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KOHLEALARM/598: Klimakampf und Kohlefront - Strukturwandel ohne Bürger ... (Antje Grothus)


Statement von Antje Grothus zum Beschluss des "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" durch das Kabinett am 22.05.2019

Eckpunkte zum Strukturstärkungsgesetz sind mangelhaft und inakzeptabel


NRW/Buir, 22.05.2019. Die nun verabschiedeten Eckpunkte für das Strukturstärkungsgesetz sind erneut ein eindeutiger Beleg dafür, dass Bürger*innen und insbesondere die betroffenen Anwohner*innen von Tagbau- und Kraftwerksstandorten keine Lobby haben. Von einer 1:1 Umsetzung der Empfehlungen der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" kann keine Rede sein. Das vorgelegte Papier trägt stattdessen die eindeutige Handschrift der Wirtschaft. Eine wirklich verbindliche Aussage zur Kopplung der Strukturwandelgelder an einen ambitionierten Kohleausstiegspfad fehlt ebenso wie die Berücksichtigung berechtigter Bürgerinneninteressen durch echte Partizipationsprozesse.

Der im Abschlussbericht mehrfach und deutlich erwähnten Notwendigkeit einer umfassenden Bürgerbeteiligung wird keine Rechnung getragen, denn breite Partizipationsprozesse sind nicht vorgesehen. Besonders deutlich wird dies im Absatz zum Leitbild für das Rheinische Revier (S. 39/40), der beinahe komplett aus dem Abschlussbericht der KWSB (S. 89) übernommen wurde. Die Textpassage zur Internationale Bau- und Technologies Ausstellung wurde komplett übernommen - einzig der Verweis auf den beteiligungsorientierten Prozess [1] fehlt.

Nachdem Bürger*innen nun jahrzehntelang ohnmächtig die Zerstörung und Ausbeutung ihrer Heimat durch die Braunkohletagebaue erleben mussten, wird nun auch der Strukturwandel über ihre Köpfe hinweg geplant. Das leistet weder den notwendigen Beitrag zur Befriedung der Region, noch genügt es dem Absatz "Regionale Verankerung und Beteiligung der Zivilgesellschaft" (Seite 101 KWSB Empfehlungen) im Strukturwandelprozess. Auch ist nicht ersichtlich, wo sich der Anteil der Strukturwandelgelder [2] wiederfindet, der nicht für den wirtschaftlichen Strukturwandel, sondern für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und Lebensqualität eingesetzt werden sollte. Wir fordern, dass hierfür mindestens 10% der Mittel eingestellt werden müssen.

Das so insbesondere mit den Empfehlungen der Kohlekommission umgegangen wird, die auch mir als Regionenvertreterin besonders am Herzen lagen, macht deutlich, dass die Berufung einfacher Bürgerinnen in die Kommission doch nicht mehr als eine Pseudobeteiligung gewesen ist. Die Bundesregierung sollte sich daher schämen, dass sie den Begriff des breiten Konsenses im Eckpunktepapier mehrfach erwähnt und damit deutlich überstrapaziert. Während ich die Kommissionsempfehlungen noch als Kompromisslösung mitgetragen habe, sind die nun vorgelegten Eckpunkte zum Strukturstärkungsgesetz mangelhaft und für mich absolut inakzeptabel. Das gilt sowohl für die nicht verankerte Bürgerbeteiligung, als auch die fehlende Ausrichtung auf zukunftsfähiges wirklich nachhaltiges, treibhausgasneutrales und ressourcenschonendes Wirtschaften.


Anmerkungen:

[1] (Seite 89 KWSB Empfehlungen) "Die Ausstellung soll gemeinsam mit den Menschen der Region, mit den Kommunen und der Wirtschaft in einem beteiligungsorientierten, hochqualitativen Prozess umgesetzt werden."

[2] (Seite 84 KWSB Empfehlungen) "Ein noch festzulegender Anteil der Mittel sollte nicht auf den "wirtschaftlichen" Strukturwandel beschränkt sein, sondern dafür verwendet werden, um zivilgesellschaftliche Aktivitäten, Lebensqualität und weiche Standortfaktoren zu stärken und weiterzuentwickeln."

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Quelle:
Antje Grothus, 22.05.2019
Ehemaliges Mitglied der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung"
Interessenvertreterin der Region und betroffener Menschen im Rheinischen Braunkohlenrevier


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2019

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