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GESCHÄFTE/125: Tödliche Geschäfte - WWF will Handel mit Tigern zum Erliegen bringen (WWF Magazin)


WWF Magazin 3/2010
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Tödliche Geschäfte mit dem Tiger: der WWF will den Handel mit Tigern zum Erliegen bringen

Von Katalina Engel, WWF


Noch immer werden Tiger illegal gejagt, um ihre Felle und andere Körperteile mit großem Gewinn auf den Schwarzmärkten Asiens zu verkaufen. Der WWF kämpft an allen Fronten, um den kriminellen Netzwerken das Wasser abzugraben, die den letzten dieser Großkatzen den Garaus zu machen drohen.


Die Nachfrage treibt die Preise in die Höhe - bis auf mehr als 50.000 Euro für einen kompletten Tiger. Das verführt vor allem die arme Landbevölkerung in den Tigerländern zur Wilderei.

Dabei ist die Jagd auf Tiger in allen 13 Verbreitungsstaaten längst verboten. Ebenso verboten ist außerdem der Handel mit Tigerteilen und -produkten - seit 1974 international und seit 1993 auch innerhalb Chinas. Nicht zuletzt auch auf Betreiben des WWF und von TRAFFIC, dem gemeinsam mit der Weltnaturschutzorganisation IUCN durchgeführten Artenschutzprogramm. TRAFFIC erreichte zudem mit anderen Organisationen, dass Tigerteile in den offiziellen chinesischen Arzneibüchern nicht mehr als medizinisch wirksame Substanzen empfohlen werden. Auch in den anderen Tigerstaaten ist der Tigerhandel verboten, allerdings nicht überall konsequent und häufig mit großen Gesetzeslücken.


Volksglaube schürt Nachfrage

Wer aber kauft trotzdem Tigerprodukte, selbst wenn das illegal ist? Zum einen Aufsteiger in Teilen der asiatischen Gesellschaft, die etwa ganze Felle als Statussymbol erwerben. In der breiten Mittelschicht Südostasiens wiederum, zum Beispiel in Indonesien, gibt es eine große Nachfrage nach Amuletten und Pülverchen aus allen möglichen Tiger-Körperteilen, die nach dem Volksglauben in vielen südostasiatischen Ländern diverse Leiden lindern sollen. Dieser Volksglaube ist der Motor der Nachfrage, obwohl Vertreter der offiziellen Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit den 1990er Jahren keine Tigerprodukte in der Behandlung mehr einsetzen und deren Weltverband dies auch offiziell immer wieder bekundet. In China ist seitdem erfreulicherweise ein Rückgang des illegalen Handels mit Tigerprodukten festzustellen.

Doch in anderen Ländern wie Vietnam oder Thailand ist dies noch nicht der Fall. In Myanmar etwa werden Tigerprodukte noch offen verkauft. Nach neuen Erkenntnissen sind Wilderei und illegaler Handel längst in kriminellen Netzwerken organisiert. Wenige Großhändler beherrschen den Markt in Südostasien. Ihr Risiko ist gering. Denn in den meisten Ländern werden hohe Strafen nur angedroht. In der Realität fallen sie, wenn überhaupt, nur milde aus -wenn es kommt überhaupt zu einer Verurteilung kommt. Der Strafvollzug in vielen Tigerländern ist unzureichend, willkürlich und durch Korruption gelähmt. Vielfach sind auch die Gesetze lückenhaft und deswegen schwer umzusetzen: In Russland zum Beispiel macht ein Wilderer sich nur dann strafbar, wenn er in flagranti erwischt wird. In China hingegen verbesserte sich der Vollzug in den letzten Jahren - ein weiterer möglicher Grund für den dortigen Rückgang des illegalen Handels.


Tigergipfel als letzte Chance

Wer den illegalen Markt mit Tigerprodukten stilllegen will, muss daher an vielen Fronten kämpfen. Zum einen müssen Gesetze konsequent angewendet werden. Das hat erfahrungsgemäß ein hohes Abschreckungspotenzial. Deshalb unterstützt das Artenschutzprogramm TRAFFIC die Aufklärung und Ausbildung von Zoll- und Vollzugsbeamten in Asien. An der chinesisch-russischen Grenze beispielsweise werden in Zukunft regelmäßig grenzübergreifende Schulungen für Zollbeamte beider Länder durchgeführt, außerdem auf Wildtier-Schmuggler trainierte Einsatzkräfte und eigens ausgebildete Spürhunde eingesetzt. Zum anderen müssen Wilderei und illegaler Handel durch strengere Kontrollen stärker unterbunden werden. Dafür unterstützt der WWF Deutschland die Ausbildung spezieller Tigerschutzeinheiten im russischen Fernen Osten genauso wie in der Mekong-Region und auf Sumatra.

Die Gesetze zum Schutz des Tigers künftig voll auszuschöpfen, das fordern WWF und TRAFFIC von allen 13 Tiger-Verbreitungsstaaten. Ihre Repräsentanten sollen dazu auf dem Tiger-Gipfeltreffen im September 2010 in Russland handfeste Strategien vorlegen. Dazu zählen verbindliche Abkommen zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit der Zollbehörden, die Überarbeitung nationaler Gesetze gegen Wilderei und die Durchsetzung existierender Schutzmaßnahmen in Reservaten. Ziel des WWF ist es, den Handel mit Tigerteilen so rasch wie möglich einzudämmen und bis spätestens 2020 weitgehend zum Erliegen zu bringen. Die Chancen, dieses Ziel umzusetzen, stehen nicht schlecht. Denn auf politischer Ebene konnten WWF und TRAFFIC bereits mithelfen, die Aufhebung des innerchinesischen Handelsverbotes zu verhindern.

Neben Appellen zum Verzicht auf Tigerprodukte geht es aber auch um die Motivation für den Tigerschutz. Der WWF arbeitet daher in Tigerstaaten mit der einheimischen Bevölkerung zusammen, um ihnen die Großkatze als einen schützenswerten und faszinierenden Teil ihrer Heimat näher zu bringen. In der Amur-Region zum Beispiel wurde ein spezieller Lehrplan entwickelt, der von mehr als 200 Lehrern in den Schulen vermittelt wird. Auch in den Ländern des Mekong, in Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam, lernen Kinder und Erwachsene mit WWF-Hilfe vieles über ihre Umwelt und die wichtige Rolle, die der Tiger darin spielt. Unser Ziel: Die Menschen sollen stolz auf "ihren" Tiger werden, statt ihn zu jagen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Tödlicher Aberglaube: Medizin aus Tigerstoffen hat erhebliche Risiken und Nebenwirkungen - für den Tiger!

• Die Ruhe des Tigers ist trügerisch. Denn die illegale Jagd auf die letzten seiner Art geht unbarmherzig weiter: Die Oberschicht schmückt ihre Villen und Hotels gerne mit Tiger-Trophäen. Zugleich ist im Volk vieler südostasiatischer Länder noch immer der Glaube an die Heilkräfte von Tigerteilen weit verbreitet.

• Käfighaltung: Wenn in Farmen gezüchtet Tiger gehandelt werden dürfen, fürchtet der WWF, dass der Handel mit Wildtieren zunimmt.

• Stummer Aufschrei: Dieses Tigerfell wurde am Amsterdamer Flughafen beschlagnahmt.


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Sind Tigerfarmen eine Lösung?

Experten vermuten, dass in China, Thailand, Vietnam und Laos derzeit mehr als 10.000 Tiger in Käfigen gehalten werden. Diese Tigerfarmen sind zum Teil legal und dürfen offiziell als Zuchtstationen für Auswilderungsprogramme geführt werden. Bis heute ist aber noch kein einziger Tiger aus der Gefangenschaft in die Wildnis entlassen worden. Daher gehen Fachleute dac‹von aus, dass auch Farmtiger auf illegalen Märkten verkauft werden. Seit 2005 wird in China diskutiert, ob das Land das nationale Handelsverbot für die Bestandteile gezüchteter Tiger aufheben soll. Befürworter argumentieren, die Legalisierung des Handels mit Tigerprodukten von Farmen entlaste die wilden Tigerbestände und trage somit zu deren Schutz bei, ähnlich wie die Krokodilfarmen einige Echsenarten vor dem Aussterben bewahren konnten. Auch sei dann die Wilderei durch den vom legalen Markt kontrollierten und mutmaßlich geringeren Preis ökonomisch nicht mehr lukrativ. Gegner der Legalisierung - wie der WWF und TRAFFIC - befürchten jedoch, die Öffnung könnte als Deckmantel für weitere Wilderei dienen. Denn bislang gibt es keine Methode, Produkte von Wild- und Farmtigern zu unterscheiden. Doch selbst wenn es sie gäbe, würde das dem Wildbestand wahrscheinlich nicht nutzen: Laut einer Umfrage in China bevorzugten die meisten Menschen Produkte aus wilden Tigern, da sie diese als wirksamer einschätzen. Nicht zuletzt auch, weil bis heute wilde Tiere viel billiger zu haben sind als auf Farmen gezüchtet Tiger.   KE


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Quelle:
WWF Magazin 3/2010, s. 16-18
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2010