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TIERVERSUCH/679: Affen in der Giftigkeitsprüfung (tierrechte)


tierrechte 1.16 - Nr. 74, März 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Affen in der Giftigkeitsprüfung


Sie werden fließbandartig für die Zulassung und Vermarktung von Produkten durchgeführt: Tests an Affen, die unter dem Oberbegriff "Regulatorische Zwecke und Routineproduktion" zusammengefasst werden. Lesen Sie, warum die meisten in Tierversuchen eingesetzten Affen in diesen Routinetests sterben.


Das Auftragslabor des multinationalen Unternehmens Covance im westfälischen Münster erreichte dadurch 2003 traurige Berühmtheit. Undercover-Aufnahmen enthüllten die Leiden der Tiere. Das Labor führt hauptsächlich Arzneimitteltests im Bereich der Reproduktionstoxikologie durch. Hierzu werden die Testsubstanzen trächtigen Affen verabreicht, um Missbildungen der Nachkommen und erbgutschädigende Auswirkungen festzustellen. Auf den folgenden zwei Seiten geben wir einen Überblick über die regulatorischen Tests, die durch diverse Prüfvorschriften rechtsverbindlich vorgeschrieben sind.


Welche Arten von Affen werden verwendet?

Für Giftigkeitsprüfungen werden am häufigsten Javaneraffen, gefolgt von Marmosetten, vereinzelt auch Tamarine und Rhesusaffen eingesetzt. Javaner- und Rhesusaffen, Paviane und Menschenaffen werden als Altweltaffen bezeichnet, weil sie aus der "alten Welt" (Afrika, Asien, Europa) stammen. Marmosetten und Tamarine dagegen sind Neuweltaffen (aus Süd- und Mittelamerika). Gelegentlich werden auch Halbaffen (z.B. Mausmakis) aus Madagaskar verwendet. Für die Grundlagenforschung kommen hin und wieder Paviane in den Versuch. Menschenaffen - hier geht es ausschließlich um Schimpansen - werden in Deutschland seit 1991 zwar nicht mehr verwendet. Doch anders als die Niederlande, Österreich, Schweden und Neuseeland hat Deutschland Versuche an Menschenaffen nicht verboten. In den USA dürfen seit September 2015 invasive Versuche an Schimpansen nicht mehr durchgeführt werden.


Wie viele Affen werden eingesetzt?

Die neuen Bestimmungen der EU-Tierversuchsrichtlinie 2010/63/EU gelten in Deutschland seit 2013. Die Tierversuchsmeldeverordnung musste an das neue Tierversuchsrecht angepasst werden. Für 2014 wurden die Tierversuchszahlen erstmals nach der neuen Meldeverordnung erhoben. Sie sind deshalb mit den Vorjahreszahlen nur bedingt vergleichbar. Dennoch lässt sich sagen: Über elf Jahre betrachtet hat die Verwendung von Affen in Tierversuchen zugenommen, daran ändert auch der leichte Zahlenrückgang in 2006, 2011 und 2012 nichts. In 2014 wurden insgesamt 2842 Affen und Halbaffen verwendet, das entspricht 0,1 Prozent der in der Bundesversuchstierstatistik erfassten Tiere.


Tierversuche: Wo werden Affen verwendet?

86 Prozent der Affen litten 2014 in sogenannten regulatorischen Tests. Sie beinhalten gesetzlich vorgeschriebene Giftigkeitsprüfungen von Medikamenten oder Tests zur Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten und Geräten. Chemikalien werden laut Statistik nicht mehr an Affen getestet. Der letzte Test eines Produkts für die Landwirtschaft fand im Jahre 2003 an vier Neuweltaffen statt. 9,3 Prozent der Affen beanspruchte die reine Grundlagenforschung, u.a. zu Versuchen im Bereich der Kognitionsforschung (sogenannte "Primatenstuhlversuche"). 3,5 Prozent der Affen litten für die praxisorientierte Grundlagenforschung (auch als angewandte und translationale Forschung bezeichnet). 0,5 Prozent der Affen wurden für Aus-, Fort- und Weiterbildungszwecke benutzt und 0,7 Prozent wurden getötet, um ihre Organe zu Forschungszwecken zu nutzen.


Weshalb nutzen Forscher vor allem Affen in Arzneimitteltests?

Affen sind sehr kostspielige "Labortiere". Anders als Mäuse werden Affen deshalb gezielt in Versuchen eingesetzt, für die andere Tiere nicht in Frage kommen. Da Affen dem Menschen aus pharmakologischer Sicht ähnlicher als andere "Versuchstierarten" sind, wird an ihnen die Wirkung von Arzneimitteln auf den Körper getestet (Pharmakodynamik). Zudem werden die Tiere zur Prüfung der toxischen Wirkung von Inhaltsstoffen und medizinischen Produkten eingesetzt. Bevor heute ein Tierversuch durchgeführt wird, werden die Substanzen mit tierversuchsfreien Verfahren überprüft. Pharmazeutisch wirksame Substanzen werden für die Arzneimittelentwicklung zunächst an Ratten getestet. Aufgrund bedeutender Artunterschiede zwischen Mensch und Nagetier sind die Testergebnisse bekanntlich schwierig auf den Menschen zu übertragen. Aus diesem Grunde schreibt der Gesetzgeber vor, dass Arzneimittel noch an einer weiteren Nicht-Nagetierart getestet werden müssen wie Hunden und Affen.


Affen werden während der Infusionen fixiert

Affen werden bei der Arzneimittelprüfung verwendet, um vor allem folgende Fragen zu klären: Zeigen sich Auswirkungen auf Augen und weibliche Geschlechtsorgane? Tritt Übelkeit auf? Werden Blutgerinnung oder Antikörperentwicklung beeinflusst? Zeigen sich psychoaktive Wirkungen? Treten Schädigungen der Nachkommen auf? Schmerzmittel erhalten die Tiere nur bei invasiven Untersuchungen, nachdem sie die Testsubstanz bereits im Körper verstoffwechselt haben und sich keine Wechselwirkungen ergaben. Werden die Testsubstanzen über langandauernde Infusionen verabreicht, werden die Affen in sogenannten Applikationsstühlen fixiert. Bei Untersuchungen, beispielsweise an den Augen, werden die Tiere zum Teil mit Beruhigungsmitteln sediert. Die Entnahme von Hirn-Rückenmarksflüssigkeit erfolgt unter Narkose.


Rechtsgrundlagen zur Prüfung von Arzneimitteln

Gesetzliche Grundlagen für die Verwendung von Affen in der Arzneimittelprüfung liefern die EU-Rats-Direktive 2001/83/EEC zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel und die Richtlinien der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Als Europa, USA und Japan sich auf die Harmonisierung der Prüfungsvorschriften verständigt hatten, wurden die Richtlinienbestimmungen der EMA (sogenannte Safety-Guidelines) veröffentlicht. Sie legen fest, wie die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln zu bestimmen sind. So regelt die Safety-Guideline S4 die chronischen Toxizitätsstudien an Nagetieren und Nicht-Nagetieren, während S8 Immuntoxizitätsstudien für Arzneimittel für den Menschen umfasst. S6 betrifft biotechnologisch hergestellte Pharmazeutika und führt aus, dass die Entwicklungstoxizitätsstudien an Affen dann durchzuführen sind, wenn es keine andere relevante Tierspezies gibt.


Medikamentenentwicklung: Affen leiden in Langzeitversuchen

Es sind wiederum Javaneraffen, die vor allem in Langzeitversuchen (chronische Toxizität) leiden. Dabei wird das Testmedikament in niedriger Dosis meist täglich bis zu 39 Wochen verabreicht. Weit weniger Tiere werden in akuten Toxizitätstests über einige Tage eingesetzt, hier wird das Medikament üblicherweise in hoher Dosierung einmalig verabreicht. Die Hersteller argumentieren, dass Computersimulationen und in-vitro-Untersuchungen derzeit nur nach bereits bekannten möglichen Wirkungen einer Substanz suchen könnten. Der Tierversuch dagegen könne auch bisher unbekannte Substanzeffekte aufdecken.


Giftigkeitsprüfungen: Am Ende steht meist der Tod

Forscher haben therapeutische Antikörper für die Krebstherapie, zur Behandlung Multipler Sklerose und neurodegenerativer Erkrankungen entwickelt. Die neuen humanisierten Antikörper stammen ursprünglich von der Maus und wurden genetisch verändert. Ihre Wirkungen werden an Ratten und Makaken (Javaneraffen/Rhesusaffen) ermittelt. Hierzu erhalten fünf Testgruppen von Tieren die Antikörperlösung in unterschiedlich hohen Dosierungen. In der Kontrollgruppe wird das Lösungsmittel ohne den Antikörper gespritzt. Mit diesen Testreihen wird die Giftigkeit der Substanz bestimmt, ihre Wirkung und Verteilung im Tierkörper sowie ihre Auswirkungen auf das Immunsystem. Den Affen wird die Antikörperlösung intravenös gespritzt, es folgen wöchentliche Blutuntersuchungen. Nach Ablauf der akuten Studie (Einmalgabe) werden die Affen getötet und ihre Organe untersucht. Während der Langzeitstudie erfolgen ebenfalls regelmäßige Blutabnahmen, um die Bindung des Antikörpers an die Immunzellen zu untersuchen. Die Tötung der ersten Affen erfolgt 14 Tage nach Versuchsbeginn, um die Organe auf krankhafte Veränderungen des Gewebes zu untersuchen.


Tierversuche: Ihre Abschaffung geht nur über tierversuchsfreie Verfahren

Der Bundesverband lehnt jeglichen Tierversuch aus ethischen, wissenschaftlichen und medizinischen Gründen ab. Doch ein Verbot dieser Versuche ist nicht in Sicht. Ihre Abschaffung ist nur über die Entwicklung neuer, besserer tierversuchsfreier und humanspezifischer Methoden zu erreichen. Deswegen setzt der Bundesverband auf sein zielführendes und politisch umsetzbares Förderungsprogramm für tierversuchsfreie Methoden. Mehr dazu lesen Sie in den folgenden Artikeln.

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Quelle:
tierrechte 1.16 - Nr. 74/März 2016, S. 6-7
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2016

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