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PFLANZEN/154: Der Feldahorn ist Baum des Jahres 2015 (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 123/4.2014

Alias Maßholder
Der Feld-Ahorn ist Baum des Jahres 2015

Von Rudolf Fenner



Er gehörte zu den Lieblingsbäumen meiner Jugend - der Feld-Ahorn. Mag sein, weil alles an ihm kleiner war, als bei den anderen beiden bei uns vorkommenden Ahorn-Arten, dem Berg- und dem Spitz-Ahorn. Ich kannte ihn als nicht sehr großen, oft mehrstämmigen Baum, ja oft sogar nur als Strauch. Auch seine Blätter waren ausgesprochen zierlich und wunderschön mit ihrer klaren, an kleine Feigenblätter erinnernden Umrisslinie. Mag aber auch sein, dass ich ihn allein schon deswegen mochte, weil ich stolz darauf war, einen Baum zu kennen, den keiner sonst zu kennen schien. Dem Feld-Ahorn kann man ja auch längst nicht so häufig, wie den beiden anderen "Ahörnern" begegnen. Und nicht selten wird er dann auch noch sehr leicht übersehen.

Nun, klein von Wuchs - das habe ich inzwischen gelernt - das stimmt so nicht. Der Feld-Ahorn kann durchaus auch zu einem stattlichen, an die zwanzig Meter hohen Baum auswachsen. Gelegentlich schafft er sogar mehr als 25 Meter, besonders wenn ihn andere Bäume von der Seite her bedrängen, dann drängt's ihn in die Höhe zum Licht. Aber um es zu solch einer eindrucksvollen Größe zu bringen, braucht er viel Zeit. Er wächst recht langsam. Im Wald wird er daher normalerweise von anderen Waldbäumen überwachsen. Das bringt ihn zwar nicht gleich um. Er ist zäh. Auch im Schatten der Anderen hält er es lange aus. Aber zulegen - das tut er dann kaum noch.

Auenbaum und Steppengehölz

Einer der natürlichen Lebensräume des Feld-Ahorns sind die selten gewordenen, nährstoffreichen Auenwälder, genauer: die Hartholz-Auen, wo er zusammen mit Stiel-Eichen, Feld-Ulmen und Silber-Pappeln vorkommt. Seine Überflutungstoleranz ist ungewöhnlich. Weit mehr als einen Monat kann das Flusshochwasser seinen Standort überfluten, bevor er langfristig Schaden nimmt. Der Berg-Ahorn und - erst recht - der Spitz-Ahorn können in diesem Punkt weit weniger aushalten.

Aber er kann auch ganz anders. Denn auch auf ziemlich trockenen, von der Wärme begünstigten Standorten kommt der Feld-Ahorn gut zurecht - an sonnenexponierten Waldhängen beispielsweise, wo alle Bäume, auch die kleineren, ausreichend Licht abbekommen. Zu finden ist er ebenso auf trockenen, kalkhaltigen Waldstandorten, auf denen die sonst vorherrschenden Waldbaumarten nicht so kräftig zulegen können. Dort kann er dann gut mit den anderen Bäumen mithalten.

Kulturfolger

Deutlich mehr geeignete Standorte als in der Natur findet der Feld-Ahorn allerdings in unserer Kulturlandschaft. Er ist sozusagen ein Kulturfolger: Waldränder, Feldgehölze und Knicks - all das gefällt ihm. Dank seiner hohen Ausschlagfreudigkeit wurde er auch durch die Nieder- und die Mittelwaldwirtschaft begünstigt. Und dort, wo heute noch Reste dieser historischen Intensivholzwirtschaft existieren, ist auch der Feld-Ahorn noch immer zu finden. Seine Ausschlagfreudigkeit macht ihn - vergleichbar mit Hainbuche, Liguster oder Weißdorn - auch zu einem idealen, gut in Form zu bringenden Baum für dichte Hecken.

Auf Böschungen entlang von Autobahnen, Überlandstraßen oder Schienenwegen, aber auch auf Halden pflanzen Landschaftsgärtner gern den Feld-Ahorn. Mit den dort häufiger auftretenden Trockenphasen kommt er gut zurecht. Und sein intensives Wurzelwerk trägt zur Festigung solcher Hänge bei. Als Alleenbaum besonders im innerstädtischen Bereich wird er immer häufiger ausgewählt, weil er klein, recht robust und tolerant gegen Luftschadstoffe ist. Sogar das vermaledeite Streusalz hält er besser aus, als die meisten anderen Straßenbäume. Und in Parkanlagen ist er - vor allem wegen seiner wunderschönen und lang anhaltenden gelben Herbstfärbung - gern gesehen.

Kulturpflanze

Zu einer richtigen, auf Landwirtschaftsflächen angebauten Kulturpflanze ist der Feld-Ahorn in Italien geworden. Besonders im mittleren Italien dient er schon seit Jahrhunderten als Gerüstbaum für die Weinreben auf den Feldern. Schon die Etrusker und dann auch die Römer kannten die Methode, diesen gut beschneidbaren Baum so hinzutrimmen, dass er sich als lebender Träger für die traubenschweren Weinranken wunderbar eignete. So genutzt kommt der Feld-Ahorn seinem Namen am nächsten, sowohl dem deutschen wie auch dem botanischen - Acer campestre. Allerdings hat die seit Jahrzehnten fortschreitende Maschinisierung des Weinanbaus den "Weinahorn" mittlerweile weitgehend aus dem Landschaftsbild Italiens verschwinden lassen.

Sauerkraut-Story

Früher - bevor er diesen recht nüchternen Artnamen bekam - trug der Feld-Ahorn in vielen deutschsprachigen Regionen den wunderschönen und in zahlreichen Varianten vorkommenden Namen "Maßholder". In einigen Regionen Deutschlands heißt er heute immer noch so. Dieser Name bedeutet wahrscheinlich - so ganz klären konnten das die Etymologen bisher nicht - schlicht so etwas wie mäßig großer Baum. Allerdings wird seit etwa hundert Jahren in zahlreichen Texten über den Feld-Ahorn gern eine ganz andere Geschichte zur Erklärung des Namens "Maßholder" erzählt: Dabei wird die erste Silbe nicht auf das neuhochdeutsche "mate" (klein, mäßig), sondern auf das germanische "matlu" oder das altsächsische "mat" zurückgeführt. Das heißt soviel wie "Speise" und folglich sei die Bedeutung von Maßholder "Speisebaum". Das Essbare an diesem Baum, das seien die Blätter, die früher zu einer Art Sauerkraut vergoren wurden. Nun ja - giftig sind die Blätter nicht. Das Vieh in den Ställen wurde durchaus auch mit Blättern des Feld-Ahorns, die im Sommer samt Zweigen von den Bäumen "geschneitelt" und getrocknet worden waren, durch den Winter gebracht.

Aber eine Sauerkraut-Herstellung aus Ahornblättern für die Mittagstafel? Das klingt bestenfalls nach verzweifelter Notmaßnahme in Hungerzeiten. Rezepte, Speisekarten oder andere Belege für eine solche Mahlzeit, die den doch recht edlen Titel eines Speisebaums rechtfertigen könnten, wurden bisher nicht gesichtet. Aber: Die Geschichte vom Sauerkraut-Speisebaum ist inzwischen weit verbreitet. Sie erzählt sich auch so nett und wird daher noch lange die Darstellungen des Feld-Ahorns garnieren - auch wenn im Grunde kein einziger Beleg dafür existiert.

Raus aus der Isolation

Bisher gilt der Feld-Ahorn in Deutschland als relativ seltene, aber nicht wirklich bedrohte Baumart. Lediglich in Brandenburg und Berlin ist er laut Roter Liste als gefährdet eingestuft, in Berlin zusätzlich auch als extrem selten. Allerdings wird gerade erst begonnen, die Vorkommen des Feld-Ahorns in der Bundesrepublik etwas systematischer anzuschauen und auch genetisch zu untersuchen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es zwar durchaus zahlreiche Standorte mit natürlichem Vorkommen des Feld-Ahorns gibt. Doch oft stehen diese Vorkommen sehr isoliert voneinander in der Landschaft. Und viele Vorkommen bestehen aus einer nur sehr geringen Individuenzahl. Solche kleinen, einsamen Populationen laufen Gefahr, genetisch zu verarmen. Mehr als sechzig Prozent aller Feld-Ahorn-Vorkommen in Deutschland sind nach diesen Befunden als auf Dauer kaum überlebensfähig eingestuft! Wenn also der Feld-Ahorn auch in Zukunft aus der Roten Liste Deutschlands ferngehalten werden soll, dann muss jetzt einiges passieren: Flussauen müssen geschützt und den Auenwäldern muss wieder Raum gegeben werden. Gleiches gilt auch für die sehr trockenen Südhänge und Trockenrasenflächen.

Die gerade erst in Gang gekommene Erfassung der Feld-Ahorn-Vorkommen in Deutschland sollte möglichst bald abgeschlossen werden. Bestehende Vorkommen des Feld-Ahorns sollten nicht nur erhalten, sondern auch gestärkt werden. Und um den Genaustausch zwischen den zahlreichen, aber isolierten Beständen wieder in Gang zu bringen, sollten auf passenden Standorten Feld-Ahornbäume als sogenannte Trittsteine gepflanzt werden - unter Verwendung von Bäumen, die aus regionalem Saatgut herangezogen werden.

Es gibt viel zu tun - in diesem Jahr des Feld-Ahorns!


Rudolf Fenner vertritt ROBIN WOOD im Kuratorium Baum des Jahres (KBJ), dem Fachbeirat der Baum des Jahres -
Dr. Silvius Wodarz-Stiftung
Tel.: 040 380892-11
wald@robinwood.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 20-21:
Der lichtliebende Feld-Ahorn hat in unserer heutigen Kulturlandschaft seinen Platz vor allem an Waldrändern, in Feldgehölzen und in Knicks gefunden. Hier ist eine besondere Art von Feldgehölz zu sehen, nämlich eines von sechs Großsteingräbern bei Gnewitz östlich von Rostock, auf denen vor allem Eichen, aber auch ungewöhnlich viele Feld-Ahornbäume zu finden sind. Der rechte, schräg nach links geneigte Baum in ein Feld-Ahorn - ein ungewöhnlich starkes Exemplar mit einem Umfang an seiner schlankesten Stelle im unteren Stammbereich von 2,80 Metern

Abb. S. 22:
Seine wunderschöne Herbstfärbung macht den Feld-Ahorn zu einem beliebten Baum in unseren Parkanlagen

Abb. S. 23 links:
Auch wenn er uns meist als Strauch oder kleiner Baum begegnet - der Feld-Ahorn kann durchaus zu einem stattlichen Baum auswachsen und im Einzelfall sogar über 25 Meter hoch werden.

Abb. S. 23 rechts:
An den kleinen, glattrandigen, entfernt an Feigenblätter erinnernden Blättern und den geflügelten, ungewinkelt in einer Linie gegenüberstehenden Ahorn-Doppelfrüchten lässt sich der Feld-Ahorn leicht erkennen

Abb. S. 24 links:
Im Landschaftspark Schönbusch bei Aschaffenburg kommt die Heckentauglichkeit des ausschlagfreudigen Feld-Ahorn als Hecken-Irrgarten besonders eindrucksvoll zur Geltung. Die etwa 70 Jahre alten Feld-Ahornbüsche werden dort allerdings seit einigen Jahren nach und nach durch Hainbuchen ersetzt

Abb. S. 23 rechts:
Wer den Feld-Ahorn schützen will, muss auch seinen natürlichen Lebensräumen wie den Auenwäldern, aber auch den trockenen, sonnenexponierten Hangflächen wieder mehr Platz einräumen

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 123/4.2014, Seite 20 - 24
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2014