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AKTION/338: Demonstration am Atomforschungszentrum Jülich gegen Atommülltransporte und Atomforschung (BBU)


Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. - Pressemitteilung, 1. Februar 2011

BBU kritisiert Kernfusionsvorhaben am Forschungszentrum Jülich

Atommüll soll nicht von Jülich nach Ahaus verschoben werden

Demonstrationszug zum Atomforschungszentrum Jülich, 30.01.2011 - Großes Transparent am Kopf des Zuges: 'Atommüll bedroht unsere Umwelt -  Atommüll bedroht unsere Kinder - Atomkraft bedroht unsere Demokratie!' - Foto: © Robert Schallehn

Demonstration zum Atomforschungszentrum Jülich, 30.01.2011
Foto: © Robert Schallehn

(Jülich, Bonn, 01.02.2011) In die Debatte um drohende Atommülltransporte vom Atomforschungszentrum Jülich in das westfälische Atommülllager Ahaus hat sich erneut der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) eingeschaltet. Der bundesweit organisierte Umweltverband hat sich dabei eindeutig wieder gegen die Atommülltransporte nach Ahaus ausgesprochen. Von der Landesregierung forderte der BBU eine Garantie darüber, dass die hochgefährlichen Transporte unterlassen bleiben. Gleichzeitig kritisierte der BBU, dass im Jülicher Forschungszentrum noch immer Atomforschung betrieben wird. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz hatte ebenso wie viele Initiativen, Verbände und Parteien zu der Demonstration am Atomforschungszentrum aufgerufen, an der sich am Sonntag rund 600 Personen beteiligt hatten. Bei der Abschlusskundgebung hatte sich BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz für den sofortigen Atomausstieg, gerade auch in NRW, und generell gegen Atomtransporte ausgesprochen. Gleichzeitig hatte Buchholz darauf hingewiesen, dass über das Jülicher

Atomforschungszentrum eine deutsch-russische Kooperation im Bereich der Kernfusion abgewickelt wird. Buchholz zitierte bei der Kundgebung aus der Internetseite des Forschungszentrums:

"Physiker aus dem Forschungszentrum Jülich und ihre Kollegen im russischen Gatchina wollen für einen neuen Ansatz zur Kernfusion das technische Equipment zusammenstellen, um einen seit Jahrzehnten aufgeschobenen Versuch zur doppelt polarisierten Kernfusion durchzuführen. Damit könnten ab 2011 die theoretischen Vorhersagen zur Änderung der Fusionsraten durch Einsatz von polarisierten Teilchen endlich im Experiment geprüft werden. Dazu schickt das Jülicher Institut für Kernphysik eine Atomstrahlquelle in die russische Forschungseinrichtung in der Nähe von St. Petersburg (...)". http://www.fz-juelich.de/portal/presse/kurznachrichten/november2009

Der BBU kritisiert, dass die Forschung im Bereich der Kernfusion extrem teuer ist, obwohl Erfolge nicht absehbar sind.

http://www.fz-juelich.de/portal/presse/kurznachrichten/november2009
http://www.nachhaltigkeit.org/201007075172/energie- kohlendioxid/interviews/kernfusion-ist-ein-fassohne-boden

BBU-Vorständler Buchholz: "Wenn jetzt angeblich Jülicher Atommüll aus Kostengründen nach Ahaus transportiert werden soll, dann sollen die Betreiber des Atomforschungszentrum zunächst offenlegen, mit welchen Kosten die umstrittene Kernfusionsforschung verbunden ist." Letztlich vertritt der BBU die Auffassung, dass im Zusammenhang mit vorhandenem Atommüll die Sicherheit der Bevölkerung wichtiger als Kostenfaktoren sein muss. Und damit nicht noch mehr Atommüll anfällt, der nirgendwo sicher gelagert werden kann, fordert der BBU die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Der BBU ist der Dachverband zahlreicher Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Fördermitglieder. Er wurde 1972 gegründet und hat seinen Sitz in Bonn. Weitere Informationen über die Arbeit des BBU gibt es unter 0228-214032 und unter www.bbu-online.de.


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Redebeitrag von BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz bei der Abschlusskundgebung in Jülich, 30.01.2011

Liebe Freundinnen und Freunde! Ich begrüße Euch im Namen des Arbeitskreises Umwelt Gronau. Der Arbeitskreis ist in Gronau die örtliche Bürgerinitiative gegen die einzige deutsche Urananreicherungsanlage. Und ich begrüße Euch auch im Namen des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz, dessen Vorstand ich angehöre.

Ich möchte Euch über die Urananreicherungsanlage in Gronau informieren, deren Wurzeln auch hier in Jülich liegen. Abgekürzt wird sie mit den drei Buchstaben UAA. Die UAA hat einen extrem hohen Stellenwert für die internationale Atomindustrie. In ihr wird Natururan für den späteren Einsatz in Atomkraftwerken vorbereitet. Das heißt, der Betrieb fast aller Reaktortypen ist auf Urananreicherungsanlagen angewiesen. Wer also Atommüll verhindern will, muss auch den Widerstand gegen die Urananreicherung unterstützen.

Gronau liegt nur wenige Kilometer nördlich von Ahaus und gehört gerade eben noch zu NRW. Die niedersächsische Landesgrenze ist nur einen Steinwurf von der UAA entfernt. Und manche Politikerinnen und Politiker aus NRW wären froh, wenn die Gronauer Uranfabrik nicht in NRW, sondern in Niedersachsen stehen würde. Viele wissen nicht mehr: Noch unter rot-grün wurde Anfang 2005 der massive Ausbau der Urananreicherungsanlage genehmigt. Und damit es eine runde Sache wird, wurde gleichzeitig der Bau eines Uran-Zwischenlagers genehmigt, in dem 60.000 Tonnen Uranoxid, faktischer Atommüll, gelagert werden sollen. Mit dem Bau des Zwischenlagers soll in diesem Jahr begonnen werden.

Im letzten Jahr hat in Gronau erstmals seit vielen Jahren ein Ostermarsch zur Urananreicherungsanlage stattgefunden. Gerade die in Gronau genutzte Zentrifugentechnik zur Urananreicherung ist es, die die Grenzen zwischen militärischer und energietechnischer Nutzung der Atomenergie verschwimmen lässt. In einer Urananreicherungsanlage, die mit der Zentrifugentechnik arbeitet, ist es grundsätzlich möglich, auch Uran zu produzieren, das zum Bau von Atombomben geeignet ist.

Breit in der Diskussion ist das iranische Atomprogramm, dem unterstellt wird, dass mittels der Urananreicherung nach dem Zentrifugenverfahren hoch angereichertes, atomwaffenfähiges Uran gewonnen werden soll. Die Zentrifugentechnik kam aus dem Bereich der niederländischen UAA in Almelo über Pakistan in den Iran. In den 70er Jahren gelangte der Pakistaner Abdul Quadeer Khan in den Besitz brisanter Unterlagen über den Aufbau der niederländischen Urananreicherungsanlage in Almelo. Mit diesen Informationen konnte Khan in Pakistan das dortige Atomprogramm aufbauen, und letztlich gelangte die hochbrisante Technik auch in den Iran.

Bei der iranischen Zentrifugentechnik zur Urananreicherung handelt es sich somit grundlegend um dieselbe Technik, die in auch Almelo und in Gronau zum Einsatz kommt. Diese Urananreicherungsanlagen sind Schwesteranlagen, die beide zum Urenco-Konzern gehören. Hinter dem deutschen Zweig der Urenco stecken übrigens RWE und EON. Diese Konzerne sind faktisch für den Betrieb der UAA in Gronau verantwortlich sind.

Die Urananreicherung ist eine gefährliche Technologie, die den Betrieb von Atomkraftwerken ermöglicht. Gleichzeitig kann die Urananreicherung militärisch genutzt werden. Insofern sind Urananreicherungsanlagen im Iran, in den USA, in Russland und anderswo stillzulegen. Und zwar sofort! Dies gilt selbstverständlich auch für die Gronauer UAA. Auch wenn sie derzeit nicht für eine Hochanreicherung geschaltet ist - eine spätere Nutzung zur Atomwaffenproduktion kann nicht ausgeschlossen werden. Und es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das sogenannte abgereicherte Uran, das in Gronau in großen Mengen bei der Urananreicherung anfällt, zu einem späteren Zeitpunkt für die Herstellung von Uranmunition genutzt werden könnte.

Das Ausgangsmaterial für den Betrieb von Atomanlagen, das Uranerz, wird z. B. in Kanada und Niger in Uranminen gewonnen. Dabei werden die Minenarbeiter erhöhten Strahlenbelastungen ausgesetzt, und die Umgebung wird durch giftige und radioaktive Stäube und Abwässer belastet. Für den Betrieb jedes der weltweiten Atomkraftwerke entsteht jährlich tonnenweise dieser Stäube und Abwässer. Deren sichere Entsorgung ist genauso unmöglich wie die Endlagerung der radioaktiven Abfälle aus der UAA Gronau und aus den Atomkraftwerken. Übrigens: Die Atomindustrie propagiert ihren Atomstrom immer als klimafreundliche Energie. Verschwiegen wird jedoch, dass der Strom, der für den Uranabbau z. B. in Niger benötigt wird, in Kohlekraftwerken produziert wird.

Der Widerstand gegen die UAA Gronau wird in diesem Jahr 35 Jahre alt. Seit Mitte der 70er Jahre wurde und wird immer wieder gegen die Anlage demonstriert. Verstärkter Protest gegen die UAA Gronau, die seit Jahren massiv ausgebaut wird, ist dringend erforderlich. Im Januar 2010 gab es einen Störfall in der UAA, bei dem erstmals ein Arbeiter kontaminiert wurde. Und im März 2010 hat Polizei auf der Autobahn A1 einen Uran-LKW aus dem Verkehr gezogen, der auf dem Weg vom Hamburger Hafen zur Gronauer Urananreicherungsanlage gewesen ist. Das Gerüst, auf dem der Uranbehälter gelegen hatte, war völlig durchgerostet.

Viele von Euch sind möglicherweise noch nie bei einer Demonstration an der Urananreicherungsanlage gewesen. Das kann sich aber schnell ändern. Wer den Widerstand gegen die UAA vor Ort unterstützen möchte, hat immer wieder die Gelegenheit dazu. Immer wieder gibt es Aktionen, Mahnwachen und Demonstrationen. Eine Besonderheit im Gronauer Widerstand sind die sogenannten Sonntagsspaziergänge, die seit Ende 1986 bereits traditionell immer am ersten Sonntag im Monat stattfinden. In all den Jahren ist nie ein Spaziergang ausgefallen, mal kamen 2, mal 200 Leute. Und die Polizei ist auch immer dabei. Sie sucht immer einen Versammlungsleiter. Und da sie bislang nicht fündig wurde, hat sie in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft in Münster die UAASonntagspaziergänge kurzerhand zu politisch motivierten Straftaten deklariert. Übrigens: Die UAASonntagsspaziergänge wurden 1986, wenige Monate nach Tschernobyl, von den ursprünglichen Grünen ins Leben gerufen.

Aktuell wird am Ostermontag im Rahmen bundesweiter Proteste gegen Atomanlagen in Gronau ein Ostermarsch zur Urananreicherungsanlage führen. Zu diesem Ostermarsch, der auch in Kooperationmit Friedensorganisationen geplant wird, wird in ganz NRW mobilisiert. Am 11. Februar ist das nächste landesweite Vorbereitungstreffen. Wer bei der Ostermarschplanung mithelfen möchte, kann sich bei mir melden.

Einige Anmerkungen möchte ich noch zum Atomstandort Jülich machen. Die strahlenden Müllberge, die das Atomforschungszentrum hinterlassen hat, sind ein deutliches Zeichen: Atommüll ist nicht beherrschbar und es darf kein weiterer produziert werden. Und sowohl die Gronauer Anti-AtomkraftBewegung als auch der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz unterstützen den Widerstand gegen die hochgefährliche Atommülltransporte von Jülich nach Ahaus. Und wir fordern, dass endlich Schluss sein muss mit der Atomforschung in Jülich. Doch das Atomforschungszentrum kooperiert z. B. mit russischen Atomforschern in Sachen Kernfusion. So gab das Zentrum 2009 bekannt:

"Physiker aus dem Forschungszentrum Jülich und ihre Kollegen im russischen Gatchina wollen für einen neuen Ansatz zur Kernfusion das technische Equipment zusammenstellen, um einen seit Jahrzehnten aufgeschobenen Versuch zur doppelt polarisierten Kernfusion durchzuführen. Damit könnten ab 2011 die theoretischen Vorhersagen zur Änderung der Fusionsraten durch Einsatz von polarisierten Teilchen endlich im Experiment geprüft werden. Dazu schickt das Jülicher Institut für Kernphysik eine Atomstrahlquelle in die russische Forschungseinrichtung in der Nähe von St. Petersburg (...)".

Und auch der Urenco-Konzern, der die Gronauer Uranfabrik betreibt, ist in Jülich beheimatet. Mit immer neuen Phantasienamen wird so von Jülich aus der Atomindustrie zugearbeitet, so auch seit ein paar Jahren unter dem Namen Enrichment Technology. Auf deren Homepage heißt es:

"Unternehmenszweck ist die Entwicklung und Lieferung von Gaszentrifugentechnologie für die Urananreicherung. Wir entwickeln, fertigen, liefern und installieren Gaszentrifugen. Mit diesen Zentrifugen wird das Uran in Anreicherungsanlagen angereichert um Kernbrennstoff herzustellen. Darüber hinaus planen wir Anreicherungsanlagen, die mit der Gaszentrifugentechnologie arbeiten, und übernehmen das Projektmanagement für den Bau dieser Anlagen."

Zu finden ist das Ganze hier in Jülich im Stetternicher Staatsforst.

Deutlich wird: Der Anti-Atom-Protest in Gronau und Jülich gehört zusammen. Und darum sind wir heute auch nach Jülich gekommen. Ich komme zum Schluss meiner Rede und wünsche besonders dem Aktionsbündnis "Stopp WestCastor.de" und all den Anderen, die diese Demo mitorganisiert haben, weiterhin einen langen Atem im Widerstand gegen Atommüll und Atomtransporte. Und uns allen wünsche ich einen Atomausstieg, der diesen Namen wirklich verdient hat. Und das am liebsten sofort. Geben wir den AKWLaufzeitverlängerungen keine Chance. Und geben wir den laufenden Atomkraftwerken und Uranfabriken keine Chance mehr, uns zu verseuchen und weiteren Atommüll zu produzieren.

Uran gehört in den Boden - und Atomanlagen gehören stillgelegt! Sofort und für immer und ewig. In Jülich, Gronau und anderswo! Vielen Dank.


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Quelle:
BBU-Pressemitteilung, 01.02.2011
Herausgeber:
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V.
Prinz-Albert-Str. 55, 53113 Bonn
Tel. 0228/21 40 32, Fax.: 0228/21 40 33
Internet: www.bbu-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2011