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ATOM/1001: Pleiten, Pech & Pannen - Immer neue Skandale um den Atommüll in der Asse (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Pleiten, Pech & Pannen
Immer neue Skandale um den Atommüll in der Asse

von Moritz Zackariat



Die Schachtanlage Asse II bei Wolfenbüttel ist ein ehemaliges Salzbergwerk, in dem im Zeitraum der Jahre 1965 bis 1995 die Endlagerung radioaktiver Abfälle erforscht wurde. Dieses Projekt sollte zeigen, ob Salzstöcke als Ort für eine sichere Endlagerung geeignet sind. Es war somit auch ein Vorläufer für das Zwischen- und Endlager in Gorleben, das auch in einem Salzstock in Niedersachsen liegt. Über die Jahre verteilt wurden circa 126.000 Fässer mit schwach bis mittel radioaktiven Abfällen unter die Erde gebracht. Was genau in den Fässern lagert, ist unklar. Das Vorhaben war das Erste seiner Art weltweit. Die Genehmigung erfolgte ohne nennenswerte Probleme. Ein Planfeststellungsverfahren war damals nicht nötig, was nach dem heutigen Atomrecht undenkbar wäre. Die Abfälle kommen aus kerntechnischen Anlagen sowie in geringen Mengen aus Forschung, Industrie und der Medizin. Die Mehrzahl der Fässer sind mit Filtern, Schrott, Flüssigkeiten, Schlämmen oder Mischabfällen befüllt. Die Hauptverursacher des Mülls sind laut Angaben des Betreibers, des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), die großen Energieversorger E.ON, Vattenfall, RWE und EnBW.

Grundproblem

Seit 1988 tritt Wasser in den Salzstock ein, und die Gefahr besteht, dass das Bergwerk samt Atommüll absäuft oder die Fässer beschädigt werden und dadurch das Grundwasser radioaktiv verunreinigt wird. Seit dem Auftreten der Komplikationen beläuft sich die Menge von einlaufendem Wasser zwar bei relativ konstanten 12.000 Kubikmeter pro Tag, allerdings ist es alles andere als sicher, dass dies so bleibt. Experten befürchten, das durch Klüfte im Salzstock laufende Wasser könne dort andauernd Salz ablaugen, dadurch könnte sich die eintretende Wassermenge zu jedem Zeitpunkt rasant vergrößern und die Betreiber vor unlösbare Aufgaben stellen. Die geschilderten Konsequenzen wären fatal. Der derzeitige Wasserzufluss wird aufgefangen und abgepumpt. Doch bei größeren Mengen wäre dies nicht mehr möglich und die Asse würde voll laufen, was die Instabilität des Salzstockes sowie die Erosion der Fässer deutlich beschleunigt.

Was war die Idee hinter der Asse?

Heute wird verleugnet, dass die Asse als Forschungsprojekt für andere Salzstöcke wie beispielsweise Gorleben oder sogar als Endlager für die Lagerung von Atommüll gedacht war. So beschrieb der damalige Bundesinnenminister und für das Umweltprogramm der Bundesregierung zuständige Hans-Dietrich Genscher: "Die Bundesrepublik Deutschland hat ... mit dem Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel ein Endlager geschaffen, das nach dem vollen Ausbau die bis zum Jahr 2000 anfallenden etwa 250.000 Kubikmeter radioaktive Rückstände sicher aufnehmen kann" (Umweltprogramm der Bundesregierung 1971, S.43). Dabei zeigen die akuten Probleme, dass ein Salzstock als sicherer Endlager-Standort ungeeignet ist. Und somit auch Gorleben aus der Endlagersuche ausgeschlossen werden müsste.

Betreiberprobleme

Der Skandal rund um die Asse drang 2008 nach Presseberichten über kontaminierte Salzlauge das erste Mal an die nationale Öffentlichkeit. Dem damaligen Betreiber, "Helmholtz Zentrum München", wurde vorgeworfen, die Aufsichtsbehörden unzureichend informiert zu haben. Dies wurde später amtlich bestätigt. Man hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass einer der Betreiber Herr über die Lage in dem Salzstock war. Wichtige Angaben wurden im Nachhinein korrigiert, die genaue Anzahl der abgelagerten Müllfässer war lange unklar. Damit wenigstens die Schließung nach dem für den Umgang mit Atomanlagen geltenden Bestimmungen durchgeführt wird, zu der unter anderem die Beteiligung der Öffentlichkeit an einem Planfeststellungsverfahren gehört, wurde im April 2007 die Klage auf Anwendung des Atomrechts eingereicht. Die bis dahin nach Bergrecht behandelte atomare Müllkippe wurde darauf ab dem 1. Januar 2009 dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unterstellt und Betrieb und Schließung fallen seit dem 29. Januar 2009 unter die Vorschriften des Atomgesetzes. Bei der Menge abgelagerten atomaren Abfalls erscheint es unglaublich, dass dies erst so spät geschah.

Schließungskonzepte

Das ursprüngliche Schließungskonzept sah vor, die Hohlräume im Bergwerk zu verfüllen und es somit mechanisch zu stabilisieren. Das Einblasen von Salzgrus führt zu einer Beruhigung des Gebirges, der dadurch geschaffene Gegendruck reicht allerdings nicht zur langzeitigen Stabilisierung des Salzstocks. Zudem sollte zum Abbau mechanischer Spannungen ein Schutzfluid eingebracht werden. Es sollten Strömungsbarrieren errichtet werden, die den Laugenfluss eindämmen. Dieses Konzept wurde der Öffentlichkeit als einzig fachmännisches Vorgehen verkauft. Doch nach Einwänden, die Flutung könnte radioaktive Stoffe lösen und diese könnten in das Grundwasser eintreten, wurde von dem Plan Abstand genommen. Ein weiterer Einwand gegen die Flutung lautet, der Zement, in dem viele Abfälle gebunden sind, könnte mit dem zulaufenden Wasser chemisch reagieren, Gas freisetzen und Druck aufbauen bis hin zum Risiko einer Explosion. Daher lautet die einzige, langfristig sichere Lösung die Rückholung der Abfälle. Allerdings geht das BfS von mindestens zehn Jahren bis zur Bergung der Fässer aus. Einige Experten bezweifeln sogar, ob die Rückholung möglich ist. Die Mission wird zu einem Wettlauf mit der Zeit, da der Schacht immer instabiler wird. Es wurde im Juni mit dem Anbohren einer Kammer begonnen, um an Informationen über den Zustand der Fässer zu gelangen. Dabei kam heraus, dass die Fässer am Anfang noch sauber gestapelt, jedoch später einfach nur noch abgekippt und eventuell schon bei der Einlagerung beschädigt wurden.

Wo ist Kammer Sieben?

Bei den Vorbereitungen für die Bergung der Fässer kam ein weiteres Problem zum Vorschein. Bei den Probebohrungen wurde die in den 1970er Jahren mit 4.356 Atommüllfässern befüllte Kammer 7 nicht dort gefunden, wo sie vermutet wurde. Eigentlich hätte der Bohrkopf bei etwa 24,50 Metern auf einen Hohlraum treffen müssen. Da dies nicht geschehen ist, wollen die Betreiber vorerst bis 28 Meter weiterbohren. Jens Köhler, der technische Geschäftsführer der Asse-GmbH, teilte mit, dass die tatsächliche Lage der Einlagerungskammer in den 1980er Jahren nicht so exakt dokumentiert worden sei, wie es heute üblich wäre. Außerdem könnte der Gebirgsdruck Hohlräume in der Kammer zugedrückt haben. Es ist unklar, was das für die Fässer bedeutet. Es ist davon auszugehen, dass uns das Thema Asse noch lange beschäftigen wird und dass mit den Vorbereitungen der Rückholung noch viele skandalöse Informationen zu Tage befördert werden. Bürgerinitiativen wie "aufpASSEn" halten den Druck auf die Politik aufrecht und begleiten die weiteren Vorgänge kritisch.

Weitere Informationen:
www.aufpassen.org
www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/asse1033.html
de.wikipedia.org/wiki/Schachtanlage_Asse

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013, S. 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2012