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SÄUGETIERE/299: Träge in der Brandung - Bei den Kegelrobben auf Helgoland (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Träge in der Brandung
Bei den Kegelrobben auf Helgoland

Von Britta Hennigs


Mitten in der deutschen Nordsee gelegen, ist Helgoland vor allem für seine bunten Hummerbuden, die Lange Anna und natürlich das zollfreie Einkaufen bekannt. Während in den Sommermonaten die rötlich leuchtenden, von tausenden Seevögeln bevölkerten Felsklippen die Naturfreunde in ihren Bann ziehen, erschließt sich der winterliche Reiz Helgolands nicht sofort. Doch auch wenn die Vogelfelsen verlassen sind und es zu kalt zum Baden ist, lohnt sich ein Besuch der rund 40 Kilometer vom deutschen Festland entfernten Insel. Denn spätestens im Dezember gehören die ausgedehnten Sandstrände der kleinen Nachbarinsel Helgolands, der "Düne", den Kegelrobben.

Da eine Sturmflut die vorgelagerte Sandbank von der Hauptinsel abgetrennt hat, gelangt man mit der Dünenfähre nach "Robbenland". Die ersten Kegelrobben entdeckt man meist gleich nach Verlassen der Fähre. Im Hafenbecken halten sie ihre graubraunen Köpfe aus dem Wasser und begrüßen so die ankommenden Besucher.


Nachwuchs im Dezember

Hat man einmal die Strände der Düne erreicht, entdeckt man die Robben überall: Im flachen Wasser spielen junge Weibchen miteinander, die großen, bis zu 300 Kilogramm schweren Bullen liegen träge in der Brandung. Auch die sehr viel kleineren Seehunde kann man entdecken, jedoch nur vereinzelt. Sie haben die Insel weitgehend geräumt, denn jetzt, im Dezember, ist hier viel los: Die Kegelrobben bringen auf der Düne ihre Jungen zur Welt.


Rückkehr aus England

An deutschen Küsten ist die Kegelrobbe immer noch etwas Besonderes, war sie doch um 1910 im gesamten Wattenmeer nach intensiver Bejagung als Konkurrent der Fischer ausgerottet. Erst nach dem Jagdverbot in den 1970ern eroberte die Kegelrobbe das Wattenmeer stückweise zurück. Dies geschah vermutlich von den vor der nordenglischen Küste gelegenen Farne Islands aus, auf denen es seit Mitte des Jahrhunderts eine der größten Kegelrobbenkolonien des Atlantiks gibt. Jährlich kamen hier etwa 2000 Jungtiere zur Welt, die den Grundstein für die Wiederausbreitung der Art legten.

Da Großbritannien bereits etwa dreißig Jahre vor uns wichtige Regelungen zum Schutz der Kegelrobbe eingeführt hatte, konnte die Kolonie wachsen und besiedelte in Deutschland nach und nach die Küsten von Amrum und die Kachelotplatte westlich von Juist. Seit 1989 haben die Kegelrobben auch Helgoland wieder für sich entdeckt. Zu einer Kegelrobben-Geburt kam es hier erstmals Ende der neunziger Jahre.

Scheinbar verlassen liegen die Jungtiere einzeln an sicheren, aufgrund der Gezeiten höher gelegenen Plätzen am Strand. Sie sind unterschiedlich groß, ihre Färbung reicht von reinweiß bis zu dunkel gefleckt. Kegelrobben kommen mit einem weißen, flaumigen Pelz zu Welt, dem Lanugofell. Dieses schützt sie zwar vor Wind und Kälte, doch kann die junge Robbe damit nicht schwimmen und ist darauf angewiesen, dass die Mutter drei- bis viermal am Tag zu ihr zurückkehrt und sie säugt. Die Muttermilch ist sehr fettreich und nach etwa vierzehn Tagen ist aus dem kleinen, weißen Bündel ein Wonneproppen von bis zu 50 Kilogramm geworden.


Tummelplatz für Fotografen

Die Kegelrobben sind auf den weiten Sandstränden der Düne nicht allein. Viele dick vermummte, mit allerhand Ausrüstung bepackte Naturfotografen besuchen täglich die kleine Insel, denn nirgendwo kommt man dem größten Raubtier Mitteleuropas näher als hier. Seit vierzig Jahren nicht mehr bejagt, nehmen die Kegelrobben den Menschen nicht als Bedrohung wahr und begegnen ihnen weitestgehend gelassen. Denkbar entspannt liegen einige der Tiere sogar auf der Landebahn des kleinen Dünen-Flughafens und lassen sich von den dröhnenden Motorengeräuschen der Flugzeuge nicht beeindrucken.

Auch wenn es den Robben offensichtlich nichts ausmacht, ihre Strände mit den Menschen zu teilen, gibt es Schilder, die das Miteinander zwischen Mensch und Tier regeln sollen. "30 Meter Abstand" steht groß am Anleger der Dünenfähre geschrieben, aber ebenso wie viele Besucher hält sich auch so manch eine Kegelrobbe nicht daran. Viel zu spannend sehen die Stative der Fotografen aus.


Vorsicht, Wildtier!

Dass Kegelrobben alles andere als Schmusetiere sind, zeigt sich spätestens, wenn die Weibchen wieder paarungsbereit sind, etwa zwei Wochen nach der Geburt. Die Bullen verteidigen in dieser Zeit ihre Strandabschnitte und tragen heftige Revierkämpfe aus, bei denen so manch ein Rivale die Arena mit blutenden Bisswunden verlässt.

Und selbst bei der Annäherung an ein noch so niedliches Jungtier gilt Vorsicht. Ohne dass er es merkt, steht der Besucher zwischen einem Jungtier und seiner Mutter, die brüllend und mit sichtbarem Raubtiergebiss auf ihn zugerobbt kommt. Ein schüchternes Muttertier hingegen wagt sich nicht zu seinem Welpen zurück und wartet unbemerkt in der Brandung. Werden die Jungtiere jedoch nicht rechtzeitig gestillt, laufen sie Gefahr zu verhungern.

Es ist also Rücksicht geboten beim Besuch des helgoländischen Robbenparadieses, damit die Rückkehrer ihre Düne weiterhin als ihr Zuhause betrachten und sich fortpflanzen. Die Zahl der geborenen kleinen Kegelrobben steigt jährlich, wie der Verein Jordsand notiert. Im Winter 2009/2010 sind 79 Jungtiere geboren. Wenn es so bleibt, ist Helgoland vielleicht bald der Ort, von dem aus sich die Kegelrobben weiter ausbreiten und andere Strände im Wattenmeer bevölkern.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Der charakteristischen Schnauze verdankt die Kegelrobbe ihren Namen.


Schweinswal, Seehund und Kegelrobbe: Der NABU hat in einer 24-seitigen, reich bebilderten Broschüre wesentliche Fakten über die heimischen Meeressäuger zusammengestellt und gibt Hinweise auf Bestand, Verbreitung und Lebensweise dieser eleganten Schwimmer. Die Broschüre gibt es für 1,50 Euro plus Versandkosten beim NABU-Naturshop, Tel. 0511-2157111, www.nabu-natur-shop.de.

Kostenloser Download der Broschüre
http://schleswig-holstein.nabu.de/naturerleben/faltblaetter/11497.html


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/10
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2010