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DEBATTE/037: Nachhaltigkeit und Konsequenzen - Akzente im Spektrum der Lebenserhaltungsfragen (1) (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 1/2012
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

Ökobilanzen
Lebenszyklusanalyse -
eine quantitative Methode zur Analyse der ökologischen Nachhaltigkeit menschlichen Handelns

von Marcel Weil



Die Ökobilanz ist eine anerkannte und standardisierte Methode zur Analyse und Bewertung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen hinsichtlich der verbunden Umweltwirkungen. Betrachtet wird der gesamte Lebensweg, von der Ressourcenentnahme, Produktion, Nutzung bis hin zur Entsorgung bzw. Recycling. Ökobilanzen liefern wissenschaftlich fundierte, transparente und nachvollziehbare Analyseergebnisse, die für verschiedene Entscheidungskontexte genutzt werden können. Der Beitrag ermöglicht einen Einblick in die methodische Vorgehensweise und erläutert an praktischen Beispielen den Erkenntnisgewinn aus Ökobilanzstudien.

Schlüsselworte: Ökobilanz, Lebenszyklusanalyse, Umweltbewertung


Problemhintergrund

Vorläufige Berechnungen des Global Footprint Network's zeigen, dass die Menschheit in 2011 zwischen 1,3 und 1,5 Mal mehr Ressourcen verbraucht hat, als die Erde nachhaltig bereitstellen kann (GLOBAL FOOTPRINT NETWORK 2011). In einer ökonomischen Betrachtungsweise bedeutet dies, das bereits nach ca. 9 Monaten im Jahr 2011 die Menschheit nicht mehr von den Zinsen, sondern von dem endlichen Kapital der Erde lebte. Ferner berichtet aktuell die UN-Meteorologiebehörde (World Meteorological Organization - WMO), dass die gemessene Konzentration an Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre im Jahr 2010 den höchsten Wert seit Beginn der Messkampagne erreicht hat (WMO 2011). Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist im Jahr 2010 der höchste Zuwachs an CO2-Molekülen in der Atmosphäre mit 2,3 ppm zu verzeichnen. Auch sind die Methan-Konzentrationen in der Atmosphäre weiter angestiegen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Klimaerwärmung, Klimastabilität und Extremwetterlagen.

Vor dem Hintergrund eines wachsenden Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und neuen, effizienteren technologischen Errungenschaften erscheinen diese Trends, trotz Bevölkerungswachstum(1), zunächst nicht verständlich.

Hauptverantwortlich für die starken Zuwächse beim Ressourcenverbrauch (siehe Abb. 1) und bei den CO2-Emissionen (neben anderen Umwelteffekten) sollen die bekannten Entwicklungen in den aufstrebenden Industrieländern China und Indien, aber auch das wieder gewonnene Wirtschaftswachstum in den westlichen Industrienationen sein.

Unzweifelhaft hat der Verbraucher durch sein Konsumverhalten einen großen Einfluss auf die umweltbezogenen Entwicklungen vor Ort, aber auch in anderen Ländern und Kontinenten. Beispielsweise wird schon heute ein Großteil der Unterhaltungselektronik wie Fernseher, tragbare Musikspieler, Digitalkameras oder Mobiltelefone, aber auch anderer Güter wie Spielzeug, Aluminium-Fahrradrahmen oder Batterien im asiatisch-pazifischen Raum hergestellt. Mit dem Kauf eines Produktes gehen Umweltbelastungen in dem Land der Produktion, aber auch beim Transport einher, gefolgt von Umweltwirkungen durch die Nutzung des Konsumgutes und dessen nachfolgender Entsorgung oder Recyclings.

Doch wie kann der Verbraucher sich möglichst ökologisch in seinen verschiedenen Lebensbereichen verhalten? Bei der Beantwortung dieser Frage können lebenswegbezogene ökologische Analysen oder Ökobilanzen (auch Lebenszyklusanalyse genannt, engl. Life Cycle Assessment - LCA) wichtige Erkenntnisse liefern und Hilfestellung leisten.


Was ist eine Ökobilanz?

Die Ökobilanz ist eine anerkannte Methode für eine umweltbezogene Analyse und Bewertung von Produkten, Technologien, Dienstleistungen sowie Prozessen. Dabei wird im Regelfall der gesamten Lebensweg von der Wiege bis zur Bahre (engl.: from cradle to grave) betrachtet. Ein besonderes Merkmal der Ökobilanz ist das Treffen von vergleichenden Aussagen, im Sinne von Produkt A ist besser als Produkt B. Ziel einer solchen Analyse ist es, einen transparenten, nachvollziehbaren und umweltmedienübergreifenden Vergleich von Optionen hinsichtlich der verbundenen ökologischen Wirkungen zu ermöglichen.

Die Durchführung einer Ökobilanzstudie ist durch die ISO Normen 14040 und 14044 (ISO 2006ab) geregelt. Dabei besteht die Ökobilanz traditionell aus vier Elementen (siehe auch Abb. 2):

1. Ziel- und Untersuchungsrahmen
Für die Festlegung einer Vergleichsbasis muss die funktionelle Einheit definiert werden, die den quantifizierten Nutzen eines Produktsystems darstellt. Mittels der gewählten Systemgrenzen wird beschrieben, welche Prozesse über den Lebensweg z.B. eines Produktes berücksichtigt werden. Aus den Beschreibungen muss auch hervorgehen, für welchen Zweck die Ökobilanzstudie durchgeführt wird, damit die Anforderungen an die Datentiefe, Abschneidekriterien und Datenqualität abgeleitet werden kann.

2. Sachbilanz
Innerhalb der Sachbilanz werden alle Inputs (Rohstoffe, Energie) und Outputs (Produkte, Emissionen in Luft, Boden und Wasser) eines betrachteten Produktes unter Berücksichtigung der gewählten Systemgrenzen erfasst und quantifiziert.

3. Wirkungsabschätzung
Durch eine nachfolgende Wirkungsabschätzung wird der Beitrag der Sachbilanzergebnisse zu potentiellen Umweltwirkungen ermittelt. Dies erfolgt in einem zweistufigen Verfahren (Abb. 3). Im ersten Schritt, der Klassifizierung, werden die Sachbilanzergebnisse den verschieden Wirkungskategorien (z.B. Treibhauseffekt, aquatische oder terrestrische Versauerung) zugeordnet. Im zweiten Schritt, der Charakterisierung, werden potentielle Umweltwirkungen (z.B. Treibhauspotential) eines Stoffflusses mittels festgelegter Charakterisierungsfaktoren in das jeweilige Stoffäquivalent umgerechnet und zusammengefasst. Die Charakterisierungsfaktoren ergeben sich aus naturwissenschaftlich basierten Modellen und werden im Fall des Global Warming Potentials (GWP, quantifiziert in kg CO2 Äquivalente) für die Beschreibung des Treibhauseffektes von Substanzen vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) festgelegt. Für die Berechnung der CO2-Äquivalenz Werte im Fall des GWP hat beispielsweise Methan die ca. 25 fache Wirkung von CO2, Schwefelhexafluorid sogar die 22.800 fache Wirkung (FORSTER et al. 2007).

In Ökobilanzstudien werden sehr oft die Wirkungskategorien Treibhauseffekt, Ressourcen- und Energieverbrauch, Versauerung (terrestrisch, aquatisch), Eutrophierung (terrestrisch, aquatisch), Humantoxikologie, Ökotoxikologie (terrestrisch, aquatisch), Stratosphärischer Ozonabbau, Photochemische Oxidation (Sommersmog) und Landnutzung adressiert.

4. Auswertung
Auf Basis der Ergebnisse der Sachbilanz und der Wirkungsabschätzung erfolgt die Auswertung und Interpretation. Hierbei wird zunächst auch geprüft, ob bei der gewählten Vorgehensweise Inkonsistenzen existieren. In einem iterativen Prozess kann somit die Qualität der Studie und die Belastbarkeit der Ergebnisse insgesamt erhöht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Schlussfolgerungen und Empfehlungen zusammengeführt. Einige Einschränkungen sind bei der Methode der Ökobilanz zu beachten:

  • Ökobilanzen ermöglichen keine absoluten Aussagen hinsichtlich eines Umwelteffektes, sondern nur relative Aussagen
  • Ökobilanzen sind generell zeitaufwendig, weshalb der Anwendungsbereich eingeschränkt ist. Aus diesem Grund kann es auch teilweise sinnvoll sein, sich in einer Studie nur auf einen Teil des Lebenszyklusses zu beschränken, z.B. Ressourcenentnahme und Herstellung
  • Innerhalb der Wirkungsabschätzung sind bislang die möglichen Effekte von Nanopartikeln insbesondere hinsichtlich human- und ökotoxikologischer Aspekte nicht integriert. Aufgrund des unzureichenden Wissensstandes zu den möglichen toxikologischen Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus müssen ggf. zusätzlich andere Methoden wie z.B. Risikobewertung herangezogen werden.
  • Der Vergleich von unterschiedlichen Studien zu einem Produkt kann sich als schwierig erweisen, da ggf. unterschiedliche Systemgrenzen, Abschneidekriterien, Allokationen (Zuordnung von Aufwendungen auf Haupt- und Nebenprodukt) und nicht zuletzt unterschiedliche Datenbanken (Datenqualität, Datenaktualität) genutzt wurden.
  • Ökobilanzen fokussieren auf das Themenfeld Effizienz ("wie kann ich einen Nutzen mit möglichst geringem Aufwand erreichen") nicht aber auf das Themenfeld Suffizienz ("brauche ich das").

Trotz dieser Einschränkungen bietet die Ökobilanz einen methodischen Rahmen für die Generierung von transparenten, belastbaren Analyseergebnissen, die innerhalb von Entscheidungskontexten von verschieden Akteuren in der Gesellschaft genutzt werden können.


Erkenntnisse aus Ökobilanzstudien

Die Ökobilanzierung als Entscheidungsunterstützung im politischen Kontext wurde zum ersten Mal im Jahr 2000 bei dem Vergleich durch das Umweltbundesamt (UBA) von Getränkekartons (z.B. Tetra Pak) mit Glasmehrwegflaschen in Deutschland wahrgenommen (UBA 2000ab, 2002). Die UBA-Studien legten damals den Schluss nahe, dass Mehrwegflaschen und Einweg-Getränkekartons aus Umweltsicht als vergleichbar und Getränkekartons prinzipiell auch als "ökologisch vorteilhafte Verpackung" (Jürgen Trittin) angesehen werden können. Ferner wurde festgestellt, dass die Glas-Mehrwegflaschen Umweltvorteile gegenüber den Dosen und den PET-Einwegflaschen zeigen. Neuere Ökobilanzstudien in diesem Themengebiet zeigen, dass diese getroffenen Grundaussagen (vor ca. 10 Jahren) für viele Verbrauchssituationen heute immer noch gelten, allerdings eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse für die Gegenwart als notwendig erachtet wird (IFEU 2010). Als wesentlich für den VergleichwerdenFaktorenwieArtundAufwendungdesRecyclings von Einwegsystemen, Gutschriften für die Weiterverwendung (Recycling) von Einwegverpackungsmaterialien (z.B. PET-Flaschengranulat für Textilfasern), Umlaufzahlen von Mehrwegsystemen, Aufwendungen für Transport oder Sammlung der Verpackungen angesehen, die einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben.

Teilweise überraschende Erkenntnisse gibt es aus Ökobilanzstudien zu Lebensmitteln, welche durchaus komplexe Herstellungsvorketten besitzen. Es zeigte sich beispielweise, dass der Kauf eines Biobrotes aus einem Discounter ökologische Vorteile gegenüber einem "vergleichbaren" Brot aus einer Kleinbäckerei oder selbst gebackenem Brot aufweist (REINHARDT o. J.).(2) Ursächlich hierfür ist insbesondere die effiziente Energienutzung in Großbäckereien und eine sehr effiziente Logistik der Backprodukte. Eine weitere Studie kommt zu der Erkenntnis, dass der Kauf von regionalen Produkten nicht immer zwingend mit ökologischen Vorteilen verbunden sein muss (REINHARDT 2009). Dies gilt insbesondere für saisonale Produkte wie Äpfel. Diese müssen in Deutschland für den Verkauf im Winter, Frühling bis in den Sommer hinein in Kühlhäuser zwischengelagert werden. Die Aufwendungen für die Kühlung sind allerdings so hoch, dass es ökologisch vorteilhaft sein kann "frisch" geerntete Äpfel aus Neuseeland, trotz der Transportaufwendungen, zu kaufen (REINHARDT 2009). Allerdings kann generell festgestellt werden, dass eine separate Fahrt mit dem Auto zum Bio-Laden oder Discounter jede noch so positive Ökobilanz von Lebensmitteln wieder zunichte macht.

In diesem Zusammenhang gibt es aktuell sehr interessante und umweltrelevante Fragestellungen im Bereich der Mobilitätsforschung (FLEISCHER & WEIL 2010). Hier können beispielsweise Ökobilanzstudien helfen, die Umweltvorteile (oder Umweltnachteile) von alternativen Antriebskonzepten (z.B. Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge) unter verschiedenen Rahmenbedingungen gegenüber konventionellen Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselantrieb darzustellen (WEIL et al. 2009). Sensitive Parameter für die Analyse von Elektrofahrzeugen sind Batteriegröße (Reichweite), die Lebensdauer der Batterie, die Fahrleistung des Elektrofahrzeugs über die gesamte Lebensdauer und der Bedarf an Ladeinfrastruktur (Netzintegration). Trotz aller Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte miteinander zu vergleichen (z.B. unterschiedliche Reichweite), zeigen aktuelle Studien, dass Elektrofahrzeuge schon unter den heutigen Rahmenbedingungen Umweltvorteile aufweisen können, die sich durch einen zukünftigen Ausbau regenerativer Energieerzeugung weiter erhöhen werden.

Für eine Untersuchung der Umweltauswirkungen von Elektrofahrzeugen (EV), die mit Strom aus unterschiedlichen Energiequellen betrieben werden, wurde eine Lebenszyklusanalyse (cradle to grave) durchgeführt (WEIL et al. 2009). Dabei wurde der Antriebsstrang eines Benzin angetriebenen Automodells durch einen elektrischen Antriebsstrang ausgetauscht (Konversionsmethode). Die funktionelle Einheit für den Vergleich ist eine Fahrt von 100 km, das Fahrzeug wird allerdings über den gesamten Lebenszyklus (Herstellung, Nutzung, Entsorgung) betrachtet. Dargestellt in Abbildung 4 sind die drei ausgewählten Umweltindikatoren:

  • GWP (Global Warming Potential - kg CO2 Äquivalent): Umfasst alle Emissionen, die eine Beitrag zum Treibhauseffekt leisten (z.B. CO2, CH4, ...);
  • CED (Cumulative Energy Demand - MJ): Summe der primär energetischen Aufwendungen;
  • ARD (Abiotic Ressource Depletion Potential - kg Antimon Äquivalent): Summe der nicht biotischen Ressourcen Ausbeutung.

Der Vergleich in Abbildung 4 zeigt, dass aufgrund des hohen Anteils an Kohlekraft (ca. 50%) im durchschnittlichen Strommix von Europa der Betrieb eines Elektrofahrzeuges am schlechtesten abschneidet. Deutlich besser sieht es aus, sobald das Elektrofahrzeug mit einem Schweizer Strommix betrieben wird. In der Schweiz gibt es neben Kernkraft einen hohen Anteil an Wasserkraft (>50%), was das bessere Umweltprofil (hinsichtlich der drei Indikatoren) erklärt. Soweit eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Haus- oder Garagendach genutzt wird (ohne elektrochemischem Energiespeicher) sinkt der kumulierte Energieaufwand (CED) nennenswert. Allerdings nehmen das Treibhauspotential (GWP) und der Ressourcenverbrauch (ARD) zu, da die Herstellung von Photovoltaik-Modulen noch immer sehr aufwendig ist.


Vereinfachte, lebenszyklusorientierte Analysen

Klassische Ökobilanzstudien sind in der Regel sehr aufwendig, da selbst für ein vermeintlich einfaches Produkt eine Vielzahl an vor- und nachgelagerten Prozessen zu berücksichtigen ist. Um aber einen ersten Eindruck über die Umweltfolgen menschlichen Handels zu gewinnen, stehen vereinfachte Methoden und Berechnungswerkzeuge (teilweise online) zur Verfügung.

Bei der Methode des ökologischen Fußabdruckes werden alle Stoff- und Energieflüsse in Flächen umgerechnet, die für die Herstellung und Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung notwendig sind. Der ökologische Fußabdruck ist somit ein einfacher Summenindikator für die ökologische Nachhaltigkeit und kann Handlungsoptionen für einen "nachhaltigeren Konsum" aufzeigen. Ein visuell unterstütztes Online-Berechnungs-Werkzeug gibt es bei Footprint Netzwerk (GLOBAL FOOTPRINT NETWORK 2011).

Von zahlreichen Organisationen gibt es vereinfachte CO2 Berechnungstools. Hier werden auf Personen oder Haushaltsebene die Bereiche Wohnung, Mobilität, Ernährung und Konsum hinsichtlich des jährlichen CO2 Beitrages analysiert, quantifiziert und visualisiert (IWR 2011, UBA 2011, WWF 2011). Mittels eines Vergleiches mit Durchschnittswerten können die quantitativen Effekte von Verhaltensänderungen nachverfolgt werden.

Im technischen Bereich bietet die Firma LCA Calculator in London für eine grobe Analyse einer ersten Idee eines technischen Produktes ein einfaches CO2 Berechnungsprogramm für Produktdesigner und Ingenieure an (LCA CALCULATOR 2011).


Resümee

Ökobilanzierung ist eine anerkannte und standardisierte Methode zur Analyse und Bewertung von unterschiedlichen Systemen hinsichtlich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit. Charakteristisch ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklusses von der Ressourcenentnahme, Produktion, Nutzung bis hin zur Entsorgung bzw. Recycling. Ökobilanzen ermöglichen für komplexe Produkte ein tieferes systemisches Verständnis, welches für das Aussprechen von Handlungsempfehlungen notwendig ist. Trotz einiger sensitiver Bereiche liefern Ökobilanzstudien transparente, nachvollziehbare und belastbare Analyseergebnisse die innerhalb von Entscheidungskontexten von verschiedenen Akteuren in der Gesellschaft genutzt werden können.

Ökobilanzen werden bei der Analyse und Bewertung von Produkten, bei der Entwicklung von neuen Technologien, zur Unterstützung politischer Entscheidungen und für Marketingzwecke eingesetzt. Zur Erhöhung der Belastbarkeit der Ergebnisse und dem Ausschluss von Subjektivität werden für bestimmte Anwendungen von Ökobilanzen in der DIN Norm eine externe Begutachtung der Ökobilanzstudie gefordert. Somit beschreibt die Ökobilanz Norm nicht nur den methodischen Rahmen einer Ökobilanz, sondern verhindert auch dessen interessensgelenkte Verwendung. Vereinfachte lebenszyklusorientierte Analysewerkzeuge haben nicht den gleichen wissenschaftlichen Anspruch wie Ökobilanzen, ermöglichen jedoch ein leicht zugängliches Verständnis über Handlungsentscheidung und Umwelteffekt.

Kontakt:
Dr.-Ing. Marcel Weil
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Campus-Nord
Hermann-von-Helmholtz-Platz 1
76344 Eggenstein-Leopoldshafen
Tel: 0721/608 267-18
Fax: 0721/608 267-15
marcel.weil[at]kit.edu
www.itas.kit.edu

Nachweise

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(1) Aktuelle Prognosen zeigen, dass die Weltbevölkerung von rund 6,8 Milliarden in 2009 auf voraussichtlich über 9 Milliarden in 2050 steigen soll. Daher ist mit einer stark wachsende Nachfrage nach Energien, Rohstoffen und Nahrungsmitteln, insbesondere in Dritt- und Schwellenländern, zukünftig zu rechnen.
(2) Es gibt viele Aspekte die eine Kaufentscheidung beeinflussen. Das Ergebnis einer Ökobilanz kann nur ein Aspekt unter vielen sein. Beispielsweise werden in der traditionellen Ökobilanz soziale Aspekte nicht berücksichtigt, was in der Vergangenheit auch als Mangel festgestellt wurde. Aus diesem Grund gibt es Anstrengungen zusätzlich auch soziale Aspekte in Ökobilanzen zu betrachten (UNEP 2009), allerdings ist dies erst in der Entwicklung.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Abb. 1: Entwicklung der weltweiten Rohstoffförderung von 1990 bis 2009 (U.S. GEO-LOGICAL SURVEY 2010, BP 2010)
Abb. 2: Rahmen und Vorgehensweise einer Ökobilanz (verändert nach DIN EN ISO 14040 2009)
Abb. 3: Wirkungsabschätzung von Stoffflüssen der Sachbilanz
Abb. 4: Auswirkungen unterschiedlicher Stromquellen auf den Betrieb eines Elektrofahrzeuges (EV)

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Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft, Nr. 1/2012, S. 7-11
24. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2012