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ABWASSER/223: Darf & kann man Abwasserverbänden Kleinkläranlagen anvertrauen? (BBU-WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 937 vom 08. Jan. 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Darf und kann man Abwasserverbänden Kleinkläranlagen anvertrauen?


Die meisten Kleinkläranlagen haben immer noch lausig schlechte Reinigungsgrade. Dies rührt zum einen daher, dass sie in vielen Fällen keine biologische Reinigungsstufe haben. Zum anderen fehlen vielen Betreibern bei der Wartung der Anlagen das Engagement und das Verantwortungsbewusstsein, das die "Nutzwasser-Enthusiasten" an den Tag legen. NIKOLAUS GEILER vom Ak Wasser im BBU hat deshalb in seinem Diskussionsvorschlag "Dezentralisierung und kreislauforientierte Abwasserentsorgung - eine Perspektive für die ostdeutsche Wasserwirtschaft?" (s. RUNDBR. 912/3) den Vorschlag unterbreitet, Bau und Betrieb von Kleinkläranlagen in die Regie von Abwasserverbänden zu übergeben. Wenn die Abwässerverbände mit ihrem Know how in einem "Rund-um-Sorglos-Paket" Bauüberwachung, Wartung und Kontrolle übernehmen, sei eher gewährleistet, dass die Kleinkläranlagen mit exzellenten Reinigungsgraden glänzen könnten (s. auch RUNDBR. 877/1). Gegen diesen Vorschlag wurde zwischenzeitlich in der ostdeutschen Abwasserszene massiver Protest formuliert - beispielsweise heißt es in einer Stellungnahme aus Brandenburg:

"Mit der Behauptung, dass die Restbelastung (der Natur!?) aus Kleinkläranlagen größer ist als aus zentralen Kläranlagen erzählen Sie eine Geschichte, die von der Wassermafia als für ganz Deutschland geltend verbreitet wird und mir scheint, dass selbst Herr GEILER dieses Märchen glaubt. Tatsache ist, dass die Belastung aus Kleinkläranlagen immer nur behauptet, nie bewiesen wird."

Der Verweis auf die schlechte Reinigungsleistung vieler Hauskläranlagen wird in einer weiteren Stellungnahme als "unhaltbare und unverantwortliche Falschaussage" gebrandmarkt. Eingewandt wurde ferner, dass mit der Mär von der schlechten Reinigungswirkung vieler Kleinkläranlagen "erneut ein Klischee der Aufgabenträger" (also der Abwasserzweckverbände) bedient würde,

"die - wenn sie schon nicht kanalisieren können - trotzdem die Kontrolle über alles sog. Abwasser ausüben wollen. Natürlich geht es denen nicht um die Natur, sondern allein um die ,weitere Verbesserung ihrer Einnahmesituation' Dafür haben sie das ,Know how' und entwickeln es immer weiter." Der Vorschlag, Bau und Betrieb von Kleinkläranlagen gfs. der Regie von Abwasserzweckverbänden zu übergeben, sei "eine Anbiederung an die Strukturen der Macht".


Abwasserverbände denken zentral und planen teuer

Misstrauen gegenüber der Fähigkeit der ostdeutschen Abwasserzweckverbände zur Planung dezentraler Entsorgungs- bzw. Verwertungskonzepte formulierte auch Prof. Dr.-Ing. HELMUT LÖFFLER auf dem 54. Treffen sächsischer Abwasserinitiativen am 2. Dezember 2009 in Dresden (s. RUNDBR. 933/1). In Sachsen sind die Aufgabenträger (also abwasserbeseitigungspflichtige Kommunen bzw. Zweckverbände) von der Dresdener Landesregierung inzwischen angewiesen worden, Gemeindeareale auszuweisen, die für eine zentrale Abwasserentsorgung nicht mehr in Frage kommen. In diesen Ortsteilen müssen Konzepte für eine dezentrale Abwasserreinigung aufgestellt werden. Prof. LÖFFLER mit seiner inzwischen jahrzehntelangen Erfahrung bei der Erstellung dezentraler Konzepte (s. 896/1-3) stellte in Frage, ob die Bürger bei Planung, Bau und Betrieb tatsächlich gut von den Zweckverbänden beraten würden. Bei ihren Planungsaufgaben würden sich die Zweckverbände mangels eigenen Know hows auf große Planungsbüros und französische Umweltdienstleistungskonzerne verlassen. "Und die planen teuer!" Preisgünstige Gruppenlösungen kämen regelmäßig zu kurz. Und wenn Gruppenlösungen berücksichtigt werden, würden sie unsinnig teuer konzipiert - insbesondere weil die Kanäle im öffentlichen Straßenraum verbuddelt würden. Und das sei ungleich teurer, als wenn man die Anschlussrohre durch die Gartengrundstücke verlegen würde. Für die preisgünstige Verlegung der Rohre über die Privatgrundstücke müsse man aber mit den Betroffenen reden und ihnen erklären, dass sie damit viel Geld sparen können. "Die Trasse muss man aushandeln!" Für die dazu notwendige Moderation fehle den Verbänden jedoch jegliches Gespür. Fazit: "In der Planung bleibt die vergleichsweise teure Einzelanlage übrig." Festgestellt wurde in Dresden auch, dass einige "Aufgabenträger" die Erstellung von Abwasserbeseitigungskonzepten verschleppt hätten (siehe nächste Notiz). Ein Ministeriumsvertreter auf dem 54. BI-Treffen: "Da haben wir wenig Verständnis für." Das Grundproblem scheint aber zu sein, dass es den Zweckverbänden und den kommunalen Aufgabenträgern gleichermaßen am Wissen wie am Willen fehlt, überhaupt sinnvolle Konzepte zur dezentralen Abwasserreinigung erstellen zu können. Immer noch befangen im zentralen Rohrdenken sind die Zweckverbände mental einfach nicht darauf geeicht, im Dialog mit den BürgerInnen optimale Kleinkäranlagenkonzepte zu planen.


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Sachsen: No-Go-Areas für den zentralen Kanal

Als erstes ostdeutsches Bundesland hatte Sachsen mehr Freiraum für dezentrale Lösungen bei der Abwasserreinigung eröffnet. Im so genannten "Paragraph-9-Erlass" hatte das sächsische Umweltministerium am 28.09.07 nach § 9 Sächsischem Wassergesetz Grundsätze für die Abwasserbeseitigung im Freistaat Sachsen für den Zeitraum 2007 bis 2015 formuliert. Danach waren die Aufgabenträger angewiesen, bis zum 30.06.08 in Abwasserbeseitigungskonzepten (ABK) die Gemeindeareale auszuweisen, die für eine zentrale Abwasserentsorgung nicht mehr in Frage kommen (s. RUNDBR. 896/1). Bis zum Nov. 09 hatten von 212 Aufgabenträgern 202 ihre Abwasserbeseitigungskonzepte vorgelegt. Von den Oberen Wasserbehörden waren bis zum Nov. 09 allerdings erst 93 Konzepte bestätigt worden. 81 Konzepte mussten wegen schwerwiegender Mängel zur Überarbeitung an die Aufgabenträger zurück geschickt werden. Dass zehn Aufgabenträger noch gar keine Konzepte vorgelegt haben, ist fatal: Staatliche Zuschüsse für den Neubau bzw. die Aufrüstung von Kleinkläranlagen gibt es nur dann, wenn der Aufgabenträger ein Konzept vorzuweisen hat. 600.000 EinwohnerInnen von 4,3 Mio. Einwohnern (E) verfügten 2006/2007 in Sachsen noch nicht über ordnungsgemäße Abwasseranlagen. Für mehrere 100.000 Einwohner müssen bis spätestens 2015 neue Kleinkläranlagen gebaut oder vorhandene Hauskläranlagen auf den Stand der Technik aufgerüstet werden. Zwar wird immer wieder kolportiert, dass die »Fristsetzung 2015« den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) entsprechen würde. Die WRRL hat mit dem Kleinkläranlagenbau aber fast nichts zu tun. Die WRRL bezieht sich auf die EG-Kommunalabwasserrichtlinie, die wiederum vorschreibt, dass Orte bzw. Ortsteile mit über 2.000 EinwohnerInnen bis spätestens 2005 hätten kanalisiert sein müssen. Die Auseinandersetzungen in Ostdeutschland betreffen aber größtenteils Orte und Ortsteile mit deutlich unter 2.000 Einwohnern! Tatsächlich geht die »Fristsetzung 31.12.2015« auf die "Sächsische Kleinkläranlagen-Verordnung" vom 19.06.07 zurück. Dass Kleineinleitungen bis zum 31.12.2015 dem Stand der Technik nach § 7a Wasser-haushaltsgesetz (WHG) entsprechen müssen, wird auch in entsprechenden Verordnungen der anderen Bundesländer bestimmt. § 7a WHG bestimmt wiederum in Abs. 3, dass bei Einleitungen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, die Länder sicherstellen müssen, "dass die erforderlichen Maßnahmen in angemessenen Fristen durchgeführt werden".


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 937/2010
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2010