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EUROPA/350: Kein Internet in der Wasserleitung! (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1027, vom 20. Dez. 2013, 33. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Wasserwirtschaftsverbände: Kein Internet in der Wasserleitung!



Warum der Datenhighway in Trinkwasser- und Abwasserleitungen ein hygienisch bedenklicher Irrweg ist, begründen AutorInnen von DVGW, BDEW und Rohrleitungsbauverband (RBV) in der gemeinsamen Stellungnahme "Europäischer Zwang zum Breitbandkabel-Ausbau in Wasser- und Abwassernetzen?" in der ENERGIE WASSER PRAXIS 9/2013, S. 36-40. MICHAELA SCHMITZ ET AL. kommen in ihrer Analyse der geplanten "EU-Verordnung über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation" (s. RUNDBR. 1017/3) zum Ergebnis, "dass durch das Einbringen von Datenkommunikationskabeln die Trinkwasserversorgung nachhaltig gefährdet" würde. Die AutorInnen der Stellungnahme setzen sich auch mit der 2009 veröffentlichen Norm DIN EN 60793-3-60 "Lichtwellenkabel - Teil 3-60: Außenkabel - Familienspezifikation für Kabel in Trinkwasserleitungen und Schächten für die Verlegung durch Einblasen und/oder Einschieben/Einziehen/Eingleiten in Trinkwasserleitungen" auseinander. Diese Norm wird von Befürwortern der Verlegung von Datenkabeln in Trinkwassernetzen als Begründung genutzt, dass durch technische Normen das gefahrlose Einbringen von Datenkabeln in Trinkwasserversorgungsnetze bereits gewährleistet sei. Demgegenüber verweisen die AutorInnen der Stellungnahme darauf, dass hygienische Risiken in der Norm gar nicht behandelt werden. So werde in der Norm nicht berücksichtigt, inwieweit ein hygienisch bedenklicher Übergang von Stoffen aus den Kabelisolierungen ins Trinkwasser möglich sei. Ferner würden in der Norm die mikrobiellen Risiken beim Verlegen der Lichtwellenleiter in Trinkwasserleitungen nicht berücksichtigt. Der Teil "Verlegebedingungen" befinde sich in der Norm erst "in der Bearbeitung". Darüber hinaus wird in der Stellungnahme kritisiert, dass die von der EU versprochene Kostensenkung beim Ausbau der Breitbandkabelinfrastruktur durch das Verlegen von Kabeln in Trinkwasser-und Abwasserleitungen nicht belegt sei.

Weitere Auskunft zur gemeinsamen Stellungnahme von DVGW, BDEW und RBV:
Frau Dr. Michaela Schmitz
Bundesverband der deutschen Energie- und
Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), Berlin
Tel.: 030/300 199-1200
E-Mail: michaela.schmitz[at]bdew.de


DVGW: "Vielzahl potenzieller Undichtigkeitsstellen"

Ergänzend zu der zuvor genannten Stellungnahme der Verbände macht der DVGW in der ENERGIE WASSER PRAXIS 9/2013 auf S. 209 noch auf seine separate Stellungnahme aufmerksam. Unter der Überschrift "DVGW sieht Telekommunikationsleitungen in Gas- und Wasserleitungen kritisch" weist der DVGW u.a. auch auf folgendes Problem hin:

"Das Einbringen von Telekommunikationsleitungen (TKL) in bestehende Rohrnetze der Wasser- und Gasversorgung führt im Rahmen der Verlegung dazu, dass das Kabel vor jeder Armatur ausgeführt und nach der Armatur wieder eingeführt werden muss, um die Funktionsfähigkeit der Armaturen uneingeschränkt zu gewährleisten. Aufgrund der hohen Dichte der Armaturen im Verteilnetz entsteht eine Vielzahl potenzieller Undichtigkeitsstellen, deren Gefährdungspotenzial als hoch eingeschätzt werden kann. Darüber hinaus ergeben sich erhebliche Einschränkungen bei der Durchführung von Entstörungs-, Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen."

Die vollständige Stellungnahme des DVGW kann unter
www.dvgw.de/wassernetze-und-speicherung/
heruntergeladen werden.


Bundesregierung lehnt Datenhighway in der Wasserleitung ab

In der zuvor genannten gemeinsamen Verbändestellungnahme wird auch auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN im Bundestag (BT-Drs. 17/14443 vom 29.07.13) hingewiesen. Die LINKS-Fraktion wollte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Berichterstattung im Hygiene-Newsletter 6/2013 von der damaligen CDU/CSU/FDP-Bundesregierung wissen, ob das Bundesgesundheitsministerium die Besorgnisse der Wasserwerker über die hygienischen Risiken der Verlegung von Datenkabeln in Trinkwasserleitungen nachvollziehen könne. Die Antwort der Bundesregierung:
"Die Bundesregierung teilt die hygienisch begründeten Bedenken und Sorgen gegenüber der Verlegung von Breitbandkabeln in Trinkwasserleitungen."

Entsprechende Passagen in der geplanten EU-Verordnung würde die Bundesregierung deshalb ablehnen. Ferner erklärte die Bundesregierung, dass das deutsche Telekommunikationsgesetz "eine Verlegung von Breitbandkabeln in Trinkwasserleitungen nicht verbindlich" vorschreiben würde. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der LINKS-Fraktion war von zahlreichen Zeitungen in Deutschland aufgegriffen worden, um über die Risiken des Datenhighways in Trinkwasserversorgungsnetzen zu berichten.

Die Antwort der Bundesregierung nebst Anfrage der LINKS-Fraktion kann unter
dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/144/1714443.pdf heruntergeladen werden.


EU-Kommission verleugnet eigenen Verordnungsentwurf

Die breite Medienberichterstattung in Deutschland hatte man im Juli 2013 auch in Brüssel registriert. Auf Grund der großen Besorgnisse in der deutschen Wasserwirtschaft sah man sich in der EU-Kommission offenbar zu einem Salto rückwärts veranlasst. Das Einbringen von Telekommunikationsleitungen in Trinkwasserversorgungsnetze sei "niemals ein Kommissionsvorschlag" gewesen und werde "es niemals sein", ließ die EU-Digitalkommissarin NEELIE KROES am 30.07.13 in Brüssel ihren Sprecher erklären: "Das macht keinen Sinn, es wäre zu gefährlich." Die Kommission habe in ihrem Verordnungsentwurf zwar angeregt, verschiedene Leitungen durch gemeinsame Rohre zu verlegen, zum Beispiel für Strom, Wärme oder Gas, erklärte der Sprecher. Datenkabel könnten dabei auch neben bestehenden Leitungen verlegt werden - aber keinesfalls innerhalb von Wasserleitungen. Die gemeinsame Verlegung von Infrastrukturleitungen bedeute "keinesfalls Abstriche bei der Sicherheit". Es habe "niemals eine Empfehlung gegeben, Breitbandleitungen in irgendwelche anderen Leitungen zu packen, ob für Wasser oder etwas anderes." Der BDEW zeigte sich erfreut über den Rückzieher der Kommission. Mit "Verwunderung" reagierte der BDEW allerdings auf die Kommissionserklärung, dass niemals eine Verlegung von Datenkommunikationsleitungen in Trinkwasserrohren vorgesehen gewesen sei.

In seiner Pressemitteilung vom 31.07.13 zitierte der BDEW aus dem Verordnungsentwurf:
"Damit Synergien bestmöglich genutzt werden können, richtet sich die Verordnung nicht nur an die Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze, sondern auch an die Eigentümer physischer Infrastrukturen, z.B. von Strom-, Gas-, Wasser- und Abwasser- sowie Fernwärme- und Verkehrsanlagen, die Komponenten elektronischer Kommunikationsnetze aufnehmen können."

Dass die Kommission ihren eigenen Entwurf verleugnete, lässt sich möglicherweise darauf zurückführen, dass man bei der EU-Kommission wegen der breiten Unterstützung für die Europäische Bürgerinitiative "Right to Water"(R2W) als gebranntes Kind nicht noch ein Mal den Fehler machen wollte, die deutsche Öffentlichkeit massiv gegen einen Kommissionsvorschlag aufzubringen. Von den insgesamt 1,8 Mio. Unterschriften für R2W waren allein 1,4 Mio. Unterschriften in Deutschland gesammelt worden (s. RUNDBR. 1014/4s). In der R2W-Initiative hatten sich die Unterzeichner gegen eine Liberalisierung in der Wasserwirtschaft im Allgemeinen und gegen die geplante EU-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie im Besonderen gewandt.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1027
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2014