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ENERGIE/168: Vom Bioenergiedorf zur autonomen Solarenergie-Region (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 4/2008
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Vom Bioenergiedorf zur autonomen Solarenergie-Region

Von Konrad Scheffer


Mit dem Bioenergiedorf "Jühnde" ist uns der Nachweis gelungen, dass der Wärme- und Strombedarf einer Gemeinde ausschließlich aus Biomasse bereitgestellt werden kann. Dabei wird allerdings der aus Biogas gewonnene Strom in das Netz eingespeist und nach Bedarf wieder entnommen. Die entnommene Strommenge übersteigt dabei zwar nicht die Gesamtmenge an produziertem Strom, sichert allerdings nicht unbedingt den Bedarf in Spitzenlastzeiten. Eine zusätzliche Versorgung mit Kraftstoffen in Form von Ethanol und Biodiesel aus Biomasse ist nicht möglich, weil die landwirtschaftlichen Nutzflächen, wie später erläutert wird, bei weitem nicht ausreichen. Eine völlig autonome Energieversorgung einer ländlichen Region ist jedoch durch optimale Kombination regional vorhandener Energiequellen möglich.


BERECHNUNGSBASIS

Den im Folgenden angegebenen jährlichen Verbrauchsdaten liegt eine ländliche Modellregion mit 10.000 Einwohnern, Landwirtschaft und Gewerbe, allerdings ohne Großindustrie zu Grunde. Für die Region wird ein Stromverbrauch von 25.000 MWh angenommen. Dies entspricht dem Doppelten des Verbrauchs privater Haushalte, allerdings auf Grund der nicht berücksichtigten Großindustrie nur ca. 40% des Gesamtstromverbrauchs pro Einwohner Deutschlands. An Heizenergie werden 100.000 MWh (1.000 l Heizöl pro Einwohner) benötigt. Da in der Modellregion ein Überschuss an Brennstoffen von 40% erzeugt wird, entspricht die Wärmeproduktion fast dem Verbrauch eines Einwohners Deutschlands. Für den Kraftzeugverkehr werden 6,3 Mio. l (6.000 Kfz und 300 Traktoren und Lkw mit durchschnittlich 1.000 l Benzin- bzw. Dieselverbrauch) kalkuliert. Der Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr bleibt unberücksichtigt. Der tatsächliche Verbrauch würde sonst um 20% höher liegen. Die Kraftfahrzeuge (Kfz) werden in Zukunft mit 19.000 MWh Strom und 800.000 l Benzin oder Dieselöl betrieben. Auf der Basis gegenwärtiger Kosten von 0,20 Euro/kWh für Strom, 0,80 Euro/l für Heizöl und 1,40 Euro/l Benzin oder Dieselöl errechnen sich für die Modellregion jährlichen Ausgaben für herkömmliche Energie von 21,82 Mio. Euro. Diese Summe steht für Steuern, Kapitaldienst und Betrieb der neuen Anlagen zur Verfügung.

Das im Folgenden vorgestellte Konzept ist geeignet, zumindest alle ländlichen Regionen und somit die Hälfte der deutschen Bevölkerung auf der Basis von Biomasse, Solarthermie, Photovoltaik und Wind mit konkurrenzfähiger Energie zu versorgen. Mit um Geothermie, Wasserkraft aus Flüssen und Meeren erweiterten Kombinationen sowie Einsparungen im Energieverbrauch könnte völlige Autarkie in unserem Land wie auch in ganz Europa erreicht werden. Wichtigste Voraussetzungen sind sowohl die Nutzung von Biomasse als Speicherenergie für eine gesicherte Brennstoff- und Stromversorgung, als auch der weitgehende Ersatz flüssiger Kraftstoffe durch Strom im Verkehrsbereich.


ENERGIE FÜR 10.000 MENSCHEN

Biomasse

Die unverzichtbare Rolle der Biomasse als Energiequelle beruht einerseits auf ihrem großen Potenzial, andererseits auf ihrer Speicherfähigkeit in Form von Brennstoff und Biogas zur Sicherung aller Bedarfspitzen bei der Wärme- und Stromversorgung. Da die Biomasse auf Grund der Flächenkonkurrenz um Nahrungs- und Futterproduktion nur begrenzt verfügbar ist, muss ihre energetische Nutzung mit höchster Effizienz erfolgen. Bislang beträgt der Nettoenergieertrag, d.h. die Nutzenergie nach Abzug der Energie für Anbau, Ernte und Konversion bei den Kraftstoffen höchstens 20% (1.000 l Dieseläquivalent pro ha) und bei der herkömmlichen Biogasnutzung maximal 45%. Zur Erzeugung beider Energieformen werden hauptsächlich die in Konkurrenz zum Nahrungsmittelbedarf stehenden Ackerkulturen Getreide, Raps und Mais verwendet. Dabei steht Biomasse als Zweitkultur nach Gerste und Raps, als Stroh und Gülle, aus nicht genutzten Grünlandflächen, Ödländereien, Naturschutzflächen, Weg- und Gewässerrändern, kommunalen Grünschnitten und Biomüll in großen Mengen zur Verfügung. Allerdings müssen für ihre energetische Nutzung angepasste Verfahren angewandt werden.

Verfahren zur Steigerung der Energieausbeute aus Biomasse

Abb. 1: Verfahren zur Steigerung der Energieausbeute aus Biomasse

Steigerung der Nutzungseffizienz und Artenvielfalt

Ein neues Verfahren ist geeignet, die Nutzungseffizienz der Biomasse erheblich zu steigern und dabei alle Pflanzenarten (außer Holz) in beliebigen Mischungen und von allen Standorten zu verwerten. Die Biomasse wird, wie es bei Futterpflanzen üblich ist, in fein gehäckselter Form als Silage mit Wassergehalten von ca. 70% konserviert. Die so gespeicherte Biomasse wird kontinuierlich einer mechanischen Entwässerungsanlage zugeführt.

Es entstehen, wie in Abb. 1 dargestellt, eine flüssige und eine feste Fraktion. Mit dieser Trennungsmaßnahme wird aus der Pflanzenmasse der Großteil aller löslichen oder ausschwemmbaren organischen Stoffe wie Zucker, Stärke, Öl, Eiweiß, sowie Mineralstoffe wie Chlor, Natrium, Stickstoff, Phosphor in die flüssige Phase überführt. In einer Biogasanlage, bei der keine teuren und energieaufwändigen Rühr- und Befüllungstechniken mehr benötigt werden, werden die organischen Inhaltsstoffe in kürzester Zeit vergoren. Es bleibt nur noch Wasser und die als Dünger zu nutzende Mineralstoffe übrig. Diese höchst effiziente Biogasproduktion ist nur möglich, weil die nur sehr langsam oder nicht in Biogas umsetzbare Biomasse zuvor abgetrennt wird.

Artenvielfalt beim Anbau von Energiepflanzen

Abb. 2: Artenvielfalt beim Anbau von Energiepflanzen

Dieser weitgehend von Mineralstoffen befreite Feststoff wird zu Brennstoff in Form von Häckselgut, Briketts, vorzugsweise aber zu Pellets weiterverarbeitet. Zur Trocknung dient die Abwärme des Stromaggregats (BHKW). Auf Grund des niedrigen Mineralstoffgehaltes entspricht die Brennstoffqualität fast der von Holz. Die unbegrenzte Eignung aller Pflanzenarten in diesem System erklärt sich daraus, dass es für die finanzielle Kalkulation keine Rolle spielt, ob mehr Biogas oder Brennstoff erzeugt wird. Artenvielfalt in beliebigen Mischkulturen, volle Wärmenutzung, Standortunabhängigkeit, vereinfachte Biogastechnik, qualitativ hochwertiger Brennstoff und besonders die Steigerung der Biomasse-Nutzungseffizienz auf ca. 70% sind die wesentlichen Vorzüge des neuen Konzeptes.


LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZFLÄCHE: 4.000 ha Ackerland (davon 15%)

ENERGETISCHE NUTZUNG: 600 ha x 20 t/ha              = 12.000 t TM
1.000 bis 1500 ha Zweitkultur             
2.000 ha Grünland (davon 30%) 
200 ha Naturschutzflächen   
         Weg- u. Gewässerränder


nach Gerste und Raps          =  7.000 t TM 600 ha x 8 t/ha               =  4.800 t TM
200 ha x 4 t/ha               =    800 t TM

Stroh von 1.000 ha            =  5.000 t TM
ABFALL:


Grünschnitt                   =  2.000 t TM
Gülle                         =  1.400 t TM
Biotonne                      =    600 t TM
WALD:
Schwachholz von 2.500 ha
2.500 ha x 2 t/ha             =  5.000 t TM

Tab. 1: Verfügbare Flächen für energetische Biomassenutzung für 10.000 Einwohner (TM = Trockenmasse).


Verfügbarkeit von Biomasse für 10.000 Einwohner

Die den Einwohnern der ländlichen Modellregion zugeordnete Fläche ist auf die Hälfte der Gesamtbevölkerung übertragbar. Für den Energiepflanzenanbau werden 15% der Ackerfläche und 30% der Grünlandfläche beansprucht (Tab.1). Die Ackerflächen können nach dem System der Zweikulturnutzung mit beliebigen Mischkulturen unter weitgehender Vermeidung des Einsatzes von Pestiziden bebaut werden (s. Abb. 2). Schätzungen besagen, dass in unserem Land zukünftig ca. 30% der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht mehr für die Nahrungs- und Futterproduktion benötigt wird. Somit wäre noch weiteres nutzbares Biomassepotential vorhanden. Die Biomassen von Ackerland, Grünland und den übrigen Flächen einschließlich Grünschnitt werden nach dem beschriebenen Verfahren in Brennstoff und Biogassubstrat getrennt. 65% der Biomasse wird Brennstoff, 35% wird Biogassubstrat. Gülle und Abfall aus der Biotonne werden in einer herkömmlichen Biogasanlage verwertet.


Wärmebereitstellung

Der Jahresbedarf an Wärme beträgt 100.000 MWh. Dies entspricht einer Heizölmenge von 10 Mio. l. Aus 65% der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Biomasse und Grünschnitt werden Pellets hergestellt. Das Holz steht als Hackschnitzel zur Verfügung. Mit Solarthermie wird der Wärmebedarf im Sommer gedeckt, so dass Heizanlagen in dieser Zeit außer Betrieb bleiben.

19.240 t Pellets-TM    
5.000 t Hackschnitzel-TM
Solarthermie

entspr.


Summe:
90.430 MWh
23.500 MWh
30.000 MWh
143.930 MWh

Um auch in besonders kalten Jahren genügend Wärme bereitstellen zu können, wird ein Überschuss an Brennstoff von ca. 40% vorgehalten, d.h. in Normaljahren können ca. 10.000 t Brennstoff für ca. 2 Mio. Euro verkauft werden.


Stromversorgung

Die Stromproduktion erfolgt aus Biogas, Wind und Sonne. Die aus diesen Quellen erzeugten Jahresmengen betragen:

Biogas-BHKW (Leistung 2,5 MW):
Wind (Leistung 6 X 2 MW):
Photovoltaik (Leistung 2.5 MW):
20.600 MWh
27.000 MWh
3.000 MWh

Die Zahlen für Windkraft und Photovoltaik (PV) entsprechen einem langjährigen Durchschnitt. Die Strommengen aus der Biogasanlage resultieren aus dem nach dem neuen Verfahren gewinnbarem Biogas.

Tagesgang des Stromverbrauchs

Abb. 3: Tagesgang des Stromverbrauchs

Die jährliche Stromproduktion übersteigt den angegebenen Bedarf von 25.000 MWh um das Doppelte. Dies ist nötig, um in Phasen geringer Wind- und/oder geringer PV-Stromproduktion den in Abb. 3 dargestellten Tagesgang des (deutschen) Strombedarfs vollständig abdecken zu können. Eine Reduktion des Spitzenverbrauchs durch ein intelligentes Stromlastmanagement ist nicht berücksichtigt worden. Tageszeit bzw. Windstärke und Sonnenschein bedingter Überschuss kann nach geltender gesetzlicher Regelung in das Stromnetz eingespeist werden. Diese lukrative Überschussverwertung stellt nur eine Option in der Übergangsphase zur elektrischen Mobilität dar. Für eine zu allen Jahres- und Tageszeiten gesicherte Stromversorgung spielt die Möglichkeit der Speicherung von Biogas die entscheidende Rolle. Anhand der folgenden Abbildungen wird nachgewiesen, dass zu jeder Zeit jede Bedarfsspitze an Strom gedeckt werden kann.

Stromversorgung bei mittlerer Windstärke und mittlerer Sonneneinstrahlung und die sich daraus ergebenen Überschüsse

Abb. 4: Stromversorgung bei mittlerer Windstärke und mittlerer Sonneneinstrahlung und die sich daraus ergebenen Überschüsse

Abb. 4 beschreibt den Durchschnittstag, an dem entsprechend der Durchschnittsleistung der Windund PV-Anlagen Strom zur Verfügung steht. Es entsteht zu verschiedenen Tageszeiten ein Überschuss an Strom aus diesen Quellen. Zusätzlicher Biogasstrom wird nur in zwei Spitzenlastzeiten benötigt. In der übrigen Zeit ist das Stromaggregat (BHKW) abgeschaltet und das permanent weiter produzierte Biogas, aus dem 46.500 kWh Strom gewonnen werden könnte, wird gespeichert.

Stromversorgung ausschließlich aus Biogas bei Windstille und dichter Bewölkung

Abb. 5: Stromversorgung ausschließlich aus Biogas bei Windstille und dichter Bewölkung

Abb. 5 verdeutlicht die Stromversorgung im Falle völliger Windstille und dichter Bewölkung. Die Stromversorgung erfolgt ausschließlich über Biogasstrom. Aus dem permanent produzierten Biogas wird der Grundlaststrom erzeugt und ein zweites BHKW deckt den Bedarf an Spitzenstrom aus dem gespeicherten Biogas ab. Rechnerisch ergibt sich folgende Bilanz:

Tagesbedarf:
davon Strom aus Grundlast-BHKW:
zusätzl. Strom aus Speicher-Biogas:
68.500 kWh
56.600 kWh
11.900 kWh

Das an einem "Durchschnittstag" gespeicherte Biogas (entspr. 46.500 kWh Strom) reicht aus, um den Zusatzbedarf an Strom bei ausschließlicher Biogas-Stromversorgung an 4,9 Tagen zu decken. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Produktion von Wind- und PV-Strom länger als 4 Tage und 22 Stunden ausbleibt. Dennoch wird als weitere Absicherung das 2. BHKW mit einem Motor ausgestattet, der auch mit Pflanzenöl betrieben werden kann. Somit kann auch eine längere Phase überbrückt werden. Der tägliche Bedarf an Öl würde ca. 3.000 l betragen.

Eine fast ideale Versorgungssicherheit ergibt sich bei Windstille, aber intensiver Sonnenstrahlung, wie Abb. 6 zeigt. Nur zu zwei Tageszeiten muss das 2. BHKW eingeschaltet werden, um aus dem Biogasspeicher Spitzenstrom zur Verfügung zu stellen.

Schließlich wird aus Abb. 7 deutlich, dass der bei guten Windverhältnissen produzierte Strom den Tagesbedarf völlig abdeckt und noch Überschuss produziert wird. Wie im Folgenden ausgeführt, wird der gesamte Überschuss für den mobilen Bereich benötigt.


Energie für den Verkehr

Ethanol und Biodiesel

Für den Verkehrsbereich benötigt die Region bei konventionellem Motorbetrieb 6,3 Mio. l Diesel und Benzin. Eine Substitution durch Kraftstoffe aus Biomasse (Ethanol und Biodiesel) ist nicht möglich. Theoretisch ständen in der Modellregion noch 3.400 ha zur Verfügung. Diese Fläche könnte bei Zugrundelegung einer optimistischen Energiebilanz höchstens die Hälfte des Bedarfs decken, wobei dann Flächen für den Anbau von Nahrungsund Futterpflanzen nicht mehr verfügbar wären. Elektroantrieb Der Energiebedarf bei Elektroantrieb von Fahrzeugen beträgt ein Drittel vom Kraftstoffbedarf, d.h. 6,3 Mio. l Kraftstoff könnten durch 21.000 MWh Strom substituiert werden. Die Entwicklung von Elektroautos schreitet voran. Solange die Reichweite von Elektroautos begrenzt ist, oder ein Austausch der Batterie an Tankstellen noch nicht möglich ist, wird ein Großteil dieser Fahrzeuge mit einem zusätzlichen Verbrennungs-Hilfsmotor ausgestattet sein. Die hierfür benötigte Energie macht jedoch nur einen sehr kleinen Anteil aus, denn 90% aller täglich gefahrenen Strecken in Deutschland sind kürzer als 60 km. Hinzu kommt, dass bei angestrebten Ladezeiten von 4 Stunden die Batterie unterwegs wieder aus dem Netz aufgeladen werden könnte. Die folgende Kalkulation des Energiebedarfs für den Pkw-Bereich beruht auf 95% Strom und 5% Kraftstoff. Traktoren und Lkw werden mit Biokraftstoffen der "zweiten Generation" (BtL) angetrieben.

Strom:
Kraftstoff für PKW:
Traktoren und Lkw:
19.000 MWh               
300.000 Liter Biokraftstoff
500.000 Liter Biokraftstoff
Stromversorgung mit Biogas- und PV-Strom bei optimaler Sonneneinstrahlung und Windstille

Abb. 6: Stromversorgung mit Biogas- und PV-Strom bei optimaler Sonneneinstrahlung und Windstille

Die Stromproduktion in der Modellregion beträgt 50.600 MWh. Nach Abzug des Strombedarfs für Haushalte und Gewerbe von 25.000 MWh bleiben für den mobilen Bereich 25.600 MWh übrig. Für den Pkw-Betrieb werden 19.000 MWh benötigt, so dass der Überschuss von 6.600 MWh den Bedarf an Kraftstoffen zwar nicht energetisch doch monetär kompensiert. Der fehlende Kraftstoff kann erst dann ersetzt werden, wenn BtL auf dem Markt ist. Bei BtL (Biomass to Liquid) handelt es sich um ein neues Verflüssigungsverfahren, das in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zur Kohleverflüssigung entwickelt wurde. Mit diesem Verfahren steigt die Flächenproduktivität um den Faktor vier bis sechs. Jede Form von Biomasse wie Stroh und Holz kann verwertet werden.

Stromversorgung bei optimalen Windverhältnissen

Abb. 7: Stromversorgung bei optimalen Windverhältnissen

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Rentabilität

Zunächst stellt sich die Frage nach der Rentabilität. Hier kann nur eine Grobschätzung vorgenommen werden, bei der Einnahmen und Ausgaben gegenüber gestellt werden.

Als Gesamteinnahmen werden die bisherigen Kosten der fossilen Energieversorgung kalkuliert. Hinzu kommt der Erlös aus dem Brennstoffverkauf. Die Summe beträgt 23,82 Mio. Euro. Für den Kfz-Betrieb reduzieren sich die Einnahmen um die gegenüber Kraftstoffen niedrigeren Kosten für Strom, weil ein Elektroauto 2/3 weniger Energie benötigt. In der Modellregion wird der Kraftstoff von 6,3 Mio. l (= 8,82 Mio. Euro) durch eine Strommenge von 19.000 MWh (3,8 Mio. Euro) und 800.000 l Biokraftstoffe ersetzt. Gegenüber den Kraftstoffkosten verringern sich die Kosten für den Elektroantrieb um 3,9 Mio. Euro, was pro Pkw 650 Euro ausmacht. Mit dieser Ersparnis kann der Mehrpreis für ein Elektroauto finanziert werden. Die verbleibenden Einnahmen von fast 20 Mio. Euro stehen für die Finanzierung der auf 80 Mio. Euro geschätzten Investitionen einschließlich der Übernahme des Stromnetzes und der jährlichen Betriebskosten von 9 Mio. Euro zur Verfügung.

Energieautarkie für 50% der Bevölkerung?
Die für die Energieautarkie wichtigste Energiequelle ist die speicherfähige Biomasse in Form von Brennstoff und Biogas. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden der ländlichen Region und somit der Hälfte der Bevölkerung zugeordnet. Es werden 15% des Ackerlandes und 30% des Grünlandes beansprucht. Besonders unter Einbeziehung weiterer Energiequellen wie Wasserkraft und Geothermie ist die Übertragbarkeit des Modells auf die Hälfte der Bevölkerung leicht realisierbar.

Energieautarkie für 100% der Bevölkerung?
Die Übertragung der Modellregion auf das ganze Land erfordert eine Ausweitung der Biomassenutzung, eine Reduktion des Wärmebedarfs um 50% und die Erhöhung der Stromproduktion um mehr als 40%.


Biomasse

Der Biomasseanbau müsste auf 30% der Ackerflächen und 50% der Grünlandflächen ausgeweitet werden. Diese Ausweitung gefährdet die Nahrungs- und Futterproduktion nicht, wenn der pro Kopf-Fleischkonsum, der z.B. doppelt so hoch wie in Italien ist, um ein Drittel reduziert würde. Flächen werden zusätzlich durch züchtungsbedingte Ertragssteigerungen und durch Bevölkerungsrückgang frei. Agrarüberschüsse der Industriestaaten sollten zum Schutz der Landwirtschaft armer Länder zukünftig nicht mehr billig exportiert werden.

Umgekehrt darf Biomasseenergie aus diesen Ländern nicht mehr auf Kosten der einheimischen Nahrungsmittelversorgung exportiert werden, wie es in immer stärkerem Ausmaß in Form von Ethanol aus Südamerika und Biodiesel aus Ostasien und Afrika geschieht.


Wärme

Hohe Anteile an Solar- und Geothermie ermöglichen zusammen mit der Biomasse eine sichere Wärmeversorgung. Um Biomasse für die Kraftstoffproduktion zur Verfügung zu haben, muss und kann besonders beim Wärmebedarf gespart werden. Bei einer Reduktion um 30%, d.h. des Biomasseverbrauchs um 50% stehen ca. 60 Mio. t Trockenmasse für die Kraftstoffproduktion zur Verfügung.


Strom

100% Energieautarkie für das gesamte Land erfordert bei Strom auf Grund des überproportionalen Strombedarfs der Industrie besondere Anstrengungen. Der Stromverbrauch beträgt in Deutschland 530 Mio. MWh. Er erhöht sich durch den Elektroverkehr auf ca. 750 Mio. MWh. Der zusätzliche Bedarf an Strom beträgt noch ca. 350 Mio. MWh.

Dieser Strom kann nur überregional über offshore-Windparks, Wasser-, Gezeiten-, Wellen und Solarkraftwerke sowie auch Kohlekraftwerke mit clean-coal-Technologie, d.h. der Trennung und unterirdischen Ablagerung des Kohlendioxids erzeugt werden. Verbrauchsspitzen müssen durch Preisanreize abgeflacht werden. Neben den Biogasspeichern haben vorhandene Stromspeichersysteme wie Pumpspeicherkraftwerke weiterhin große Bedeutung.


Kraftstoff

Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs sowie des Schiffs- und Flugverkehrs ist nicht realisierbar. Der Bedarf für diesen Verkehrsbereich wird auf ca. 15 Mio. t Kraftstoff geschätzt. Dieser Bedarf kann über eine Ethanol- und Biodieselproduktion im eigenen Land nicht gedeckt werden. Es bestände ein Flächenbedar f bei optimistisch berechneten Energiebilanzen von ca. 15 Mio. ha, d.h. 3 Mio. ha mehr als an Ackerfläche vorhanden ist. Nach dem neuen Verfahren der Biomasseverflüssigung (BtL) reicht die bei der Wärmeversorgung einzusparende Menge von 60 Mio. Tonnen Biomasse aus, um bis zu 15 Mio. t Kraftstoff zu produzieren.


Prof. Dr. Konrad Scheffer (i. R.) war am Institut für Nutzpflanzenkunde der Universität Kassel/Witzenhausen tätig. Er ist Mitglied des Vorstands der EUROSOLAR-Sektion Deutschland.


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Quelle:
Solarzeitalter 4/2008, 20. Jahrgang, S. 23-30
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2009