustrukturen, kurz: mit einer hohen Agrobiodiversität, bieten dagegen eine wesentlich höhere Widerstandsfähigkeit. Der IPCC, die deutsche Anpassungsstrategie und der Weltagrarbericht kommen allesamt zu dem Ergebnis, dass nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft zu einem Schlüsselfaktor der Anpassungsfähigkeit und Ernährungssicherung ist.

Das Fehlen eines verbindlichen Klimaabkommens macht diese Argumentationen nicht einfacher, doch besteht auch unter gegebenen Bedingungen genug Handlungsspielraum um derartige Konzepte zu fördern und einzufordern. Die zunehmende Wahrnehmung von Ökosystemdienstleistungen als Lebensgrundlage des Menschen ist dabei hilfreich und förderlich und bereitet auch den Weg für eine verbesserte Abstimmung der Ziele von Naturschutz und Entwicklungszusammenarbeit.

Der Autor ist NABU-Referent für Klimawandel und Biodiversität.


Zum Weiterlesen:

NABU-Aktivitäten in Äthiopien: http://www.nabu.de/themen/international/laender/aethiopien/
BirdLife International: Partners with Nature: How healthy ecosystems are helping the world's most vulnerable adapt to climate change:

http://www.birdlife.org/climate_change/pdfs/Ecosystemsandadaption.pdf - Natural Solutions - Protected areas helping people cope with climate change http://cmsdata.iucn.org/downloads/natural_solutions.pdf - BUKO Agrar Koordination: Positionspapier - Vielfalt als Anpassungsstrategie der Landwirtschaft im Klimawandel http://www.bukoagrar.de/fileadmin/dateiupload/PDF- Dateien/Positionspapier_Endversion_mit_Logos.pdf


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010