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AGENDA LOKAL/066: Große Enttäuschung über den Bericht des Berliner Senates (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 155 - April/Mai 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Lokale Agenda 21
Erste Chance verpasst - große Enttäuschung über den Bericht des Senates

Von Katrin Fleischer


Bundesweit wird Berlin um sein Landesprogramm zur Lokalen Agenda 21 "Berlin zukunftsfähig gestalten" beneidet, denn 2006 wurden im Berliner Abgeordnetenhaus anspruchsvolle und weitreichende Ziele und Maßnahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung beschlossen.

Mit acht Monaten Verspätung wurde nun endlich vom Senat der erste Bericht zur Lokalen Agenda 21 Berlin vorgelegt. Bei uns, den Agenda 21-Aktivisten, ist die Enttäuschung groß. Hatten wir doch schon lange bemängelt, dass viel zu spät mit der Arbeit am Bericht begonnen wurde. Wir kritisieren vor allem:

1. Dass die "zivilgesellschaftlichen Akteure" in den vergangenen drei Jahren an dem Agenda-21-Prozess völlig unzureichend beteiligt wurden. Eine Beteiligung der Bürgergesellschaft, die diese Bezeichnung verdient, hat nicht stattgefunden. Auch kann von einer "umfänglichen Befragung" der Bezirke nicht die Rede sein.

2. Dass die Berichterstattung im Wesentlichen sehr allgemein gehalten ist und sowohl positive Entwicklungen wie auch Hemmnisse seit 2006 zu wenig aufzeigt. Es wird nur zu vier der 63 Handlungsziele berichtet. Unverzichtbare Instrumente einer nachhaltigen Entwicklung Berlins, die die Rahmenbedingungen verändern, wurden nicht behandelt. So werden das Berliner Klimaschutzgesetz und das dieses Jahr zu beschließende Landesenergieprogramm 2011-2020 ohne Vorgaben aufgeführt sowie weiterführende Instrumente nicht mal zur Diskussion gestellt.

3. Dass eine Verkürzung der 63 Handlungsziele auf 12 Kernindikatoren, wie vom Senat vorgeschlagen, nicht der Komplexität der notwendigen Entwicklungsmaßnahmen in Berlin gerecht wird. Allerdings wird eine Verschlankung auf etwa 30 Indikatoren, über die im Dialog mit der Bürgergesellschaft zu beraten ist, für überlegenswert angesehen. Bei der Festlegung eines neuen Indikatorensystems sollten auch die vom Rat für Nachhaltige Entwicklung des Bundes vorgeschlagenen Indikatoren Berücksichtigung finden.

Da der Bericht somit offensichtlich nicht der Beauftragung durch das Parlament entspricht, empfiehlt Berlin 21 dem Abgeordnetenhaus, den Beschluss über den Bericht als nicht erledigt zu erklären. Die Empfehlungen des Senats, künftig auf eine koordinierende Senatsverwaltung mit Agendabüro zu verzichten, sollte dringend abgelehnt, auf eine Berichtspflicht für alle Handlungsziele gedrungen (alternativ: erneut beschlossen) und die Einführung eines Staatssekretärs (sustainability cabinet) gefordert werden. Der Dialogprozess ist fortzusetzen, beginnend mit den Beratungen des Berichts in allen für die sieben Handlungsfelder zuständigen Fachausschüssen des Parlaments.

Die umweltpolitischen Sprecher von SPD, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen haben uns bereits signalisiert, dass sie diesen Vorschlag unterstützen wollen. Mit uns gemeinsam wollen sie zum Tag der offenen Türen am 29. Mai über die Ergebnisse und Vorschläge aus dem Bericht diskutieren und Lösungen suchen, wie wir das Zukunftsprogramm noch besser umsetzen können.

Auf jeden Fall wird Berlin 21 demnächst zu einer öffentlichen Dialogveranstaltung zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft einladen, um eine breite Aussprache zu diesem Senatsbericht zu ermöglichen. Gern veröffentlichen wir auch auf der Berlin 21-Website weitere Stimmen und Reaktionen zur Berichterstattung. Bitte nehmen Sie Kontakt zu uns auf: info@berlin21.net.

Wie der Bericht richtig feststellt, verfügt unsere Stadt über ein reichhaltiges Potenzial an Engagement, Selbsthilfe und Partizipation der Zivilgesellschaft für ein zukunftsfähiges Berlin. Miteinander reden ist das Eine, aber praktische Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen das Andere. Deshalb haben wir im Rahmen des Jour Fixe der Berliner Nachhaltigkeitsinitiativen zu einem Ideenworkshop eingeladen, um 100.000 Berliner für Nachhaltigkeit zu gewinnen. Es sind viele originelle Vorschläge zustande gekommen, und wir arbeiten bereits an der Umsetzung ausgewählter Ideen. Vielleicht gelingt es uns auf diesem Weg besser, möglichst viele Berliner für Nachhaltigkeit zu begeistern.

Aktuelles zur Kampagne auf unserer Webseite www.berlin21.net. Der nächste Jour Fixe ist am 20. Mai 2010 um 19.30 Uhr in der Siebdruckwerkstatt, Pflügerstr. 11, Berlin-Neukölln.

Katrin Fleischer
Geschäftsführerin Berlin 21

Kontakt:
info@berlin21.net
www.berlin21.net
Lokale Agenda 21


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 155, April/Mai 2010, Seite 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

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Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010