Vogelschutz - 3/2012
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Vogeljagd in Bayern
Eine kritische Bewertung der aktuellen Jagdstatistik
von Christian Brummer
Malta und Zypern werden von Natur- und Vogelschutzverbänden wegen der Bejagung von Zugvögeln heftig kritisiert. Zu Recht. Allerdings zeigt ein Blick auf die bayerische Abschussstatistik, dass auch im Freistaat in erheblichem Umfang Zugvögel gejagt werden. Und nicht nur das: Geschossen wird auch auf bedrohte Arten, Schonzeiten werden eingeschränkt und ein großer Teil der getöteten Tiere wird schlichtweg als Abfall entsorgt.
Über den Umfang der Vogeljagd in Bayern gibt alljährlich die Streckenliste der obersten Jagdbehörde Auskunft. Sie basiert auf den Angaben der Jagdausübungsberechtigten und weist für das aktuell vorliegende Jagdjahr 2010/2011 den Abschuss bzw. Fang von mehr als einer Viertel Million Vögeln aus. Da die Öffentlichkeit hiervon im Allgemeinen kaum etwas mitbekommt, wollen wir die Leser von VOGELSCHUTZ über das Ausmaß der Vogelbejagung im Freistaat informieren und dies mit einer naturschutzfachlichen Bewertung verbinden.
Noch immer gestattet das Bayerische Jagdrecht den Abschuss mehrerer Arten der Roten Liste, darunter z. B. auch den der in Bayern vom Aussterben bedrohten Knäkente. Schwer vermittelbar sind auch die im Jagdjahr 2010/2011 erlegten 1.198 Rebhühner. Schließlich zählt das Rebhuhn als Vogelart der Agrarlandschaft zu jener Artengruppe, die durch fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft anhaltende Bestandsrückgänge hinnehmen muss. Und überraschend dürfte für viele Leser auch der Abschuss von jährlich etwa 5.000 Graureihern (Vorwarnhiste) sein. Bemerkenswert ist diese Zahl vor allem deshalb, weil die Jagd auf Graureiher nur sechs Wochen im Jahr erlaubt ist. Vom 16. September bis zum 31. Oktober werden in Bayern also täglich (!) über 100 Graureiher erlegt.
Bayerns Jäger schöpfen keineswegs nur die Überschüsse ihrer eigenen Hegeanstrengungen ab, sondern bejagen in erheblichem Umfang Zugvögel. Dies trifft beispielsweise für das Blässhuhn und die allermeisten der über 100.000 jährlich erlegten Enten zu. Die im Herbst und Winter an Bayerns Gewässern anwesenden Wasservögel stammen nämlich ganz überwiegend aus Nord- und Osteuropa. Auch vom Eichelhäher, der ab dem 15. Juli bejagt werden darf, wissen wir, dass bereits ab August nordosteuropäische Populationen in hoher Individuenzahl zu uns kommen.
Zugvogeljagd findet also nicht nur auf Malta und Zypern statt, wo die geschossenen Tiere zumindest auf dem Teller landen. Davon ist bei den in Bayern getöteten Blässhühnern und Eichelhähern sicherlich nicht auszugehen.
Knapp die Hälfte aller Vogelabschüsse erfolgt vor allem deshalb, weil bestimmte Arten oder Veränderungen im Artenspektrum nicht ins "ökologische Weltbild" der Jagdausübungsberechtigten passen. Argumentiert wird dabei noch immer mit der vermeintlichen Notwendigkeit, ein so genanntes "ökologisches Gleichgewicht" herstellen zu müssen, obgleich längst unstrittig ist, dass die Natur keine statischen Gleichgewichtszustände kennt. Leidtragende dieser Regulierungsmaßnahmen sind alljährlich über 100.000 Blässhühner, Rabenvögel und Möwen sowie mehr als 8.000 Kormorane, die alleine im letzten Winter getötet wurden.
In vielen Regionen Bayerns wurden in den letzten Jahren auch Abschüsse während der Schonzeit gestattet, vor allem bei Graugänsen und Ringeltauben. Rechtliche Grundlage hierfür sind Einzelgenehmigungen oder Allgemeinverfügungen der zuständigen Jagdbehörden, die sich zumeist auf Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen stützen. Wie Beispiele aus dem Raum Landshut gezeigt haben, lohnt es sich jedoch, diesen Schäden im Einzelfall genauer nachzugehen: Bei der Ringeltaube warten wir seit Jahren auf die von Landwirten festgestellten Schadschwärme und von den angeführten Fraßschäden durch Gänse blieb nach einer gutachterlichen Schätzung ebenfalls wenig übrig. Auch Kormorane leben in mehreren bayerischen Regierungsbezirken während der Brutzeit gefährlich: Getötet werden dürfen laut Gesetz zwar nur Nichtbrüter, allerdings mausern viele Brutvögel bereits während der Jungenaufzucht wieder ins Schlichtkleid und sind dann von halbwüchsigen Kormoranen nur schwer zu unterscheiden.
Die Bejagung von Vögeln wird im Allgemeinen mit zwei Argumenten begründet: die nachhaltige Nutzung von Wildtierpopulationen sowie die Abwehr von wirtschaftlichen oder ökologischen Schäden. Beim Eichelhäher trifft sicherlich keiner dieser Gründe zu. Trotzdem werden in Bayern alljährlich zwischen 25.000 und 30.000 Eichelhäher getötet. Dabei stören diese Tiere weder das so genannte "ökologische Gleichgewicht" noch richten sie wirtschaftliche Schäden an. Im Gegenteil: Sie stellen in weiten Bereichen Bayerns die Vermehrung und Ausbreitung der Eiche sicher. Massenweise werden diese wunderschönen, intelligenten Vögel in Bayern also geschossen, ohne dass es dafür einen vernünftigen Grund gibt. Und gegessen werden sie in aller Regel auch nicht. Hier erscheinen uns Änderungen am derzeitigen Jagdrecht zu allererst erforderlich.
STRECKENLISTE B
JAGDJAHR 2010/2011 IN BAYERN
Art
|
erlegt/gefangen
|
Rebhuhn
Jagdfasan Ringeltaube Türkentaube Waldschnepfe Blässhuhn Höckerschwan Graureiher Gänsesäger Graugans Saatgans Kanadagans sonstige Gänse Stockente Krickente Knäkente Tafelente Reiherente sonstige Enten Lachmöwe Solbermöwe sonstige Möwen Mäusebussard Habicht Sperber Rabenkrähe Kolkrabe Elster Eichelhäher Sonstiges Federwild |
1.198
17.275 14.832 3.350 337 5.958 583 5.317 5 4.804 27 518 79 99.887 869 8 504 1.669 46 808 11 14 2 5 2 61.780 82 22.805 25.654 773 |
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Autor:
Christian Brummer
Kreisgruppenvorsitzender LBV Landshut
LBV-Landshut@gmx.de
www.lbv-landshut.de
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Aufbruch zur Jagd
- Unfassbar - Auch die vom Aussterben bedrohte Knäkente wird bejagt (8 gemeldete Abschüsse)!
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Quelle:
Vogelschutz - 3/2012, Seite 12-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012