Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

ENERGIE/199: Bericht von der Konferenz "Stadtwerke mit Erneuerbaren Energien 2010" (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 2/2010
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Kommunal bleiben und besser werden

4. EUROSOLAR-Stadtwerkekonferenz zeigte Handlungsmöglichkeiten und Lösungswege für eine lokale und nachhaltige Energieversorgung

Von Antje Spindler und Helmut Lolhöffel


Kommunale und regionale Stadtwerke können und werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Träger der auf Erneuerbare Energien umgestellten Strom- und Wärmeversorgung sein. Diesen realistischen Ausblick lieferte die 4. EUROSOLAR-Konferenz "Stadtwerke mit Erneuerbaren Energien", die - gemeinsam mit den Stadtwerken München (SWM) - am 26. und 27. Mai im Alten Rathaus in München stattfand.

Die Tagung, an der rund 250 Fachleute aus Stadtwerken, Kommunen, Verbänden, Unternehmen, Genossenschaften und Bürgerzusammenschlüssen teilnahmen, bot zahlreiche Vorträge sowie Gelegenheiten zur Diskussion und zum Informationsaustausch. Einig waren sich alle über die vom Vorsitzenden der deutschen EUROSOLAR-Sektion, Dr. Axel Berg, schon zu Beginn formulierte Erkenntnis: "Die Klimaschutzziele sind ohne Engagement der Regionen und Kommunen nicht erreichbar."

In seinem fulminanten Grußwort stärkte der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, der den Umbau der Stadtwerke München (SWM) politisch vorangetrieben hat, den kommunalen Stadtwerken den Rücken: "Wir brauchen in der Energieversorgung kleinteilige, stabile und verantwortlich handelnde Einheiten." Er sehe keine andere Konstellation als Stadtwerke in verschiedenen Kooperationsformen, die sich mit den vier Energiegiganten messen könnten. Das Motto heiße: "Kommunal bleiben und besser werden." Dr. Florian Bieberbach von den Münchner Stadtwerken erläuterte das Vorhaben der SWM, bis 2015 alle Münchner Privathaushalte mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen und bis 2025 so viel Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz einzuspeisen, wie in München insgesamt von Privathaushalten und Gewerbebetrieben verbraucht wird. Bieberbach forderte, Bremsen für kommunale Unternehmen zu beseitigen und sagte: "Die Energiewende ist machbar und möglich, wenn man die Kommunen nur machen lässt."

Der Leiter des Beteiligungsmanagements der SWM, Christian Vogt, erläuterte daraufhin die Beteiligungen des Unternehmens, die von Sonnenkraftwerken in Schwaben bis zu Solarthermieanlagen in Spanien über Wasserkraftanlagen in Bayern und Erdwärme in München sowie von Windparks im Havelland bis zu Offshore-Anlagen in der Nordsee reichen. "Kleine Projekte sind große Projekte mit reduziertem Ergebnis", sagte Vogt und beschrieb die Strategie der Stadtwerke, an keinen von Banken gesteuerten Bieterverfahren teilzunehmen, sondern über alle Transaktionen direkt mit den Partnern zu verhandeln.

Eindrucksvoll stellte EUROSOLAR-Vizepräsident Preben Maegaard seine beispielhafte Pionierarbeit im Nordic Folkecenter for Renewable Energies vor, deren Direktor er ist.

EUROSOLAR-Präsident Dr. Hermann Scheer sagte in seiner Rede, es sei "absurd", dass München seine Ziele nicht aus regionalen Quellen erfüllen könne, weil der Freistaat Bayern wie auch Baden-Württemberg und Hessen systematisch die Ansiedlung von Anlagen Erneuerbarer Energien behindern. "Wir müssen Handlungsdruck auf die Länder erzeugen. Neben dem Vorrang auf dem Strommarkt müssen die Erneuerbaren Energien auch Vorrang in der Raumordnung und Bauleitplanung bekommen."

Auch wenn Politiker noch für bessere Rahmenbedingungen zum Ausbau Erneuerbarer Energien kämpfen müssen, gibt es doch einige aktive Stadtwerke, die mit ihren innovativen Konzepten und Maßnahmen bereits einen deutlichen Schritt in Richtung Energiewende getan haben. Den Weg vom Virtuellen Kraftwerk zum vernetzten Energiesystem der Stadtwerke Unna erläuterte der Geschäftsführer Prof. Dr. Christian Jänig (siehe Artikel Seite 53 ff.). Johannes van Bergen, der die Stadtwerke Schwäbisch Hall leitet, beschrieb, wie man Kunden an einer regenerativen Energieerzeugung sinnvoll und akzeptanzstärkend beteiligen kann. In Aachen verstehen sich die Stadtwerke zudem als Treiber einer nachhaltigen (Elektro-) Mobilität, die die Lebensqualität der Bürger steigern kann, wie Andreas Pfeiffer darstellte (siehe Artikel Seite 59 ff.).

Jede gute Projektidee muss jedoch finanziert und deren Umsetzung organisiert werden. Daher referierte Mario Hattemer von der KfW Bankengruppe über Möglichkeiten der Förderung und Finanzierung. Zudem wurde die Gesellschaftsform der Energiegenossenschaft zunächst theoretisch durch Prof. Dr. Wolfgang George vom Genossenschaftsverband GenoPortal vorgestellt und später von praktischer Seite anhand der Energiegenossenschaft Bodensee eG von Heinz-Leo Geurtsen, Geschäftsführer des Regionalwerks Bodensee in Tettnang, beleuchtet.

Michael Wübbels, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen e.V (VKU), betonte, dass die Energiewirtschaft der Zukunft dezentraler und mittelständischer sein sollte und auch sein wird. Eine Vielzahl von im Wettbewerb stehenden Marktakteuren seien die Schlüsselbedingung für eine nachhaltige Entwicklung der Energiewirtschaft. Auf die sich abzeichnenden weitreichenden Veränderungen, vor allem in der Erzeugungs- und Netzinfrastruktur, seien die Stadtwerke gut vorbereitet. Lokale Ressourcen könnten durch dezentrale Erzeugungsanlagen der Stadtwerke gezielt und effizient genutzt und an den Energieverbrauch angepasst werden, so Wübbels.

Der zweite Konferenztag stand im Zeichen Mut-machender praktischer Beispiele zur Rekommunalisierung der Energieversorgung. Plastisch stellte der Bürgermeister der münsterländischen Stadt Olfen, Jörg Himmelmann, dar, wie sich eine Kommune mit acht umliegenden Ortschaften aus der "Kundenfesselung" von RWE lösen, ein eigenes Stadtwerk gründen und sich auf Erneuerbare Energien stützen will. "Der große Konzern denkt über diese Dinge in keiner Weise nach", sagte Himmelmann und zitierte einen RWE-Vertreter mit den Worten: "Der Netzbetrieb ist so kompliziert, da verdienen Sie nichts dran. Das können Sie gar nicht, das machen wir für Sie." Doch 2011 wollen die "Gemeinsamen Stadtwerke im Münsterland" in Betrieb gehen. "Dann sind wir nicht mehr die Belieferten, sondern wir werden Lieferanten", sagte Himmelmann, "und das tut dem Konzern unendlich weh." Doch der Weg dorthin war und ist sehr mühsam und er bedarf Rebellen wie dem Olfener Bürgermeister. So musste er sich auch gefallen lassen, dass seine Aktivitäten prompt in der Presse mit Schlagzeilen wie "Zwergenaufstand in der Energieversorgung" und "Netzrebellen im Münsterland" tituliert wurden. In der Region selbst hieß es dagegen "Meilenstein in Richtung Autonomie". Bisher wurde die Region von außen als "unbedeutender Spielball der Konzerne" gesehen, dies wird sich aber ändern, wenn sich die Innenansicht der Gemeinden bewahrheitet, dass man gemeinsam stark ist.

Ähnlich wie Bürgermeister Himmelmann schilderten andere lokale Akteure ihre Initiativen. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Planegg, Annemarie Detsch, berichtete, dass die Initiative Würmtal bei München kurz vor der Gründung eines Regionalwerks steht und die kommunalen Netze zurückkaufen möchte. Die Energielandschaft Morbach mit ihren vielfältigen regenerativen Erzeugungs- und Produktionsanlagen hat bereits weltweiten Ruf. Über 21.000 Besucher aus 70 Ländern hat sie bisher angelockt. Jährlich wird in der Energielandschaft knapp dreimal soviel Strom produziert, wie die Haushalte des Ortes verbrauchen (siehe Artikel Seite 67 ff.). Das österreichische Burgenland hat sich zum Ziel gesetzt bis 2013 den benötigten Strom vor Ort mit Erneuerbaren Energien zur Verfügung zu stellen und ist bereits bei 60% angelangt. Vollständig "energieautonom" möchten sie bis 2020 sein. Im Jahr 2000 war der Landkreis Fürstenfeldbruck bundesweit Vorreiter und Vorbild für viele Regionen mit seinem Ziel die Energieversorgung innerhalb der nächsten 30 Jahre zu 100% auf regenerative Quellen umzustellen. Birgit Baindl, Vorsitzende des Vereins ZIEL 21 aus Fürstenfeldbruck, fasst mit ihrer 10jährigen Projekterfahrung griffig zusammen, was auch andere in ihren Referaten darstellten: "Stadtwerke sind flexibler als die Konzerne und tragen zur regionalen Wertschöpfung bei."

An den Praxisbeispielen wurde immer wieder deutlich, dass sich Erneuerbare Energien nur im größeren Maßstab etablieren, wenn die Bürger vor Ort frühzeitig mit einbezogen werden und auf eine akzeptanzfördernde Anlagengestaltung wert gelegt wird. Wissenschaftlich erläutert und begründet wurde dieser Aspekt von Dr. Gundula Hübner vom Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie machte darauf aufmerksam, dass die Erneuerbaren Energien mehrheitlich (78%) gewünscht sind und ausgebaut werden sollen, dass allerdings die Akzeptanz in der Nachbarschaft von Anlagen merklich geringer ausfällt (74% Solarpark, 56% Windpark, 40% Biomasseanlage), jedoch deutlich größer ist als bei fossilen und atomaren Anlagen (6% Kohlekraftwerk, 5% Atomkraftwerk). Zudem seien kleine dezentrale EE-Anlagen wesentlich beliebter, als große, die oftmals Konflikte hervorrufen.

"Konflikte" waren auch Thema des Vortrags von Matthias Albrecht, Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Becker, Büttner, Held. Allerdings ging es hier um Schwierigkeiten bei der Neuvergabe von Konzessionsverträgen und der Netzübernahme bei der Gründung neuer Stadtwerke. Auch bei der Genehmigung von Anlagenstandorten gibt es immer wieder Hemmnisse, die oft in einer restriktiven Politik einzelner Bundesländer begründet liegen. Welche rechtlichen Möglichkeiten die kommunale und regionale Politik dennoch hat, um den Ausbau Erneuerbarer Energien zu fördern, stellte Rechtsanwalt Dr. Fabio Longo von der Sozietät Kleymann, Karpenstein & Partner vor.

Oliver Krischer, Experte für Klima- und Energiepolitik und Mitglied im Bundestag, warnte die Stadtwerke, auf die scheinbar lukrativen Angebote der großen Energiekonzerne einzugehen, die ihrerseits die zunehmende Eigenständigkeit der Stadtwerke kritisch verfolgen. Mit dem Projekt GreenGECCO von RWE sollen sich Stadtwerke an Großanlagen Erneuerbarer Energien beteiligen, was RWE vor allem zu einer finanziellen Risikostreuung verhilft. "Stadtwerke sollten ihre Kernkompetenz der regionalen Verankerungen durch den Ausbau der dezentralen und klimafreundlichen Eigenerzeugung stärken, statt mit GreenGECCO letztlich die Marktmacht von RWE zu zementieren", so Krischer.

Zum Abschluss der Konferenz sagte EUROSOLAR-Vizepräsident Hans-Josef Fell: "Unser Kongress hat Mut gemacht und Lösungen aufgezeigt, wie die Umstellung auf Erneuerbare Energien verwirklicht und beschleunigt werden kann." EUROSOLAR-Geschäftsführerin Irm Pontenagel dankte allen an der Konferenz Beteiligten, besonders den gastgebenden Kooperationspartnern, den Stadtwerken München. Den in allen Beiträgen hörbaren roten Faden fasste sie mit den Worten zusammen: "Die Bürger sind aufgewacht. Sie werden selbst aktiv für die Energiewende und haben Vertrauen in ihre Stadtwerke, wenn diese den Ausbau einer verbrauchernahen und umweltfreundlichen Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien ernsthaft verfolgen."

Alle Vorträge und Präsentationen der 4. EUROSOLAR-Konferenz "Stadtwerke mit Erneuerbaren Energien" sind auf einer CD-Rom veröffentlicht, die unter www.eurosolar.de bestellt werden kann.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Konferenzsaal im Alten Rathaus, München
- Dr. Axel Berg, Vorsitzender EUROSOLAR-Sektion Deutschland
- Christian Ude, Oberbürgermeister der Stadt München
- Dr. Florian Bieberbach, kaufm. Geschäftsführer, Stadtwerke München (SWM)
- Dr. Hermann Scheer, MdB, Präsident EUROSOLAR


*


Quelle:
Solarzeitalter 2/2010, 22. Jahrgang, S. 49-52
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11, 53113 Bonn
Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75, Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 20,- Euro zuzüglich Porto.
Für Mitglieder von EUROSOLAR im Beitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2010