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ENERGIE/212: Strom- & Wärmespeicher als Bestandteil eines Dezentralen Energiemanagements (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 4/2010
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Strom- und Wärmespeicher als Bestandteil eines Dezentralen Energiemanagements

Von Frank Baur, Michael Porzig und Florian Noll


Im Rahmen der erforderlichen Dekarbonisierung des Energiesystems sind Kommunen ein wichtiger Akteur hinsichtlich der Erreichung der angestrebten CO2-Minderungsziele. Dem wurde bislang in Deutschland durch Förderinstru mente für Kommunen, wie z.B. der Nationalen Klimaschutzinitiative, Rechnung getragen. Neben dem Klimaschutz werden zukünftig verstärkt Aspekte der regionalen Wertschöpfung und der Sicherheit der Stromversorgung in de zentralen Strukturen berücksichtigt werden müssen. Den kommunalen Stromverbrauch zu jeder Zeit und zu 100% aus regionaler Erzeugung und aus Erneuerbaren Energien zu decken, ist in diesem Kontext ein erklärtes Ziel des SEMS-Projektes, welches durch das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert wird. Neben Investitionen in die Energie -effizienz und den Ausbau einer lokalen Energieerzeugung ist die Aktivierung vorhandener Erzeugungs- und Lastmanagement-Kapazitäten dabei ein wichtiges Optimierungspotenzial. In diesem Zusammenhang wird der Nutzen thermischer und elektrischer Speicher zur Erreichung einer 100%-Versorgung in einer 14.000 Einwohner-Kommune in Rheinland-Pfalz für das Jahr 2020 beispielhaft untersucht.

Das europäische Forschungsprojekt SEMS - "Sustainable Energy Management Systems" ist als Teil des 6. Forschungsrahmenprogramms innerhalb der CONCERTO Initiative der Europäischen Kommission eines von 22 geförderten Vorhaben, das sich mit einer nachhaltigen Energieversorgung in Kommunen beschäftigt. Das Augenmerk liegt dabei in erster Linie darauf, die ökologischen, wirt schaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile nachhaltiger Energiemanagement systeme auf kommunaler Ebene, die auf erneuerbare Energieressourcen und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz setzen, aufzuzeigen. Innerhalb des SEMS-Projektes sind vier Kommunen in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Polen als Projektpartner direkt beteiligt, drei weitere in China, Litauen und Slowenien sind als sogenannte "Observer" direkt in die Prozesse und Projektabläufe eingebunden und profitieren von den gesammelten Erfahrungen innerhalb der vier Kerngemeinden. Die Projektkoordination obliegt dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) / FH Trier - Umweltcampus Birkenfeld. Das Institut für ZukunftsEnergie-Systeme (IZES) aus Saarbrücken und das Centre de Ressources des Technologies pour l`Environnement (CRTE) / Luxemburg sind als wissenschaftliche Partner integriert.

Prioritäres Ziel des fünfjährigen Projekts, das 2007 startete, ist die Verringerung von CO2-Emissionen durch die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung im Strom und Wärmebereich, wodurch fossile Energieträger substituiert und die regionale Wertschöpfung erhöht werden. Hierbei wird insbesondere die Idee der Vernetzung von Energiesenken und -quellen aufgegriffen, um einen hohen Eigendeckungsgrad zu erreichen.

Bei einer ganzjährigen und in der Regel öffentlichkeitswirksam ausgerichteten Bilanzierung der CO2-Einsparungen in Kommunen wird oftmals vernachlässigt, dass Photovoltaik- und Windkraftanlagen nicht nachfrageorientiert, sondern stochastisch in das Netz einspeisen und somit trotz eines hohen Anteils Erneuerbarer Energien zumeist nur eine partiale Deckung des jährlichen Energiebedarfs ermöglichen.

In der Verbandsgemeinde Weilerbach, einer der SEMS-Projektgemeinden, wird vor diesem Hintergrund durch den geplanten Ausbau der Erneuerbaren Energien im Jahr 2020 jährlich genug Strom erzeugt werden können, um den Bedarf der Gemeinde zumindest bilanziell vollständig zu decken. Infolge der systembedingten Fluktuation der Einspeisung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist jedoch eine reale 100% Deckung zu jedem Zeitpunkt nicht möglich. Überschusserzeugungen werden ins übergeordnete Netz exportiert, während zu anderen Zeitpunkten vorhandene Pro duktionsdefizite durch Importe kompensiert werden müssen.


Dezentrales Energiemanagement

Das SEMS-Projekt untersucht die vorhandenen Optimierungspotenziale (ökologisch, ökonomisch), die mittels einer intelligenten Vernetzung von dezentralen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern durch ein dezentrales Energiemanagementsystem auf kommunaler Ebene realisiert werden können. Zu diesem Zweck wird die Energie -management-Software DEMS (Siemens) im Rahmen des Projektes eingesetzt und erstmalig im Kontext der obigen Zielsetzungen angewandt.

Der hauptsächliche Regelansatz bezieht sich auf die Erstellung von Einsatzfahrplänen für alle Systemkomponenten (Erzeugung, Last und Speicher) auf viertel-stündlicher Basis unter Einbezug vorgegebener Betriebsparameter, Kostenfaktoren, Wetterprognosen und historischen Lastprofilen. Die Berechnung erfolgt für 24 Stunden im Voraus und wird stündlich auf Grund einlaufender Wetterprognosen aktualisiert. Dezentrale Erzeuger, wie Blockheizkraftwerke und dezentrale Lasten wie Wärmepumpen, Kühlhäuser oder Klimatisierungsanlagen, sollen auf diese Weise flexibel und ökonomisch in das System integriert und der erwarteten fluktuierenden Einspeisung bedarfsgerecht zugeteilt werden. Durch die Echtzeiteinbindung von Reserveanlagen ist eine kurzzyklische Ausregelung der Prognoseabweichungen möglich.

Über ein Aktor-Sensor-Netzwerk können aktuelle Messdaten in Echtzeit empfangen und Fahrplanvorgaben an die angeschlossenen Verbraucher und Erzeuger übertragen werden. Die IZES gGmbH setzt zur Übertragung der Mess- und Steuersignale auf eine eigens entwickelte Kommunikationsbox, die INES-Box (IZES node for external systems). Die Kommunikation erfolgt über GRPS und stellt nur eine Möglichkeit für die Einbindung dezentraler Systeme dar. Bei der Entwicklung wurde großer Wert darauf gelegt, dass die INES-Box durch eine einfache Konfiguration unabhängig von der bestehenden Anlagentechnik universell eingesetzt werden kann, was im Praxiseinsatz bereits bewiesen wurde.

Die Lastprognose basiert auf der Analyse historischer Daten. Grundlage bilden hierbei Messwerte einzelner Verbraucher oder ganzer Verbrauchergruppen. Durch die Überwachung der Anlagen wird die Einhaltung des Fahrplans in Echtzeit kontrolliert, sodass bei einer definierten Abweichung eine Neuberechnung des Einsatzplanes ausgelöst wird. Dadurch kann trotz kurzfristig veränderter Rahmen bedingungen, z. B. dem Ausfall einer Kraftwerkskomponente oder die Zuschaltung einer Last, reagiert werden, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. DEMS kann somit nicht nur zur Einsatzplanung (day-ahead), sondern auch zur Fahr plananpassung (intraday) eingesetzt werden. Die Prognosegüte ist vom Prognose verfahren, der Qualität der Daten und dem Prognosehorizont abhängig. Neben dem Projektziel einer 100%-Eigenversorgung sind der optimale Strombezug, die Minimierung von Ausgleichsenergiekosten und die bevorzugte Nutzung regionaler Ressourcen eine wichtige Randbedingung bei der Berechnung der Einsatzfahrpläne.


Untersuchungsgegenstand

Speicher können in einem dezentralen Energiemanagementsystem prinzipiell in zwei unterschiedlichen Funktionen eingesetzt werden. Zum einen als Kurzzeitspeicher im Minutenbereich zur Bereitstellung von positiver und negativer Reserveenergie (Primär- bis Minutenreserve) im Falle, dass Fahrplanabweichungen auftreten. Als zweite Möglichkeit besteht der Einsatz als Langzeitspeicher mit Anforderungen im Stunden- und Tagesbereich zur Optimierung des Strombezugs. Die Einsatzplanung von saisonalen Speichern fällt dagegen nicht in den Aufgabenbereich eines dezentralen Energiemanagement systems, da aufgrund der zunehmenden Abnahme der Prognosegüte eine Einsatzplanung über sieben Tage hinaus nicht sinnvoll ist. Das größere Potenzial zur Reduzierung der CO2-Emissionen durch den Speichereinsatz ist im Bereich der Fahrplanoptimierung zu sehen, daher konzentriert sich dieser Beitrag auf den Einsatz von Speichern als Langzeitspeicher im Tagesbereich. Es stellt sich dabei die Frage, inwiefern Speicher in einem dezentralen Energiemanage -mentsystem einen Beitrag zur Minderung der regionalen CO2-Emissionen leisten können.


Untersuchung und Analyse

In der Verbandsgemeinde Weilerbach leben etwa 14.000 Einwohner auf einer Fläche von 72 km². Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 194 Einwohnern pro km² und liegt laut der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder in Deutschland etwas unterhalb des bundesweiten Durchschnitts von 230 Einwohnern pro km². Der Anteil der Erneuerbaren Energien beträgt im Jahr 2020 in Weilerbach aufgrund der intensiven Förderung der Erneuerbaren und der großen Bemühungen um Energieeinsparungen in der Gemeinde etwa 72% des Strom- und 66% Wärmebedarfs. Diese Annahmen sind im Vergleich zu den Vorgaben des nationalen Aktionsplans der Bundesrepublik Deutschland als ambitioniert zu betrachten. Bei einem jährlichen Strombedarf von etwa 44 GWh und einem Wärmebedarf von 55 GWh ergibt dies einen Pro-Kopf-Ausstoß von 2,2 t CO2 pro Jahr für Strom und Wärme.

Stromseitig können unter den getroffenen Annahmen annähernd 60% des Energiebedarfs alleine durch Wind- und Solarenergie aufgebracht werden. Durch den hohen Anteil fluktuierender Stromeinspeiser besteht ein hoher Bedarf zur Verlagerung von überschüssigen Strommengen. Durch die Analyse der jeweils 35.000 viertelstündlichen Einspeiseleistungen der Wind- und Photovoltaikanlagen eines Jahres konnte gezeigt werden, dass überschüssiger Strom aus Photovoltaikanlagen zur Speicherung und Verlagerung innerhalb weniger Tage über das ganze Jahr grundsätzlich möglich ist. Bei der Analyse der Windstromeinspeisung fiel auf, dass zur Verlagerung von Überschüssen der Windstrom über mehrere Tage bis Wochen gespeichert werden müsste, um Schwachwindzeiten ausgleichen zu können. Eine Optimierung durch Speichermanagement im Tagesbereich wie beschrieben erscheint daher für Windstrom unrealistisch. Stattdessen müssten saisonale Speicher zur Verlagerung von Windstromüberschüssen eingesetzt werden.

Wärmeseitig wird der größte Teil des Energiebedarfs durch Holz und Biomasse bereitgestellt. Der Anteil solarthermischer Anlagen wird in 2020 weiterhin unterhalb der 5%-Marke bleiben und daher nur geringe Einflüsse auf die Wärmeversorgung haben. Über das Jahr gesehen entstehen daher kaum Wärmeüberschüsse. Speziell in den Wintermonaten, wenn der Wärmebedarf besonders hoch ist, reichen die Wärmeerzeugungskapazitäten nicht aus, um den Bedarf zu decken, sodass unter den vorausgesetzten Annahmen für 2020 das Potenzial zur Speicherung und Verlagerung überschüssiger Wärme nur sehr gering ist und daher die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas und Öl bestehen bleibt. Im Winterhalbjahr kann permanent zu wenig Wärme durch Erneuerbare Energien bereitgestellt werden, sodass hier der Einsatz von zusätzlichen Wärmespeichern voraussichtlich keine Verringerung der CO2-Emissionen bewirkt.


Ergebnisse

Um die Aussagen der Analyse zu verifizieren, wurde in unterschiedlichen Szenarien die Einbindung von Strom- und Wärmespeichern simuliert. Stromseitig konnte gezeigt werden, dass bereits durch den Einsatz eines Batteriespeichers mit einer Speicherkapazität von 10 MWh eine Eigenversorgung von über 80% erzielt werden konnte. Mit einer zehnmal so großen Batterie konnte die Eigenversorgung aus Erneuerbaren Energien um weitere 10% auf insgesamt 90% erhöht werden. Dabei wurden vor allem solare Stromüberschüsse innerhalb des Tages verlagert und zur Deckung des Strombedarfs verwendet. Überschüsse aus Windkraftanlagen konnten nur partiell verlagert werden, sodass alternativ ein saisonaler Speicher eingesetzt werden müsste, um längere Schwachwindphasen in der Region zu überbrücken. Insgesamt konnte der jährliche CO2-Ausstoß pro Kopf durch den Einsatz von langfristigen Stromspeichern um 900 kg pro Einwohner gesenkt werden. Wärmeseitig traten in der Simulation - wie vermutet ur geringe Effekte auf. Insgesamt konnte eine Einsparung von weniger als 10 kg CO2 pro Einwohner durch Speichermanagement erreicht werden. Unter den derzeitigen Annahmen zum Ausbau der Wärmeerzeugung in der Gemeinde Weilerbach ist Speichermanagement durch ein dezentrales Energiemanagement daher nicht sinnvoll. Insgesamt kann der jährliche CO2-Austoß pro Kopf vorwiegend durch den Einsatz von Batteriespeichern auf 1,3 t CO2 gesenkt werden.


Ausblick

Im Projektverlauf werden die Nutzen und Kosten verschiedener Energiemanagement-Szenarien unter Einsatz von Speichern untersucht. Hierbei sind im Sinne der regionalen Wertschöpfung verschiedene Alternativszenarien abzuwägen. Z.B. kann überschüssige Energie abgeführt, gespeichert oder in anderen Energieformen, wie thermischer Energie, genutzt werden. Der Aspekt der Kurzfristspeicherung insbesondere im Rahmen der Bereitstellung von Reserveenergie zum Ausgleich von Prognoseabweichungen oder die Möglichkeit zur Abdämpfung von kurzfristigen Schwankungen in der PV und Windkraft-Erzeugung werden ebenso in der Szenarienanalyse berücksichtigt.

Als ein weiteres Ausbauszenario wird die Möglichkeit des Einsatzes eines saisonalen Speichers angedacht, der jegliche Übereinspeisung komplett aufnehmen kann. Hierzu sind der Einsatz chemischer Speicher (z.B. Wasserstoff) oder die industrielle Nutzung zur Bereitstellung von Prozesswärme denkbar. Als Datengrundlagen für die Kostenabschätzungen für 2020 wird auf verschiedene Studien wie z.B. die DENA Netstudie, das BMU Leitszenario 2009 und verschiedenste wissenschaftliche Publikationen zurückgegriffen. Die Auswirkungen der regionalen Ansätze und die Ergebnisse werden auf europäischer Ebene durch die beispielhafte Vernetzung der Kerngemeinden in Österreich und Luxemburg dargestellt und Synergieeffekte untersucht. Nicht in Betrachtung fallen Ansätze zur regionalen Optimierung des Netzbetriebes, sowie Netzrestriktionen und Auswirkungen auf die Netzleittechnik. Eine frequenzstützende Funktionalität wird aus der Tatsache des lastgeführten Energiemanagements (Erzeuger, DSM, Speicher) sowie der von Reservekapazitäten abgeleitet.

Prof. Dipl.-Ing. Frank Baur ist am Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES gGmbH) Saarbrücken als Leiter des Arbeitsfeldes Biomasse/Stoffstrommanagement tätig. Daneben ist er Mitglied der wissenschaftlichen Leitung des Instituts und Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes. Kontakt: baur[at]izes.de

Dipl.-Ing. (TU) Michael Porzig ist seit 2008
wissenschaftlicher Mitarbeiter der IZES gGmbH. Kontakt:
porzig[at]izes.de

Dipl.-Ing. (FH) Florian Noll ist seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter der IZES gGmbH im Bereich dezentrales Energiemanagement tätig. Kontakt: noll[at]izes.de


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Quelle:
Solarzeitalter 4/2010, 22. Jahrgang
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2011