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ABWASSER/265: Hygiene kommt an - Mit Ökotoiletten gegen Gestank und Nährstoffverlust (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 196 - Februar/März 2017
Die Berliner Umweltzeitung

Hygiene kommt an

Mit Ökotoiletten gegen Gestank und Nährstoffverlust

von Jörg Parsiegla


Sommer, Sonne, Musik, gute Laune, ausgelassene Menschen ... und: übelste Gerüche aus Richtung der Toiletten-Stellfläche. Das Aroma setzt sich aus einer satten Herznote von Fäkalien und einer Kopfnote von undefinierbarer Chemie zusammen. Ganz klar, wir haben es mit einem Open-Air-Event, einem Festival zu tun. Es ist nicht genau bekannt, ob es diese Urerfahrung oder doch eher ihre "Erweckungsreise" - mit dem Fahrrad - nach Indien war, die Thomas Jakel, Kevin Kuhn und Sven Riesbeck vor vier Jahren zu den Gründern der EcoToiletten GmbH Berlin werden ließ. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem: "Unsere Mission ist, die Toilettenlandschaft in Deutschland zu transformieren und für alle Beteiligten angenehmer zu gestalten", sagt Kuhn. "Darüber hinaus verfolgen wir auch einen sozialen Ansatz, denn ein Teil unseres Gewinns fließt in Projekte zur Verbesserung der sanitären Versorgung in Indien", ergänzt Jakel.

Die Komposttoiletten der drei Firmengründer benötigen kein Wasser und keine Chemie - und werden dort zur umweltschonenden Klo-Alternative, wo es keinen Wasseranschluss gibt und damit zwangsläufig Hygiene ein Thema ist. Üblicherweise ist eine Kompostoder auch Trockentoilette eine Toilette, die ohne Wasserspülung auskommt. Die Fäkalien werden direkt in einen mit Rindenmulch oder Stroh gefüllten Behälter geleitet und dort kompostiert.

In Örtlichkeiten, die nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen sind, ist die Komposttoilette eine vergleichsweise geruchsarme, preiswerte und ökologische Alternative zur Chemietoilette oder zum einfachen Plumpsklo. Das fehlende Wasser zum Nachspülen hat Methode, da der Kompost nicht zu feucht werden darf. Denn die Ausscheidungen werden biologisch nutzbringend als Kompost-Dünger verwertet.

Sägespäne und Bambus-Toilettenpapier

Durch das EcoToiletten-Konzept zieht sich konsequent ein grüner Faden. Das fängt bei den Materialien, die für den Bau der Toiletten verwendet werden, an, setzt sich über die Sägespäne, die als Streuschicht unangenehme Gerüche verhindern, sowie die ökologischen Reinigungsmittel und das naturbelassene Bambus-Toilettenpapier fort und endet beim Ergebnis des Kompostierungsprozesses: dem nährstoffreichen Humus, der in Zukunft an Gartenbesitzer und Landwirte verkauft werden soll. Vom Design her müssen die Toiletten einfach auf- und abbaubar sein, denn sie werden sowohl tage- als auch wochen- oder monatsweise vermietet. Außerdem kümmert sich das Unternehmen um den Transport, die Reinigung und die Leerung der Toiletten. Und selbstverständlich werden die Kabinen am Veranstaltungsort regelmäßig mit Toilettenpapier, Desinfektionsspray und Streumaterial nachbefüllt.

Komposttoiletten haben ihren Ursprung übrigens in Skandinavien. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte, des harten Granitbodens in weiten Landesteilen und der Kälte gibt es dort Probleme mit Wasserspültoiletten. Deshalb sind dort seit etwa 40 Jahren moderne Trockentoilettensysteme nicht nur als öffentliche Toiletten, sondern auch für Haushalte gang und gäbe.

Aus Scheiße Gold?

Angesprochen auf ihr Geschäftsmodell, müssen sich die Gründer des Unternehmens oft die Unterstellung gefallen lassen, sie würden - salopp formuliert - aus Scheiße Gold machen. Jakel hierzu: "Wir wünschten, das träfe zu, so weit sind wir aber noch nicht. Für den Verkauf des Komposts aus den Fäkalien ist die rechtliche Situation in Deutschland augenblicklich unklar. Im Moment geht es uns wirklich nur darum, das Material zu kompostieren und nicht mit Wasser zu vermischen." Zurzeit kooperiert das Unternehmen mit einem Viehhalter, der das Material bis zu einer Verwendung separat zwischenlagert. Bis zur Klärung der Rechtslage ist eine Verwendung für den Anbau von Energiepflanzen denkbar. Damit könnten dem Boden wichtige Nährstoffe zurückgegeben werden. Aber natürlich wolle man den Kompost langfristig auch verkaufen können, betont Jakel. Aktuell werde nur Geld mit der Vermietung der Komposttoiletten verdient.

Mittlerweile betreibt das EcoToiletten-Team deutschlandweit über 300 mobile Öko-Toiletten, darunter zahlreiche Langzeitanmietungen wie zum Beispiel auf der IGA-Baustelle in Marzahn. Die derzeit fünf Exemplare in Lichtenberg (unter anderem an der Rummelsburger Bucht und im Landschaftspark Herzberge) wurden 2016 vom Bezirk gekauft. Auch andere Berliner Bezirke müssen demnächst, was den Bedarf an öffentlichen Toiletten angeht, handeln. Denn der Senat hat die Verträge für Werbung im öffentlichen Straßenland gekündigt und will sie neu ausschreiben. Davon betroffen sind unter anderem auch die über 170 Wall-City-Toiletten. Für sie laufen die Verträge Ende 2018 aus.

Go West und Black Metal

Das vergangene Jahr war für das junge Unternehmen auch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Neben seinem Hauptstandort in Berlin betreibt es seit April 2016 auch in Nordrhein-Westfalen (Wuppertal) und in Baden-Württemberg (Stuttgart) Firmenableger. Der Start erfolgte mit der Vermietung von Ökotoiletten für Festivals, Tagesveranstaltungen und Baustellen. Durch alle drei Standorte einschließlich Berlin erreicht der Mietservice, ausgehend von einer Fahrtzeit von einer Stunde, über 20 Millionen potenzielle Nutzer. Außerdem können so auch Großveranstaltungen in fast ganz West- und Süddeutschland beliefert werden.

Da verwundert es nicht, dass die Bilanz für 2016 überaus positiv ausfällt. Über 225 Veranstaltungen wurden durch die EcoToiletten GmbH beliefert. Darunter waren Events von Nordfriesland bis nach Österreich und von der belgischen Grenze bis nach Polen. Das Spektrum der Veranstaltungen reichte von Zeltlagern über Elektrofestivals, Klassikkonzerte, Black-Metal-Festivals, den Karneval der Kulturen und den Christopher Street Day bis hin zu Mittelaltermärkten und Events kleineren Formats. Besonders in Ostdeutschland habe man den Kundenstamm mit knapp 30 Festivals und über 100 kleineren Tagesveranstaltungen ausbauen können, freuen sich die Firmenchefs. Auch an den neuen Standorten sei der Start mit insgesamt 80 Veranstaltungen zufriedenstellend gewesen.

Der überwiegende Teil der Veranstaltungen konnte dabei komplett mit Ökotoiletten beliefert werden, darunter - um einmal die Größenordnung zu verdeutlichen - das mit 182 georderten Einheiten für den Berliner Standort wichtigste "Feel Festival" in Bergheide südlich von Potsdam. Da vorher keines der großen Festivals Ökotoiletten nutzte, gehen die jungen Unternehmer davon aus, dass die Veranstaltungsszene in Zukunft komplett auf Ökotoiletten umschwenkt.

Social Business und Trockenspülung

Nach wie vor bewegt Jakel, Kuhn und Riesbeck, dass etwa 2,6 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu vernünftigen Sanitäranlagen haben. Im Rahmen von Social Business möchten sie Verantwortung übernehmen und sich weiter zusammen mit dem Non-Water Sanitation e.V. und der German Toilet Organization für den Bau von Trocken-Trenn-Toiletten und Hygieneaufklärung in Indien und anderen Ländern einsetzen.

Daheim wollen die drei ihre Erfindung weiter perfektionieren und verbreiten. "Gerade entwickeln wir mit den Spänen eine Trockenspülung", meint Kuhn. In naher Zukunft sei geplant, auch in Bangladesch ein ÖkoToiletten-Projekt aufzubauen, so der Geschäftsführer. "Wir stehen gerade erst am Anfang."

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 196, Seite 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2017

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