Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

FORSCHUNG/135: Bei den Berggorillas in den Virunga-Bergen (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 72 Ausgabe 24 [1] - Sommer 2009

Bei den Berggorillas in den Virunga-Bergen

Von Armin Püttger-Conradt (*)


Menschen sind schon merkwürdige Wesen. Kaum entdecken sie ein ihnen ähnliches Wesen, verdammen sie es zu einem Monster, das ihnen in Form von King Kong haushoch über den Kopf wächst, erfinden furchterregende Geschichten, erforschen es in seiner Heimat, lernen es zu lieben und erneut, diesmal zum friedfertigen, Publikumsliebling zu machen, der letztendlich doch den bösen Mächten zum Opfer fällt. Aus irgendeinem Grund hat der Berggorilla seinen Genossen aus dem Flachland die Show gestohlen, denn um ihn dreht sich alles, während das Schicksal der östlichen und westlichen Flachlandgorillas relativ wenig Beachtung findet. Vielleicht liegt es an den imposanten, steilen Vulkanen, die sich zu mehreren tausend Metern erheben, an deren Flanken die imposanten Primaten in historischer Zeit abgedrängt wurden und hier eine besondere Unterart ausgebildet haben.

Ihr Entdecker kam aus Deutschland, Hauptmann von Beringe, nach dem sie ihren wissenschaftlichen Namen beringei tragen. Der Amerikaner Akeley jagte und präparierte sie für das Naturhistorische Museum in New York, und Schaller, ein Zoologe, war der Erste, der sie näher erforschte und sich ihnen annäherte, so dass er nach langen Mühen einen friedfertigen Kontakt zu ihnen herstellen konnte. Wirklich bahnbrechend waren dann die langjährigen Arbeiten von Dian Fossey, der es erstmalig gelang, ein vertrautes Verhältnis zu einigen von ihnen aufzubauen und über Jahrzehnte hinweg zu unterhalten.

Kongo [DRK], Ruanda und Uganda umfassen das Gebiet der Virunga-Gipfel, an deren inaktiven Vulkanhängen die Berggorillas ihren Lebensraum haben. Gleichzeitig ist es ein Spannungsgebiet zwischen verschiedenen Ethnien, Konkurrenz zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern um landwirtschaftliche Nutzflächen sowie der Nähe zu Abbaugebieten wertvoller Rohstoffe. Dies verweist die Arten- und Naturschutzbestrebungen auf einen schweren Stand, trotz der weltweit agierenden Lobby, die diese sogenannten Flaggschiffe des Artenschutzes tatkräftig zu retten versucht. Zum Glück sollen noch 380 Berggorillas in den Virunga-Bergen leben, und selbst von den in langen Jahren an Menschen gewöhnten Familienverbänden leben noch einige unter der Beobachtung von Primatenforschern. Zumindest in Ruanda und in Uganda ist der sogenannte Gorilla-Tourismus für zur Zeit 500 US-Dollar (Stand Mai 2009) pro Besuch auch wieder möglich und von den jeweiligen Regierungen willkommen, sind sie doch ein wirklich lukratives Geschäft für die zerrütteten Kassen dieser Länder.

Ein Zusammentreffen mit den schwarzen Riesen in ihrem Lebensraum ist immer ein imposantes Erlebnis. Diese tiefbraunen leuchtenden Augen, mit denen sie einen gutmütig taxieren, wirken so artverwandt und menschlich, dass sie einen sofort in ihren Bann ziehen. Allein schon das tiefe Schwarz des Fells im üppigen Blattgrün hebt sich so dramatisch ab, dass sie wie ein Magnet wirken, dessen Anziehung man sich nicht zu widersetzen vermag. Dieser Anblick der kompletten Friedlichkeit eines wilden Gorilla-Familienverbandes im Urwald versetzt einen nach der anfänglichen Aufregung in eine magische Ruhe der Harmonie, in die man verschmelzen möchte. Kein Wunder, dass ein solches Zusammentreffen einen lebenslangen, prägenden Eindruck hinterlässt.

Der Tagesablauf der Tiere geht nach festen Regeln vor sich. Morgens nach dem Aufstehen wird zu den meist nahe liegenden Plätzen gewandert, wo man die wohlschmeckende Nahrung wie Bambusschosse, Kräuter oder bestimmte Blätter von Sträuchern vorfindet, die man geruhsam in großen Mengen zu sich nimmt, bis man rund gefüllt ist, wonach das vegetarische Menu zu gären beginnt. Nun sind Stunden der Ruhe angesagt, während derer die ganze Familie, der Silberrücken und die zahlreichen kleineren Frauen und Jugendlichen samt der Kinderschar der Ruhe bedürfen. Man legt sich bevorzugt auf sonnigen Lichtungen gemütlich im Pflanzengrün zusammen, döst, pflegt sich gegenseitig das Fell, alles begleitet von immer wieder die Stille durchdringenden Pupsen. Diese Idylle wird belebt von den Gorilla-Kindern, die neugierig und verspielt der Langeweile zu entkommen versuchen, indem sie sich mit den "fremden Affen" beschäftigen, die mal wieder in ihre Nähe einen Besuch abstatten, gänzlich harmlos, aber immer neugierig auf das, was sich vor ihnen bewegt. Deutlich sieht man den Gorilla-Jungen an, wie sie versuchen, die Fremden herauszufordern.

Verblüffend ist diese völlige Arglosigkeit, mit der sich die Gorillas vor einem im Gras wälzen; alle Viere von sich strecken, um die warmen Sonnenstrahlen so richtig genießen zu können. Langsam werden sie wieder munter, und auf ein Zeichen des Familienoberhauptes setzt sich alles in Bewegung und folgt ihm im Gänsemarsch zu den Nahrungsgründen irgendwo im Bergwald, die er anstrebt; Gegen Abend bauen sich alle ihre Schlafnester in Bäumen und starken Büschen, je nach Schwere in unterschiedlichen Höhen, wo sie sich alsbald zur Ruhe legen. Ein im Grunde paradiesisches Abbild, das in sein brutales Gegenteil verkehrt wird, wenn marodierende Soldaten- oder Rebellentrupps auf Gorillas stoßen und Maschinengewehrsalven auf sie abfeuern oder Wilderer - ausgerüstet mit weniger "effizienten" Mordwaffen - sie qualvoll niedermetzeln.

Während in Ruanda und auch in Uganda der Gorilla-Tourismus boomt, ist er im Kongo weitgehend zusammengebrochen. Die riesigen Flüchtlingslager in der Nähe bei Goma gaben der Region ein surreales Bild, und der Mikeno, der seinen Gipfel wie einen spitzen Zacken hoch in den Himmel Afrikas weist, ist in seiner Umgebung zu einem Ort des Chaos geworden, in dem Naturschutz und Soldateska sich als unüberbrückbare Antipoden gegenüberstanden. Und dabei ist diese Region Zentralafrikas eine der schönsten und beeindruckendsten des ganzen Kontinents - gerade wegen seiner großen Vielfalt an Daseinsformen. Wie soll da der Sinn für die Schönheit der Natur und dem Wert, sie zu erhalten, aufkeimen, wo die Bevölkerung versucht, sich über Wasser zu halten und einigermaßen ein normales Leben führen zu können?

(*) Unser Autor besuchte in den 1990er Jahren mehrfach die Berggorillas der Virunga-Vulkane.


*


Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 72 Ausgabe 24 [1] Sommer 2009, S. 7-8
Herausgegeben vom Institut für angewandte Kulturforschung (ifak) e.V.
Redaktionsanschrift:
Malteserstraße 99k, 12249 Berlin
Telefon: 030/76 70 34 98, Fax: 030/76 70 34 99
E-Mail: redaktion@kritische-oekologie.de
Internet: www.ifak-goettingen.de

Abo (2 Hefte in Folge): privat ab 10 Euro,
Institutionen ab 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2009