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BILDUNG/393: Im Zeichen des Otters - Zu Besuch bei Umweltpädagogin Ann Zirker (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/09
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Im Zeichen des Otters
Zu Besuch bei der Umweltpädagogin Ann Zirker

Von Stefan Bosch


Ein bisschen fühle ich mich an Studentenzeiten erinnert, als wir in der roten Citroen-"Kastenente" durchs sonnendurchflutete Münstertal fahren. Am Steuer sitzt Ann Zirker. Seit 2006 ist sie hier im Südschwarzwald zuhause und mit ihrem "Ottermobil" als mobile Umweltbildungseinrichtung unterwegs.

Der Name verwundert, denn in Baden-Württemberg wurden die Fischotter durch Flussbegradigungen und erbarmungslose Bejagung als vermeintliche Fischräuber bereits vor 100 Jahren ausgerottet. Ann Zirker lacht: "Der Otter ist das einzige Tier, das Zeit seines Lebens verspielt ist und neugierig auf Erkundungen geht. Leider ist er auch eine der gefährdetsten Tierarten in Deutschland und Europa."


Emotional Türen öffnen

Und der Fischotter ist Teil ihres Lebens: Die studierte Biologin und Umweltmanagerin beschäftigte sich im Bayerischen Wald wissenschaftlich mit Fischottern und engagiert sich heute noch ehrenamtlich für sie. Wenn sie mit dem Ottermobil zu Schulklassen, Kindergärten oder Kinderferienprogrammen fährt, begleitet sie immer ein Plüschotter namens Otmar. "Dem Otter fühle ich mich eben besonders verbunden", erklärt sie, "und als knuddeliges Pelztier ist er für besonders geeignet, auch emotional in den Naturschutz einzutauchen."

Otter Otmar ist Symbol, Sympathieträger und "Türöffner" bei den Kindern. Er soll die Leidenschaft für Natur, Landschaft und Tiere weitertragen, die die gebürtige Berlinerin schon in jungen Jahren ergriffen hat. Als Stadtkind träumte sie davon, Großschutzgebiete für wildlebende Tiere zu schaffen. Dies motivierte sie seinerzeit zum Biologiestudium.

Neben ihrer feldbiologischen Arbeit wandte sich Ann Zirker der Umweltbildung zu, was sie vom Wattenmeer bis in den Himalaya führte. Inzwischen absolvierte sie zahlreiche Aus- und Fortbildungen in Umweltpädagogik, zur Landschafts- und Gewässerführerin. Für die Naturschutzjugend gründete sie 2002 in Düsseldorf das Jugend-Umweltmobil. Heute lebt sie mit ihrem Partner in einem Schwarzwälder Haus im Münstertal nahe Freiburg, arbeitet als freie Dozentin an Schulen und mit dem Ottermobil.


Vollgepackte Ente

Rund 40 Umweltmobile rollen derzeit in Deutschland und der Schweiz. Die meisten sind umgebaute Wohnmobile oder zum Labor aufgerüstete Lastkraftwagen. Das Ottermobil dagegen ist eine schlichte Citroen-Kastenente, Baujahr 1978, die mit viel Liebe und Aufwand wieder hergerichtet wurde. Neben einem Umweltbildungsfahrrad in Münster dürfte das feuerrote Ottermobil eines der kleinsten motorisierten Umweltmobile sein.

Dennoch ist es fein ausgestattet: Wenn Ann Zirker vor Ort erscheint, ist die Ente voll gepackt mit Mikroskopen, Sammelgefäßen, Becherlupen, einem Bodenprobennehmer, Wasserproben-Testsets sowie Werkzeugen, Bau- und Bastelmaterial. Daneben führt sie Arbeitsblätter, Bestimmungshilfen und Lernspiele mit.

"Mobile Umweltbildung bietet die Chance, Veranstaltungen quasi bei den Teilnehmern vor der Haustür durchzuführen", erläutert die Ökomobilistin. Ihre Erfahrung zeigt, dass Menschen sich mit einem Ort in ihrer Umgebung stärker verbunden fühlen. Die Teilnehmer lernen die unmittelbare Umwelt forschend kennen, können selbst nochmals nachschauen und beobachten, was sich in ihrem Forschungsgebiet ändert. Zusätzlich spart man Zeit und Kosten für die Anreise zu einer Bildungseinrichtung.


Kennenlernen und helfen

Zielgruppen sind neben Schulklassen Kinderferienprogramme, Kindergärten und Kindergeburtstage. Je nach Saison gibt es vom Frühjahr bis in den Herbst Outdoor-Erlebnisse. Da werden die Ökosysteme Wald, Wiese, Wasser oder Boden erforscht: Wer lebt hier? Wie funktioniert ihr Miteinander? Weshalb sind manche Tiere und Pflanzen bedroht und was kann man für sie tun? Speziell entwickelte Bestimmungshilfen ermöglichen es jedem Teilnehmer, ohne Vorkenntnisse die häufigsten Lebewesen sicher zu benennen.

Ann Zirker zeigt mir Fotos von ihren letzten Aktionen: Kinder mit Keschern auf der Wiese, am Mikroskop oder regenüberströmt im Friesennerz mitten im Wald an der Quelle des Dorfbaches. Allen Aufnahmen ist eines gemeinsam: Die Kinder sind immer mit Feuereifer und glücklichen Augen dabei - auch wenn´s in Strömen regnet. "Besonderen Wert lege ich bei meiner Arbeit auf Grundkenntnisse in Zoologie und Botanik sowie auf die Einführung in den Umwelt- und Naturschutz. Denn nur was man kennt, will man schützen!", betont Zirker.


Demnächst mit Ziege

Für die kalte Jahreszeit hat sie Themen wie Nistkastenbau im Programm und erfüllt mit Papierschöpfen das abstrakte Thema Nachhaltigkeit mit Leben. Und neben Otmar hat Ann Zirker natürlich immer Otter-Materialien im Gepäck, wie den Gipsabdruck einer Otterfährte und ein Otterfell. Als ich es in Händen halte, begreife ich, weshalb Otterfelle so begehrt zum Beispiel für Mützen waren: 50.000 Haare pro Quadratzentimeter schützen nicht nur Otter im kalten Wasser bestens vor Wärmeverlust.

Inzwischen sind wir in einem Seitental des Münstertales angekommen. Ann Zirker steigt aus, geht über den Bach zum Elektrozaun und ruft weit hörbare Lockrufe in Richtung Hang. Plötzlich tauchen aus den niedrigen Büschen schwarze Ziegen auf. Als alle um uns versammelt sind, zähle ich 40 Tiere. Ann Zirker hält sie vor allem als vierbeinige Landschaftspfleger, die die Kulturlandschaft des Tales durch Beweidung erhalten sollen. Und zuhause im Stall stehen mehrere Wanderziegen für ein neues Projekt: Familienwandern im Südschwarzwald mit Gepäckträgern, die auch mal meckern dürfen.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Ann Zirker
- Kinder an Binokularen
- Kinder untersuchen Wasserlebewesen mit dem Binokular.

Weitere Infos: www.ottermobil.de.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/09, S. 6-7
http://www.nabu.de/nabu/nh/2009/3/11357.html
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
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Internet: www.NABU.de

"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2009