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FORSCHUNG/738: Nachhaltiges Landmanagement (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2011

Nachhaltiges Landmanagement

Jeder Teil der Landoberfläche unseres Planeten steht nur für eine Nutzung zur Verfügung: Ob für Siedlung und Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Bergbau und Industrie oder den Naturschutz. Mit jeder Entscheidung für oder gegen einen Landnutzungswandel wird an Stellschrauben gedreht, die auch an entfernten Teilen der Welt ungeahnte Veränderungen nach sich ziehen können. Kann das gesteuert werden? Welche Handlungsstrategien sind für ein nachhaltiges Landmanagement erforderlich?


Landnutzung muss nachhaltig gemanagt werden

Von Jörg Aberger

Regionales Handeln auf seine globalen Wirkungen hin zu betrachten, ist vor allem mit Blick auf die Nutzung von Land von erheblicher Bedeutung. Um unerwünschte Wechselwirkungen auszuschließen, muss Landnutzung nachhaltig gemanagt werden. Wie das in Zukunft aussehen könnte, lässt das Bundesministerium für Bildung und Forschung jetzt untersuchen und hat dabei Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) die wissenschaftliche Begleitung im international angelegten Teil (Modul A) des Förderprogramms "Nachhaltiges Landmanagement" übertragen.

Es ist ein ziemlicher Bandwurmname, unter dem das ambitionierte Projekt an den Start geht: GLUES steht für "Global Assessment of Land Use Dynamics, Greenhouse Gas Emissions and Ecosystem Services". Sperrig ist diese Bezeichnung sicher, unverständlich aber nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn Andreas Werntze, der für die Koordination und die Kommunikation für dieses Modul A "Wechselwirkungen zwischen Landmanage ment, Klimawandel und Ökosystemdienstleistungen" im Forschungsprogramm zuständig ist, übersetzt und erklärt, um was es geht: "Bei allen Maßnahmen auf regionaler oder nationaler Ebene im Rahmen von Vermeidungs- und Anpassungsstrategien zum Klimawandel verliert man leicht den Überblick dafür, welche Maßnahmen welche Auswirkungen in anderen Teilen der Welt haben können". Und so kooperiert GLUES mit zehn verschiedenen internationalen Verbundprojekten - ebenfalls im Rahmen des Programms gefördert - um der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ein Stück näher zu kommen.

Nachhaltiges Landmanagement - vor allem der Anspruch, Nachhaltigkeit zu erreichen, dürfte zu den größten Herausforderungen für die UFZ-Wissenschaftler und deren Partner gehören. "Nachhaltiges Landmanagement, wie es im Sinne des Brundtland Reports definiert ist, beinhaltet natürlich die drei Aspekte der ökologischen, sozialen und ökonomischen Vertretbarkeit von jetziger und zukünftiger Nutzung der limitierten Ressource Fläche", erläutert Prof. Dr. Ralf Seppelt, Leiter des Departments Landschaftsökologie am UFZ, die umfassende Bedeutung der Begrifflichkeit. Dabei hätten bislang allerdings die Effekte, die durch Landnutzung in einem Teil der Erde in anderen Ecken des Globus ausgelöst werden, in den Nachhaltigkeitsbegriff keinen Eingang gefunden. Solche Effekte müssten aber unbedingt mit betrachtet werden, wenn man über nachhaltiges Landmanagement reden wolle.


Fläche ist begrenzte Ressource

Genauer sollen die Wechselwirkungen unter die Lupe genommen werden, die sich aus der Nutzung von Land und der möglicherweise daraus resultierenden Entwicklung und Emission von Treibhausgasen sowie den Auswirkungen von Landmanagement auf so genannte Ökosystemdienstleistungen ergeben. Projektleiter Seppelt: "Wir betrachten natürliche Funktionen, von denen unser Leben und unsere Existenz unmittelbar abhängen, wie etwa das Regulierungspotenzial für Trinkwasser, das durch Wassermanagement beeinflusst werden kann, oder auch das Klimaregulierungspotenzial für Treib ausgase, das von Wäldern bereitgeh halten wird." Am Beispiel Wald sind solche Wechselwirkungen gut ablesbar: Weichen Waldflächen landwirtschaftlicher Nutzung, so geht mit den Wäldern deren Klimaregulierungspotenzial verloren. Damit ist das eigentliche Ziel konterkariert, nämlich - wie beispielsweise in Brasilien - aus nachwachsenden Rohstoffen Bioethanol zur Nutzung als Kraftstoff zu gewinnen und damit das Klima zu schonen. Und die Entscheidung, ob mehr Zuckerrohr für diese Zwecke angebaut wird, hängt auch davon ab, wie groß der "Bioethanol-Hunger" außerhalb Brasiliens ist (siehe auch Infobox Seite 4).

Warum ist die Beschäftigung mit der Nutzung von Land aber so bedeutsam? Jedes Stück der Erdoberfläche kann offensichtlich nur für eine Nutzung verwendet werden. Diese Nutzung durch den Menschen beeinflusst aber ein Vielzahl von Ökosystemfunktionen. 40 Prozent der Flächen werden landwirtschaftlich genutzt, um den steigenden Bedarf der Menschen an Nahrung decken zu können. "Der Mensch entzieht dem Planeten Biomasse durch Beerntung, Brandrodung oder durch die Umnutzung von Land", macht Seppelt deutlich. Und das betrifft immerhin 23 Prozent der gesamten Biomasse, die die Erde jedes Jahr generiert. Nur elf Prozent der Landoberfläche sind als Schutzgebiete ausgewiesen, in denen Ökosysteme, deren Funktionen und die vorkommenden Arten unter besonderem Schutz stehen. Hinzu kommt, dass durch eine Intensivierung der Landnutzung der Artenreichtum zunehmend bedroht wird. So hat sich die Fläche der unter Bewässerung stehenden Gebiete zwischen 1960 und 2000 verdoppelt, und der Gesamteinsatz von Stickstoff, Phosphat und Pestiziden ist im gleichen Zeitraum um ein Vielfaches gestiegen. Die Landwirtschaft bietet viele Forschungsansätze, an denen Wechselwirkungen studiert werden können. "Zwei Verbundprojekte in China und Vietnam untersuchen, wie der Klimawandel die Menschen unter anderem dazu zwingt, Anbauverfahren zu verändern", berichtet Seppelt. Unter anderem soll geklärt werden, mit welchen Mitteln zum Beispiel Ertragssteigerungen möglich sind und welche Folgen das haben könnte. Zugleich werden die Wissenschaftler beobachten, wie sich die Biodiversität auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren auswirkt.


Nicht für die Schublade forschen

Der UFZ-Wissenschaftler macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass man zwar die Auswirkungen mancher Formen von Landnutzung schon unmittelbar beobachten kann, ihre tatsächlichen Ursachen aber zum Teil noch gar nicht kennt. "Von der wissenschaftlichen Seite betrachtet sind viele Wechselwirkungen noch nicht ausreichend erforscht, um daraus tatsächlich klare Lösungsstrategien ableiten zu können", sagt Seppelt. Und auch auf Seiten der Anwendung gibt es große Unsicherheiten, welche Strategien oder Instrumente und Werkzeuge es für ein Landmanagement überhaupt gibt. Wie steht es zum Beispiel um die Möglichkeit des Einsatzes von "payments for ecosystem services", also der Berücksichtigung von Ökosystemfunktionen bei der Inwertsetzung natürlicher Produkte? "Da zeigt sich bei dem jetzt angelaufenen Forschungsprogramm eine Besonderheit, weil dieses nämlich beide Aspekte verknüpft: Sowohl die wissenschaftliche Grundlagenforschung zur Prozessaufklärung als auch angewandte Aspekte wie die Instrument- und Lösungsentwicklung für die Praxis", umreißt Seppelt das Vorhaben. Dazu ist es zwingend erforderlich, Praktiker vor Ort in die Arbeit der regionalen Verbundprojekte einzubinden. Denn was nützt es, wenn sich Wissenschaftler den Kopf darüber zerbrechen, welche Lösungsstrategien sie anbieten können, wenn sie darüber vergessen, welche Bedürfnisse und Probleme die Menschen in der Region haben, in denen die Ergebnisse der Untersuchungen umgesetzt werden sollen?

Diese Aufgabe sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. "Viel zu oft geschieht es doch, dass an solchen Verbundvorhaben beteiligte Forscher die tollsten wissenschaftlichen Ergebnisse erzielen, diese aber nicht in die Anwendung überführt werden." Hier, so Projektkoordinator Werntze, liegt die besondere Verantwortung, der man sich jetzt stellt: "Einer der wesentlichen Punkte von GLUES wird es sein, die Kommunikation, Vernetzung und den Wissenstransfer nach innen und außen sicher zu stellen." Im inneren Austausch werde es darum gehen, den verschiedenen Projektbeteiligten zu vermitteln, was ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Teilen der Erde gerade bearbeiten, zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind und wie diese Ergebnisse in die jeweils eigene Arbeit einfließen können. Außerdem soll auf Tagungen, Kongressen und Messen Sorge dafür getragen werden, dass keine wichtigen Forschungsergebnisse unbeachtet bleiben. Und nicht zuletzt ist es wichtig, die Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft zu betrachten: Wie können die - mit viel Geld erarbeiteten - Forschungsergebnisse in die politischen Entscheidungsprozesse auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene eingebracht werden? Mit der Synthese der Ergebnisse aus den regionalen Forschungsprojekten und Aufbereitung für die verschiedenen Nutzer- und Stakeholdergruppen wollen die UFZ-Wissenschaftler aufzeigen, mit welchen Landnutzungsformen und mit welchen Ökosystemdienstleistungen die Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen tatsächlich verringert werden kann. Ein ehrgeiziges Ziel, denn letztendlich heißt das, dass die Ergebnisse der Forscher in die großen UN-Konventionen einfließen müssen, damit sie globale Wirkung entfalten können.

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ralf Seppelt, Andreas Werntze
Dept. Landschaftsökologie

e-mail: ralf.seppelt[at]ufz.de, andreas.werntze[at]ufz.de
mehr Informationen: Forschungsprogramm: www.nachhaltiges-landmanagement.de
Projekt GLUES: http://modul-a.nachhaltiges-landmanagement.de/de/modul-a


BMBF-Programm "Nachhaltiges Landmanagement"

Mit 100 Millionen Euro unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme "Nachhaltiges Landmanagement" bis zum Jahr 2015 nationale und internationale Projekte, die hierfür die erforderlichen Wissensgrundlagen, Technologien und Instrumente zur Verfügung stellen sollen. Die Fördermaßnahme ist Bestandteil des BMBF-Rahmenprogramms "Forschung für nachhaltige Entwicklungen" (FONA) und trägt zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie und der Klimaschutzziele der Bundesregierung bei. Der Förderschwerpunkt ist in zwei Module unterteilt:
Modul A ("Wechselwirkungen zwischen Landmanagement, Klimawandel und Ökosystemdienstleistung") wird vom UFZ koordiniert.
Modul B ("Innovative Systemlösungen für ein nachhaltiges Landmanagement") wird vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) koordiniert.
www.nachhaltiges-landmanagement.de


Landnutzung und Bioenergie

Beispiel Brasilien:
Welche Konsequenzen ehrgeizige Bioenergieziele haben könnten, haben Wissenschaftler 2010 in der international hoch anerkannten Fachzeitschrift PNAS aufgezeigt. Die angestrebte Menge an Biosprit könnte dazu führen, dass über 120.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt werden, um zusätzliche Anbaufläche für Nahrungsmittel zu gewinnen, wenn auf den bisherigen Feldern Bioenergiepflanzen statt Lebensmittel angebaut werden. Die Landnutzung würde sich so weiter nach Norden in den Amazonasregenwald verschieben. Statt das Klima zu schützen, würden über 250 Jahre lang zusätzliche Treibhausgase freigesetzt. Zahlen, die bereits für Schlagzeilen sorgten. "Es ging uns aber nicht darum, die Bioenergie zu verteufeln, sondern darum, dass man sich über den zusätzlichen Flächenbedarf Gedanken machen muss und dass man die Systeme nicht isoliert betrachten darf", erklärt Dr. Jörg Priess vom UFZ, der an der Studie beteiligt war. Daher haben die Forscher auch zwei Vorschläge gemacht, um dieses Dilemma zu lösen: Zum einen könnte der zusätzliche Flächenbedarf gesenkt werden, wenn die schon bestehenden Weideflächen im Amazonas intensiver genutzt werden. Zum anderen könnten Ölpalmen helfen, die bestehenden Flächen intensiver zu bewirtschaften, da sie mehr Energie liefern als Soja, das bisher vorwiegend in Brasilien zur Produktion von Biodiesel eingesetzt wird.

Beispiel Indien:
Ehrgeizige politische Ziele für Bioenergie hat auch Indien. Die dafür vorgesehenen Ödlandflächen bringen jedoch weniger Erträge als erhofft. Importe aus dem Ausland könnten allerdings die Nachfrage in Ländern wie Indonesien anheizen und damit dort den Druck auf die Regenwälder erhöhen.

Beide Beispiele zeigen, wie komplex das Thema Landnutzung ist. Durch die Globalisierung hat eine erhöhte Nachfrage nach Bioenergie in Europa Auswirkungen in der dritten Welt - egal wie gut gemeint die politischen Ziele sind und wie sehr sich die Beteiligten auch bemühen, durch Zertifikate negative Auswirkungen zu verhindern. Veränderungen an einer Stellschraube ziehen heute zwangsläufig Veränderungen in anderen Teilen der Welt nach sich.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Reisterrassen in Banaue, Nord-Luzon, Philippinen: Vergleich der Kulturlandschaft zwischen 1903 und 2010. Ein Hauptuntersuchungsgebiet des vom BMBF im Rahmen des Programmes zum nachhaltigen Landmanagement geförderten Projektes LEGATO, das vom UFZ koordiniert wird.Quelle: S/W - Harold C. Conklin, Farbe - Josef Settele

Die Satellitenaufnahme (Landsat 7 Enhanced Thematic Mapper, Falschfarben-Komposit) der Landnutzung im nördlichen Bolivien zeigt, wie sich die landwirtschaftlich genutzten Flächen in den Regenwald des oberen Amazonas hinein fressen. Die roten Bereiche weisen auf gesunde Vegetation hin (starke Reflektion im nahen Infrarot), grünliche bis weiße Bereiche sind Ackerboden oder abgeerntete Felder. Die dunklen Flächen sind entweder Wasser (schwarz) oder, wenn sie noch Rottöne aufweisen, Wald.Quelle: Deutsches Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR)


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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2011, S. 2-4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2011