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ATOM/1262: Radioaktive Abfälle der Erdgas- und Erdölindustrie in Bohrlöchern verklappt (BI Uelzen)


BürgerInneninitiative Umweltschutz Uelzen - Nordost-Niedersachsen, 25. September 2017

Radioaktive Abfälle der Erdgas- und Erdölindustrie ohne Einbindung der Öffentlichkeit in Bohrlöchern verklappt


Seit über vierzig Jahren wird in Deutschland über die sichere Lagerung von radioaktiven Abfällen diskutiert und gestritten. Der Öffentlichkeit ist weitgehend unbekannt, dass auch in der Erdgas- und Erdölindustrie radioaktive Stoffe anfallen. Mit Erdgas, Erdöl und salzigem Lagerstättenwasser werden giftige Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Cadmium usw.), Kohlenwasserstoffe (Benzol) und radioaktive Stoffe aus der Tiefe nach oben gefördert. Radioaktive Abfälle, welche eine spezifische Aktivität zwischen 0,5 und 500 Becquerel je Gramm (Bq/g) haben, wurden in Niedersachsen bis 2003 in Bohrlöchern verklappt. Dazu sagte ein Mitarbeiter des Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) vergangene Woche in Rotenburg/Wümme: "Wir haben keine Hinweise auf Undichtigkeiten." Und: "Ich bin mir sicher, dass in den nächsten 300 oder 500 Jahren nichts passiert." (Zitat aus Kreiszeitung Rotenburg [1])

Das kritisiert die Bürgerinitiative Umweltschutz Uelzen (BI Uelzen). "Neben den radioaktiven Abfällen wurden auch stark korrosives Quecksilber und Salze in die Bohrlöcher verfüllt. Wie lange bleiben die Bohrlöcher dicht? Wann kommen die gefährlichen Stoffe nach oben? Das ist verantwortungslos", sagt Bernd Ebeling, Sprecher der BI Uelzen. "Da neben diesem Umweltskandal noch viele Altlasten der Erdgas- und Erdölindustrie zu beseitigen sind, es erhöhte Krebsraten in einigen Förderregionen gibt, Erdbeben mit Gebäudeschäden durch die Erdgasförderung verursacht werden fordern wir die Einstellung dieser gefährlichen Energieerzeugung," so Bernd Ebeling weiter.

Die gefährlichen Abfälle wurden in Nordost-Niedersachsen an folgenden Orten billigst verklappt:

  • Landkreis Uelzen: bei Brambostel, Brockhöfe und Esterholz
  • Landkreis Lüneburg: bei Nahrendorf
  • Landkreis Heidekreis: bei Munster, Neuenkirchen und Soltau
  • Landkreis Lüchow-Dannenberg: bei Luckau, Volzendorf und Wustrow
  • Landkreis Gifhorn: bei Hankensbüttel, Hardesse, Oerrel und Wittingen
  • Landkreis Celle: bei Hohne, Hohnebostel und Nienhagen
Hintergrund:

Mit Erdgas, Erdöl und salzigem Lagerstättenwasser werden giftige Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Cadmium usw.), Kohlenwasserstoffe (Benzol) und radioaktive Stoffe aus der Tiefe nach oben gefördert werden. Dabei entstehen radioaktive Rückstände als Schlämme und verfestigte Ablagerungen (Scales) an. Radioaktive Schlämme fallen bei den verschiedenen Stufen der Aufbereitungs-, Reinigungs- und Produktionsprozesses an. Sie enthalten meist große Mengen Salzwasser, sogenanntes Lagerstättenwasser. Der Radionuklidgehalt der Schlämme geht auf den des mitgeförderten Lagerstättenwassers zurück, welches gelöste Salze aber auch Feststoffpartikel mit sich führt. Scales sind festhaftende Ablagerungen in Förderrohren (Tubinge) und Feldleitungen. Sie entstehen durch Ausfällungen und Ablagerungen sulfatischer Barium- und Strontiumverbindungen oder Blei aus Lagerstättenwasser. In Schlämmen und Scales kommt es vor allem zur Anreicherung von Ra-226, Ra-228 und Pb-210. Diese Anreicherung kann je nach Lagerstätte und Förderbohrung unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wegen des Gehaltes an Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen können Schlämme und Scales nicht ohne Vorbehandlung deponiert werden. Auch enthalten diese Schlämme mitunter sehr große Mengen Quecksilber (10 bis 15 %).

Nach Angaben des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) wurden in 103 Bohrungen gefährliche Abfälle bei der Verfüllung von Bohrlöchern verklappt. In Nordost-Niedersachsen waren das in den Landkreisen

Celle: 11 (+48) Bohrungen
Gifhorn: 31 Bohrungen
Heidekreis: 9 Bohrungen
Lüchow-Dannenberg: 10 Bohrungen
Lüneburg: 1 Bohrung
Uelzen: 3 Bohrungen

Die strahlenden und quecksilberhaltigen Abfälle wurden in sogenannte Rohrcontainer gefüllt, diese im Bohrloch abgesetzt. Unter der Annahme das in einen Rohrcontainer 300 kg radioaktives Material mit einer spezifischen Aktivität von max. 500 Bq/g eingefüllt wurden, beträgt die spezifische Gesamt-Aktivität eines solchen Rohrcontainers 150 MBq = 150.000.000 Bq je Rohrcontainer. Bisher gibt das LBEG für Niedersachsen 103 solcher Standorte an, weitere werden folgen. In anderen Bundesländern wurde ähnlich verantwortungslos verfahren. Im altmärkischen Erdgasfeld im nördlichen Sachsen-Anhalt sind bisher 12 Bohrungen bekannt, in welchen radioaktive Abfälle verklappt wurden. Teilweise wurden die gefährlichen Abfälle einfach dem Zement zugemischt und dann im Bohrloch verfüllt, ohne Rohrcontainer.

[1] Zitat oben im Text,Quelle: https://www.kreiszeitung.de/lokales/rotenburg/rotenburg-ort120515/landesbergamt-untersucht-abfaelle-alten-erdgas-foerderstraengen-bothel-8702196.html

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Quelle:
BürgerInneninitiative Umweltschutz Uelzen
Pressemitteilung, 25. September 2017
www.bi-uelzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2017

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