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INITIATIVE/426: "Hammer" - Wirtschaftsministerium versenkt Bürgerbeteiligung im Jelstrom (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 23. Juni 2009

Der Hammer: Wirtschaftsministerium versenkt Bürgerbeteiligung im Jelstrom

Vom merkwürdigen Umgang der Planungsbehörde mit engagierten Bürgern


Neumünster, 23. Juni 2009: Seit 2003 bemüht sich die Bürgerinitiative 'Jelstrom', die Neubau-Trasse der Bundesstraße B5 bei Hattstedt / Kreis NF zum Schutz der Landschaft um einige Meter zu verschieben. Die selbst erarbeitete, kostengünstigere Variante bietet nur Vorteile - doch das Kieler Wirtschaftsministerium will lieber mit dem Kopf durch die Wand.

Bereits seit 2003 bemüht sich die Bürgerinitiative (BI) AG-Jelstrom, die Trasse für den geplanten Neubau der Bundesstraße B5 im Streckenabschnitt Hattstedt / Hattstedtermarsch im Kreis Nordfriesland um nur 200 m nach Nordosten zu verschieben. Nur so kann der 'Jelstrom', ein alter, naturschutzfachlich wertvoller Priel, der im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie zur Renaturierung ansteht, von den negativen Auswirkungen des geplanten Straßenbaus freigehalten werden.

Die von der BI bevorzugte Variante 1 führt dabei durch Maisfelder, die technisch für den Straßenbau einen besseren Untergrund bieten, und macht keine doppelte Querung des Jelstromes notwendig, der so für eine Renaturierung zur Verfügung steht und den dann auch der Fischotter ohne Gefahr durchwandern könnte. Die Variante böte daneben auch Raum genug, um die Einbindung der Straße in die Landschaft sowie nötige Schallschutzmaßnahmen effizienter umzusetzen. Ziel der BI ist eine Kombination aus Feuchtbiotopgestaltung und der Errichtung eines Kollisions- und Lärmschutzwalls. Da die B 5 Gewässer mit Moorfroschvorkommen quert, sollen zudem im Zuge der ohnehin notwendigen Grabengestaltungen neue Biotopgräben entstehen. Insgesamt entspricht die von der BI geplante Variante voll dem Grundsatz der Eingriffsminimierung und es gibt eigentlich kaum Argumente gegen die mit viel Detailwissen und hohem Zeitaufwand entwickelte Planungsalternative. Die BI verfolgt dabei diese Vorschläge konsequent fachlich und ohne Einzelinteressen zu viel Gewicht zu geben.


Wirtschaftsministerium blockiert ...

In dem Wirtschaftsministerium in Kiel (WiMi) als verantwortlicher Planungsbehörde fand die BI allerdings einen hartnäckigen Widersacher, der - nicht mit Sachargumenten, sondern in 'Basta-Manier' und mit Hilfe gezielter Manipulation - seine Vorstellungen versucht, durchzusetzen. Trotz der breiten Zustimmung aus der Region für die auch kostengünstigere und ausschließlich mit finanziellen Eigenmitteln der BI erarbeitete Planungsvariante - deren Erstellung zudem eigentlich Aufgabe der Planungsbehörde wäre - gibt es bis heute keine erkennbares Entgegenkommen des WiMi. Unterstützung findet die BI mit ihrer Planungsalternative dagegen bei allen politischen Parteien, bei anliegenden Gemeinden, vielen Politikern aus Kreis und Land, den Umweltverbänden sowie dem Landrat des Kreises Nordfriesland, der darauf drängt, möglichst zügig einen Neubau der Bundesstraße zu bekommen.


... und manipuliert!

Besonders dreist gestaltete sich der Umgang des WiMi mit den Vorschlägen der BI: Der Petitionsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags hatte im Herbst 2006 die BI - Variante befürwortet und der damals zuständige Minister Austermann erklärte daraufhin, dem Votum nun zu folgen. Das Bundesverkehrsministerium lehnte jedoch im Frühjahr 2007 völlig überraschend die BI - Variante wegen 'unzumutbarer und unsinniger Mehrkosten' ab. Die Prüfung der Unterlagen ergab jedoch, dass die vom WiMi dem Bundesverkehrsministerium vorgelegten Akten (Karten) des Petitionsausschusses nachträglich grundlegend verändert worden waren. Diese Änderung implementierte in der Tat unsinnige Mehrkosten für einen ebenfalls unsinnigen und bis dahin nie verhandelten Alternativverlauf der B 5. Die nun folgende öffentliche Diskussion in den Medien über diese "Konkretisierung" (beschönigender O-Ton des WiMi für die Manipulation) war ausschlaggebend, sich seitens des WiMi erneut mit der BI befassen zu müssen. Im September 2007 wurde die BI aufgefordert, mit Abgabetermin November 2007 einen eigenen, schriftlichen Planungsentwurf anzufertigen, die diese auch fristgerecht auf eigene Kosten vorlegte. Die Prüfung dieses Entwurfs dauerte bis ins Frühjahr 2009. Zwischenzeitlich musste die BI noch auf eine - bisher unterlassene, genehmigungstechnisch aber notwendige - vogelkundliche Kartierung des Nahbereichs der Trasse drängen.

Eine Bewertung der BI Variante vor dem Planfeststellungsverfahren wird derzeit vom WiMi abgelehnt. Zwischenzeitlich wird aber über das ALR (heute: LLUR) bei den Grundbesitzern intensiv und nachdrücklich um den Flächentausch und Kauf - jedoch ausschließlich für die Behördentrasse - verhandelt. Ziel ist offensichtlich die komplette Sicherung der Flächenverfügungsmasse für die Behördenlinie - um so Fakten zu schaffen.

Bis heute ist zum bevorstehenden Planfeststellungsverfahren noch keine zufriedenstellende Einigung erreicht worden. Selbst die zwischenzeitlich erfolgte positive Einschätzung des BI-Konzeptes bezüglich der europäischen Artenschutzanforderung durch ein renommiertes Planungsbüro aus Kiel brachte keinen Durchbruch bei den zähen Verhandlungen mit dem WiMi.

Sollte die Bürgernähe, die zwar vielfach postuliert, aber bisher in keiner Weise auch wirklich ausgeübt wurde, tatsächlich keine Chance bekommen? Wird eine frühzeitige Beteiligung engagierter, fachkundiger Bürger bewusst hintertrieben?


NABU-Unterstützung

Auch der NABU Schleswig-Holstein unterstützt vorbehaltslos das Konzept der BI. Diese überzeugt den NABU nicht zuletzt durch ihr Engagement in der Region Hattstedt / Hattstedtermarsch, das weit über die Formulierung der Ansprüche der Eingriffsminderung und eine bürgerverträgliche Bundesstraßen-Planung hinausgeht. Ihr Anliegen ist seit langem die Renaturierung eines wertvollen Lebensraumes als Teil unseres Naturerbes. Allen vor Ort engagierten Bürgern ist eines gemeinsam: Sie haben ein starkes Heimatinteresse und sind unter keinen Umständen bereit, sich durch eine bürgerfeindliche, vom 'grünen Tisch' aus geführte Planung ins Abseits stellen zu lassen!

Der NABU findet, die Ignoranz des Wirtschaftsministeriums in Kiel ist ... echt der Hammer!


Hintergrund zur Aktion

"Das ist der Hammer!" - So reagieren engagierte Naturschützer immer wieder, wenn sie sich mit den Launen und Schlichen derjenigen auseinander setzen müssen, denen vor allem das Eigeninteresse oder die Unterstützung einer Klientel am Herzen liegen, der die Bewahrung unseres Naturerbes aber nur in vollmundigen Sonntagsreden gelingt. Der NABU dokumentiert in loser Folge Kuriositäten und Absurditäten aus dem Land zwischen den Meeren. Bereits zuvor "geehrt" wurde die Jagdabteilung im MLUR, die den qualvollen Fang eines Steinmarders im Schlageisen schlicht leugnete.

Im Internet zu finden unter http://hammer.NABU-SH.de


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Quelle:
Presseinformation, 23. Juni 2009
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2009