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RAUBBAU/083: Fracking nicht mit uns - Etikettenschwindel ... (Andy Gheorghiu)


- Fracking-Regelungspaket -

Kommentar/Stellungnahme zur unseriösen Debatte über "konventionelles vs. unkonventionelles Fracking"

von Andy Gheorghiu, 17. Juli 2015


Der nachfolgende Kommentar ergibt sich aus der Notwendigkeit der Richtigstellung der Definition von "unkonventionellen Lagerstätten" sowie der Erkenntnis, dass die mit der Fracking-Technik verbundenen negativen Auswirkungen und Risiken sich grundsätzlich bei der Aufsuchung und Gewinnung von fossilen Energieträgern ergeben. Dies ist unabhängig von der Lagerstätte (z.B. Schiefer-/Sand- und/oder Kohleflözgestein) sowie den zu fördernden Kohlenwasserstoffen (Öl und/oder Gas). Daher ist eine Gleichbehandlung geboten.

Die Begriffe des "konventionellen und unkonventionellen Frackings" sind Wortkonstrukte, die einzig und allein politisch motiviert sind und in Deutschland zunehmend im Sprachgebrauch etabliert werden sollen. Sie suggerieren den BürgerInnen, dass es einen Unterschied zwischen "gutem" und "schlechtem" Fracking gibt.

Dabei resultieren die Kunstbegriffe "konventionelles Fracking" bzw. "unkonventionelles Fracking" einzig und allein aus dem weltweit einzigartigen, unseriösen Versuch, Tight-Gas (im Sandstein gefangenes Erdgas) neuerdings den konventionellen Lagerstätten zuzuordnen.

Dies, obwohl selbst Total [1], ExxonMobil [2], das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) [3] und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) [4], Tight-Gas-Lagerstätten als unkonventionell definieren.

Ich zitiere hier an dieser Stelle die Experten der BGR:

"Bei Erdgas aus einer nicht-konventionellen Lagerstätte strömt das Gas nicht ohne weiteren technischen Aufwand in die Förderbohrung, weil es entweder nicht als freie Gasphase im Gestein vorhanden ist oder das Speichergestein nicht ausreichend durchlässig ist. Zu diesen Vorkommen zählen Erdgas in dichten Gesteinen (Tight Gas, Shale Gas), Flözgas (Coalbed Methan - CBM), Aquifergas und Gashydrat."

Weitere Definitionen, die verdeutlichen, dass der Prozess der Förderung von Schiefergas/-öl und Tight-Gas/-Öl gleich ist, hat unter anderem der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlamentes, der European Parliamentary Research Service, geliefert [5]:

• "Shale gas: natural gas which is trapped in shale, a fine-grained sedimentary rock consisting mostly of clay particles. It is extracted by horizontal drilling and hydraulic fracturing.

Tight gas: natural gas which occurs in low-porosity, impermeable sandstone or limestone formations. The production process is similar to that of shale gas.

Tight oil: light crude oil trapped in shale, limestone and sandstone formations. Like shale gas and tight gas, it is extracted by horizontal drilling and hydraulic fracturing."

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. hat - zusammen mit Wissenschaftlern aus den USA und Kanada - in einer ganz aktuell international publizierten Stellungnahme zum vorgeschlagenen Fracking-Regelungspaket auf Bundesebene den unseriösen Versuch der Umdefinierung von Tight-Gas-Lagerstätten ebenfalls mit deutlichen Worten angesprochen und auch nochmal darauf hingewiesen, dass sich die Fördermethoden für Kohlenwasserstoffe aus Schiefer- oder Sandgesteinen nicht unterscheiden:

"We are surprised that the draft does not adequately differentiate between "conventional fracking" in vertical wells with small fluid and chemical volumes versus more recent multistage hydraulic fracturing in long horizontal wells with large volumes. Instead, exemptions are made for tight gas exploitation (see Figure 1). In North America gas and oil production from tight sands and shales proceeds almost exclusively via multistage hydraulic fracturing in horizontal wells which may exceed 2 km in length. Types and volumes of fracturing fluids and chemical additives depend on local geology. We believe that risks to shallow water resources more likely depend on the type of drilling, hydraulic fracturing and well integrity than on the type of the reservoir and suggest this should be reflected in the draft.[6]"

Im Rahmen des am 29. Juni 2015 durchgeführten Stakeholder Events der EU-Kommission zum Thema "Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller fossiler Energieträger [7]" hat die Firma Amec Foster Wheeler die vorläufigen Ergebnisse der Studie zur vergleichenden Risikoanalyse der verschiedenen unkonventionellen fossilen Energieträger (d.h. Schiefergas/-öl, Tight Gas, Tight Öl und Kohleflözgas) vorgestellt. Die Ergebnisse des u.a. im Bau von komplexen Anlagen für Erdöl- und Erdgasgewinnung und -veredelung, Energieanlagen und Bergbau tätigen Unternehmen Amec Foster Wheeler zeigen ebenfalls, dass viele Risiken der Schiefergas sowie Tight Gas und Tight Öl Förderung gleich sind.

Darüber hinaus ist es ebenfalls nicht seriös zu behaupten, dass in Deutschland seit den 60er-Jahren in Sandstein gefrackt werde und noch nie etwas passiert sei. Schließlich gab es nie ein Monitoring in Deutschland. Und gemäß den UBA- und NRW-Studien aus 2012 haben die Wissenschaftler nur ca. 25% der Daten zu den etwa 350 Fracks in Deutschland erhalten. Bei diesem geringen Datenpool kann man nicht einfach behaupten, dass noch nie etwas passiert sei.

Gleichzeitig gibt es aber eine ansehnliche Liste an Schadensfällen in der konventionellen Erdöl-/Erdgasförderung alleine während der letzten 10 Jahre.[8] Wir fangen also gerade erst an, uns ernsthafte Fragen hinsichtlich der Auswirkungen der Erdöl-/Erdgasförderung der letzten 50 Jahre in Deutschland zu stellen.

Für eine saubere Debatte ist daher eine seriöse Definition der verwendeten Begrifflichkeiten unumgänglich.

Aufgestellt: Korbach, 26.05./17.07.2015


Andy Gheorghiu Consulting
Campaigner/Consultant/Researcher
für Klima- und Umweltschutz,
Energiepolitik und Weiterentwicklung
demokratischer Prozesse
34497 Korbach


Anmerkungen:
[1] http://www.total.com/en/energies-expertise/oil-gas/exploration-production/strategic-sectors/unconventional-gas/presentation/three-main-sources-unconventional-gas
[2] http://www.europaunkonventionelleserdgas.de/home/unkonventionelles-gas/uber-unkonventionelle-gas
[3] http://www.diw.de/de/diw_01.c.434141.de/presse/diw_glossar/schiefergas.html
[4] http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Projekte/laufend/NIKO/FAQ/faq_inhalt.html
[5] http://www.europarl.europa.eu/RegData/bibliotheque/briefing/2014/140815/LDM_BRI%282014%29140815_REV1_EN.pdf
[6] http://pubs.acs.org/doi/full/10.1021/acs.est.5b01921
[7] http://ec.europa.eu/environment/integration/energy/pdf/Stakeholders%20event%202015%20agenda.pdf
[8] http://www.bi-ffh-harburg.de/?page_id=257


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Ein Interview des Schattenblick mit dem Autor finden Sie unter:
Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REPORT
INTERVIEW/176: Trümmertief - Widerstand auf gutem Grund ... Andy Gheorghiu im Gespräch (SB)

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Quelle:
© by Andy Gheorghiu, Korbach
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2015

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