Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ABFALL

ATOM/991: Sieben-Stufen-Plan zum Umgang mit dem Atommüll-Deasaster (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 16 / Frühjahr 2012

Sieben-Stufen-Plan zum Umgang mit dem Atommüll-Deasaster

Ein Atommüll-Konsens ist nur möglich, wenn kein AKW mehr läuft - und wenn das Endlager-Vorhaben in Gorleben ein für alle Mal beendet wird. .ausgestrahlt erklärt, warum



Vorbemerkung:
Weltweit sind bisher alle Bemühungen zur dauerhaften sicheren Entsorgung von Atommüll gescheitert. Besonders desaströs gescheitert sind sie in Deutschland. Dafür stehen die Ortsnamen Morsleben, Asse und Gorleben. Alle Expertisen über die Sicherheit dieser Atommüll-Lager haben sich bisher als falsch herausgestellt. Trotzdem werden in neun Atomkraftwerken tagtäglich weitere radioaktive Abfälle produziert.
Für den bereits vorhandenen Atommüll braucht es natürlich auf Dauer die am wenigsten unsicheren Lagerungsmethoden und -orte. Aber um diese zu finden und um einen gesellschaftlichen Konsens darüber erzielen zu können, sind eine ganze Reihe von Voraussetzungen notwendig, die bisher nicht erfüllt sind.

• Stufe 1:
Keine weitere Produktion von Atommüll

Wenn die Badewanne überläuft, muss man zuerst den Hahn abdrehen, bevor man sich der Eingrenzung des Schadens widmen kann. Denn solange sich mit dem Betrieb von AKW noch viel Geld verdienen lässt, wird es aller Erfahrung nach keine ehrliche und auf die größtmögliche Sicherheit bezogene Entsorgungsdebatte geben. Und damit auch keinen gesellschaftlichen Konsens über den Umgang mit dem vorhandenen Atommüll. Die Risiken des am wenigsten schlechten Atommülllagers sind nur dann hinnehmbar, wenn es nicht zur Legitimation weiterer Atommüll-Produktion missbraucht werden kann. Wer mit drei Autos mit defekten Bremsen zum TÜV kommt, bekommt nicht für den am wenigsten defekten PKW die Plakette, sondern gar keine. Diese Regel kann für Atommüll-Lager nur dann gebrochen werden, wenn die AKW stillgelegt sind.

• Stufe 2:
Aus für das Endlagerprojekt Gorleben

Der Standort Gorleben ist sowohl geologisch als auch politisch verbrannt. 35 Jahre lang haben Regierungen und Behörden immer wieder getrickst und getäuscht, um den maroden Salzstock im Rennen zu halten - trotz Kontakt zum Grundwasser, trotz Gaseinschlüssen und Wasserwegsamkeiten. Gorleben wurde nie nach geologischen Gesichtspunkten ausgewählt, Sicherheitskriterien immer wieder an die Mängel des Salzstocks angepasst. 1,6 Milliarden Euro sind in seinen Ausbau geflossen. Bleibt er im Rennen, wird es immer starke Kräfte geben, die Gorleben alleine deswegen favorisieren - egal, wie es geologisch dort aussieht. Eine sachliche Debatte über die am wenigsten schlechte Lagermethode und Standort ist so unmöglich.

• Stufe 3:
Fehler der Vergangenheit aufarbeiten

Namhafte Experten haben über Jahrzehnte behauptet, die Endlager Morsleben und Asse seien auf Dauer sicher. Heute wissen wir, dass sie sich fatal geirrt haben: Morsleben stürzt ein, die Asse säuft ab. Bisher haben die Wissenschaftler nicht aufgearbeitet, warum ihnen diese Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Wer aber die Fehler der Vergangenheit nicht erkennt, läuft Gefahr, sie in Zukunft zu wiederholen. Gleiches gilt für die politisch Verantwortlichen, deren wesentliche Entscheidungen in der Atommüll-Frage sich im Nachhinein als große Fehler erwiesen haben.

• Stufe 4:
Auswahlverfahren entwickeln

Nach Aufarbeitung der Fehler aus der Vergangenheit gilt es, ein Verfahren zu entwickeln, wie eine breite gesellschaftliche Debatte über die Atommüll-Entsorgung so organisiert werden kann, dass sie möglichst transparent und partizipativ abläuft. Bürgerbeteiligung bedeutet nicht nur, seine Meinung äußern zu dürfen, sondern mitbestimmen zu können.

• Stufe 5:
Lagermethode klären

Oberirdisch oder unterirdisch? Rückholbar, bergbar oder für immer verschlossen? Die verschiedenen Lagerkonzepte für Atommüll mit ihren Vor- und Nachteilen müssen auf den Prüfstand. Am Ende dieses Diskussionsprozesses muss dann eine gesellschaftlich breit getragene Entscheidung zur Methode stehen.

• Stufe 6:
Kriterien für die Standortsuche entwickeln

Für die ausgewählte Lagermethode müssen standortunabhängig Kriterien entwickelt werden, die erfüllt sein müssen, damit ein Standort in die Wahl kommt.

• Stufe 7:
Standorte benennen und untersuchen

Erst wenn Lagermethode, Kriterien und gesellschaftliches Auswahlverfahren - also Stufe 4, 5, und 6 feststehen, macht es Sinn, sich auf Standortsuche zu machen. Wenn dagegen jetzt zur Debatte steht, dass einige Bundesländer zusätzlich zu Gorleben bereits heute oder in den nächsten Jahren mögliche Standorte benennen, dann passiert der gleiche Fehler wie vor 35 Jahren noch einmal: Die Kriterien würden an die Standorte angepasst und nicht die Standorte anhand neutraler Kriterien bewertet.

*

Quelle:
Rundbrief 16, Frühjahr 2012, Seite 3
Herausgeber: .ausgestrahlt
Normannenweg 17-21, 20537 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2012