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ABWASSER/253: What2flush? ISO-Normung für toilettengeeignete Faserstoffe (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1032, vom 09. Febr. 2014, 33. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

What2flush? ISO-Normung für toilettengeeignete Faserstoffe:



Windeln, Putzlappen, Reinigungstücher, Flies- und Faserstoffe, Binden und andere Hygieneprodukte lassen sich (vermeintlich) am einfachsten über die Toilette entsorgen - und verstopfen dann meistens schon die Abwasserrohre im Haus. Was trotzdem noch in die Kanalisation geschwemmt wird, verstopft dort die Abwasserpumpen. Für Kanada wird geschätzt, dass durch Verstopfungen und Schäden an Pumpen durch Faserstoffe Kosten von 250 Mio. Dollar im Jahr entstehen. Und bei den Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten sind die Kanalarbeiter außerdem durch pathogene Bakterien und Viren gefährdet. Ferner entstehen Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit, mit der die Abwasserbetriebe die Nutzer über die Schädlichkeit der Entsorgung von Wischlappen, Windeln und Faserstoffprodukten (aber auch von Fetten und Ölen) via Toilette aufzuklären versuchen (siehe Kasten).

In der Internationalen Standardisierungs-Organisation (ISO) läuft derzeit eine Abstimmung unter den ISO-Mitgliedsländern, ob man ein Anforderungsprofil für Faserstoffe erarbeiten soll, die ohne Schäden in der Hausinstallationen sowie in der Kanalisation und in der Kläranlage über die Toilette entsorgt werden können ("Technical Specifications for flushable products"). Die Verbände der Hersteller von Faserstoffen in den USA und Europa haben bereits einen Leitfaden zur Prüfung der Entsorgungsfähigkeit dieser Produkte über die Toilette publiziert ("Guidelines for Assessing the Flushability of Disposable Nonwoven Products, A Process for Assessing the Compatibility of Disposable Nonwoven Products with Plumbing and Wastewater Infrastructure"). Auch das Water Industry Research (WIR) in Großbritannien hat einen Leitfaden veröffentlicht ("UKWIR Test Protocol to Determine the Flushability of Disposable Products"). Allerdings ist die Anwendung dieser Leitlinien rein freiwillig. Zudem gibt es keine unabhängige Zertifizierung, ob die Produkte die Anforderungen aus diesen Leitfäden auch tatsächlich erfüllen. Das neue ISO-Normungsvorhaben strebt an, dass Produkte, die geprüfter Maßen ohne Schadwirkung über die Toilette entsorgt werden können, mit einem Label versehen werden sollten. Alle ungeeigneten Produkte sollen demgegenüber als "non-flushable" ausgezeichnet werden. Die Befürworter des Projektes argumentieren, dass ein weltweit anwendbarer Standard für schadlos toilettengängige Produkte den Abwasserbetrieben künftig das Leben einfacher machen könnte.

Weitere Auskunft zu dem vorgeschlagenen ISO-Standard:
DIN Deutsches Institut für Normung e. V. -
Normenausschuss Wasserwesen, Berlin
Dipl.-Ing. Jeannette Bernard
Projektmanagerin
E-Mail: jeannette.bernard@din.de


Was Faserstoffe in der Kanalisation anrichten
Welcher Aufwand in nordamerikanischen Abwasserbetrieben durch non-flushable Produkte entsteht, wird unter folgenden Links verdeutlicht: [1],[2],[3]
Als ein Beispiel für Aufklärungsarbeit wird in dem ISO-Vorschlag auf den Orange County Sanitation District, California USA, www.What2Flush.com, 2013 verwiesen.

Windeln und Binden aus Altenheim verstopfen Kanäle im Saarland

Nicht nur in Nordamerika (siehe vorstehende Notiz), sondern auch in Deutschland, werden Faserstoffe zunehmend zu einem Ärgernis für die Abwasserbetriebe (s. RUNDBR. 990/1): Zuletzt wurden wir auf das Problem durch einen Artikel in der SAARBRÜCKER ZEITUNG vom 18.01.14 aufmerksam. Die Zeitung berichtete, dass "seit längerer Zeit Putzlappen, Windeln und Monatsbinden die Abwasserkanäle der Stadt St. Wendel" verstopfen würden. In einem Kanalstrang mit mehreren Pumpwerken hätte man immer wieder "zuhauf Hygieneartikel gefunden, die zu erheblichen Funktionsstörungen in den Pumpwerken geführt" hätten. Der Werkleiter des Abwasserwerkes würde davon ausgehen, dass Windeln und Binden, die die Pumpen verstopfen "aus dem Altenheim stammen". Der Werkleiter habe der Zeitung erklärt, "dass faserige Störenfriede wie Putzlappen aber auch Wegwerfwindeln, Ohrenstäbchen oder Artikel der Monatshygiene sich verklumpen und die Pumpen, die ein relativ enges Spaltmaß besitzen, zum Stehen bringen."

Die Beseitigung der Störungen in den Pumpwerken sei "sehr zeit- und kostenintensiv". Das Abwasserwerk der Stadt St. Wendel weise nun darauf hin, "dass es, nach Paragraf 5 der Satzung der Kreisstadt St. Wendel, nicht erlaubt sei Stoffe, die den Abwasserkanal verstopfen könnten, über die Toilette zu beseitigen. Für die ordnungsgemäße Nutzung der öffentlichen Abwasseranlage haben Grundstückseigentümer und Benutzer zu sorgen". Sollte es auch weiterhin zur windelbedingten Blockade der Pumpen kommen, wolle das Abwasserwerk zum definitiven Beweis der Herkunft der Windeln und Binden eine Kanalinspektion durchführen. Mit einer Kamera, die durch den Kanal geführt wird, könne dann herausgefunden werden, an welcher Stelle die Störstoffe in die Kanalisation geschwemmt werden. "Die Kosten müssen dann vom Verursacher getragen werden."


Verzopfung: Feuchttücher-Attacke auf Pumpwerke

Auf der Kläranlage Schillig des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands würden Feuchttücher den Klärwärtern "den Schweiß auf die Stirn" treiben, berichtete die NORDWESTZEITUNG am 02.09.12: "Ins Toilettenbecken geworfen, gelangen sie durch die Abwasserrohre zu den Pumpen und in die Rechenanlage - und verstopfen sowohl den Kanal als auch die Pumpen und die Rechen." Die ölgetränkten Hygienetücher würden sich im Gegensatz zu Toilettenpapier nicht auflösen, so die Klage des Klärwärters. Die Feuchttücher würden sich zu einem Zopf verschlingen, "der alles umwickelt - und im schlechtesten Fall die Pumpe stilllegt". Die Zeitung berichtete weiter: "Nicht einmal mit der Muskelkraft von Klärwärtern lässt sich die zähe Masse aus der Pumpe entfernen. Zur Reinigung muss die Pumpe komplett auseinandergebaut werden - wenn sie die Feuchttücher-Attacke überhaupt schadlos überstanden hat."


Teure Kanalspülung wegen pinker Putzlappen

Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu "Verzopfungen" durch Faserstoffe in den Pumpen von Abwasserbetrieben. So berichtete die THURGAUER ZEITUNG am 06. Juli 2013, dass der Betreiber der kommunalen Kläranlage "Oberes Murgtal" eine Firma ausfindig machen konnte, von der Putzlappen ins Abwassersystem gelangt waren. Das sei zwar nicht mutwillig erfolgt, "trotzdem muss die fehlbare Firma dafür bezahlen". Auf der Kläranlage (Abwasserreinigungsanlage - ARA) habe man bemerkt, dass innerhalb weniger Wochen rund 40 Putzlappen angeschwemmt wurden.

"Und weil bereits ein einziger dieser angespülten Putzlappen eine Verstopfung der Abwasserreinigungsanlage verursachen und die teuren Pumpen der Kläranlage beschädigen kann, machte sich Klärmeister Zbinden auf die Suche, woher diese Putzlappen kommen."

Wie der Klärmeister Hansueli Zbinden der Herkunft der Putzlappen auf die Spur kam, schilderte die Zeitung: "Zbinden entdeckte an den pinken Waschlappen aus Mikrofasern eine aufgenähte Etikette inklusive Chip. Er recherchierte im Internet und konnte so ausfindig machen, woher die Lappen den Weg übers Abwasser in seine Kläranlage finden: von einem Unternehmen im Einzugsgebiet der ARA. Zbinden ging persönlich zu der betroffenen Firma und suchte das Gespräch."

Die Firma habe daraufhin interne Untersuchungen angestellt. Dabei habe sich herausgestellt, "dass eine Fehlkonstruktion an einer Maschine der Ursprung des Übels" gewesen sei: "Denn von einer industriellen Waschanlage, die laufend Hunderte von Putzlappen reinigt, gelangten offensichtlich unbemerkt immer wieder einzelne Stücke ins Abwasser, aus dem sie schließlich Klärmeister Zbinden herausfischte."

Weil entgegen erster Vermutungen die Einleitung der Putzlappen in die Kanalisation nicht absichtlich erfolgt war, habe man auf eine Anzeige ("Verzeigung") gegen die Firma verzichtet.

"Grundsätzlich handle es sich beim «Einleiten von Fremdstoffen in die Kanalisation» laut Gesetz aber um ein Offizialdelikt, und dieses kann eine Verzeigung bei den Behörden zur Folge haben", erklärte die Zeitung die Rechtslage. Nachdem die Firma die Ausschwemmung von Putzlappen abgestellt hatte, musste der Abwasserbetrieb eine Kanalspülung durchführen.

"Denn nur so können die betroffenen drei Kilometer Kanalisation von allenfalls noch in den Rohren steckenden Putzlappen befreit werden. Gemäss einer Schätzung von Klärmeister Zbinden dürften sich die Kosten dieser Kanalspülung auf rund 8000 Franken [etwa 6.000 Euro] belaufen." Einen großen Teil davon müsse der Putzlappeneinleiter übernehmen: Erst nach dieser Kanalreinigung sei die Gefahr ganz gebannt, dass einer der pinken Putzlappen den künftigen Betrieb der ARA Oberes Murgtal durch eine Verstopfung oder durch die Beschädigung einer Pumpe beeinträchtigt.


[1] http://www.cbc.ca/news/canada/flushable-wipes-blamed-for-clogging-sewage-systems-1.2499631
    (mit einem mit Autowerbung garnierten Video)
[2] http://www.consumerreports.org/cro/news/2013/12/think-twice-about-flushing-wet-wipes/index.htm
[3] http://bc.ctvnews.ca/are-flushable-wipes-really-flushable-1.1612263

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1032
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2014