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FORSCHUNG/638: "Nachhaltige Bioprozesse" - Viel Gefühl für Hefe (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter März 2010

Viel Gefühl für Hefe


Sie hat die Bierhefe zu ihrer Berufung gemacht, obwohl sie den Gerstensaft nicht einmal gern trinkt: Franziska Bühligen forschte für eine Projektarbeit im Rahmen ihres Biologiestudiums an Bierhefe. Seitdem hat ihre Faszination für die Hefe nicht nachgelassen. Am UFZ arbeitet die 25jährige nun an ihrer Doktorarbeit zu Bruch- und Staubhefen: "Ich will herausfinden, warum sich die Hefen beim Gärungsprozess so verschieden verhalten", beschreibt sie das Ziel ihrer Forschungen. Franziska Bühligens Dissertation, für die sie die Hefen verschiedener Brauereien untersucht, hängt eng mit der wirtschaftlichen Praxis zusammen: Brauereien benötigen große Mengen an Hefe für die Bierproduktion. Die Aufzucht in solchen Massen ist allerdings aufwändig. Außerdem hat jede Brauerei ihre eigene Hefe, die wie ein Schatz gehütet wird, weil sie für den typischen Geschmack ihrer Biersorte sorgt.

Endlos-Recycling unmöglich

Beim Brauvorgang vermehren sich die Hefezellen und dadurch entsteht genügend Biomasse, um in der nächsten Führung wieder verwendet zu werden. Doch irgendwann verliert die Hefe ihr so genanntes Bruchverhalten und "verstaubt". Durch diesen so genannten Flokkulationsverlust wird das Bier trüb und schmeckt nicht mehr, die Hefe stirbt ab. "Wenn ein Braugang derart daneben geht, entstehen immense wirtschaftliche Schäden: In modernen Brauereien werden pro Braugang rund 3.000 Hektoliter Bier hergestellt - das sind 600.000 Flaschen", weiß die junge Wissenschaftlerin. Bislang wurde die Wiederverwendung der Hefe von den Braumeistern allein auf der Grundlage ihrer Erfahrungen entschieden. Die zentrale Frage ist also: Wie oft kann die Hefe eingesetzt werden? Fände sich ein Weg, eine verlässliche Auskunft darüber geben zu können, wäre das für die Brauereiwirtschaft ein großer Gewinn. Deshalb werden Franziska Bühligens aufwändige und kostenintensive Forschungen von der Wissenschaftsförderung der deutschen Brauwirtschaft finanziell unterstützt. Von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erhält sie ein Promotionsstipendium, und durch den DBU-Stipendienschwerpunkt "Nachhaltige Bioprozesse" ist eine wissenschaftliche Begleitung und Betreuung bei Fragen und Problemen durch mehrere Professoren deutschlandweit gegeben.

Bereits seit den 1990ern forscht die direkte Betreuerin von Franziska Bühligen, PD Dr. Susann Müller (sie leitet die Arbeitsgruppe Flow-Cytometrie am UFZ-Department Umweltmikrobiologie), am Verhalten von Bierhefen. Dazu nutzen sie ein Flow-Cytometer - ein Gerät, mit dem Einzelzellen untersucht werden können. Darüber hinaus schaut sich Franziska Bühligen gezielt die Gene der Hefe an. Möglich ist das durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für Technische Chemie der Leibniz-Universität Hannover und der dortigen Arbeitsgruppe Chiptechnologie. Ein knappes Jahr hat sie noch Zeit bis zur Abgabe ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Die Brauereien warten bereits auf ihre Ergebnisse.  Gundula Lasch

Nachwuchswissenschaftlerin:
Franziska Bühligen,
Dept. Umweltmikrobiologie

Telefon: 0341/235-1366
e-mail: franziska.heine@ufz.de
mehr Informationen:
AG Flow-Cytometrie
(www.ufz.de/index.php?de=16773)


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
UFZ-Doktorandin Franziska Bühligen hat sich Bierhefen verschrieben. Sie will herausfinden, warum sie sich beim Gärungsprozess so unterschiedlich verhalten und befasst sich deshalb mit deren Zellphysiologie.


Flow-Cytometrie am UFZ

Mit der so genannten Flow-Cytometrie können die strukturgebenden und funktionstragenden Charakteristika von Zellen quantitativ analysiert werden. Dieses Wissen ist Voraussetzung dafür, die Physiologie individueller Zellen und (Sub-)Populationen genauer zu verstehen und die Leistungen von Einzelzellen oder einer ganzen Zellpopulation zu beeinflussen. Das Konzept von Cytomics als analytischer Ansatz entwickelt sich weltweit zunehmend zur Methode der Wahl, um Funktion und Dynamik mikrobieller Gemeinschaften zu erfassen. Cytomics beinhaltet dabei sowohl die phylogenetische Differenzierung als auch die proteomische Beschreibung funktioneller Eigenschaften von Zellen und Zellpopulationen.
Phylogenetik: Erforschung von Verwandtschaftsverhältnissen bestimmter Verwandtschaftsgruppen
Proteomics: Erforschung des Proteoms, also der Gesamtheit aller in einer Zelle unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine


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Quelle:
UFZ-Newsletter März 2010, Seite 11
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2010