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POLITIK/774: Tierschutzpolitik gestalten (tierrechte)


tierrechte 1.16 - Nr. 74, März 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Tierschutzpolitik gestalten


Am 13. März finden in drei Bundesländern Landtagswahlen statt. Mit unseren Mitgliedsvereinen(*) vor Ort haben wir die Parteien in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt befragt, was sie für den Tierschutz in der nächsten Legislatur erreichen wollen. In dieser Ausgabe können wir hierzu nur einen kurzen Einblick geben. Auf unserer Internetseite finden Sie ausführliche Informationen zu den Tierschutzplänen der Parteien.


Haben die Parteien Tierschutzvorhaben, die sie zur Wahl 2011 und in den Koalitionsverträgen verkündeten, auch tatsächlich verfolgt? Welche Tierschutzaktivitäten enthalten die aktuellen Wahlprogramme? Wie beantworten die Parteien unsere tierschutzpolitischen Fragen? Befragt wurden die Parteien, die bereits in Landtag und Bundestag vertreten sind. In Baden-Württemberg haben wir außerdem der FDP unseren Fragenkatalog geschickt.


Unsere Fragen zur Tierschutzpolitik

Wir wollen genau wissen, welche Schritte die Parteien zum Ausstieg aus dem Tierversuch verfolgen (z. B. Förderung tierversuchsfreier Methoden, tierverbrauchsfreie Ausbildung, Verbot von Affenversuchen und schwerbelastenden Versuchen). Weitere Fragen betreffen das Ende der Tierquälereien in der Landwirtschaft und die Durchsetzung des Tierschutzrechts durch die Veterinärämter. Es interessiert uns ebenfalls, ob und in welchem Umfang die Parteien zu einem Gesellschaftswandel beitragen wollen, der den Tierschutz berücksichtigt. Deshalb haben wir Fragen zur Senkung des Fleischkonsums einerseits und andererseits zur Förderung der bio-veganen Landwirtschaft gestellt. Wichtig war uns auch die Auskunft, ob die Parteien die Aufnahme des Tierschutzes in die Lehrpläne als eigenständiges Unterrichtsfach verfolgen. In Sachsen-Anhalt haben wir die Parteien zudem nach ihrem Willen zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage befragt.


Baden-Württemberg

Die erste grün-rote Landesregierung hat zwei markante Koalitionsvereinbarungen erfüllt. Nämlich die Einführung der Landestierschutzbeauftragten und der Tierschutz-Verbandsklage. Auch das neue Jagd- und Wildtiermanagementgesetz orientiert sich an mehr Tierschutz. Am ausführlichsten behandeln die Grünen den Tierschutz in ihrem Wahlprogramm. Die Landesförderung für Tierversuchs-Alternativen soll verbessert und dauerhaft in den Haushalt eingeplant werden. Diese Forschung soll auch zum Ende der Tierversuche an Primaten beitragen. Tierversuchsfreie Studiengänge in den Lebenswissenschaften (u.a. Medizin) sollen mit Landesmitteln gefördert werden. Förderanreize für eine artgemäße Tierhaltung in der Landwirtschaft sollen bis 2021 einen Schwerpunkt bilden. Veterinärbehörden sollen personell aufgestockt werden. Verfolgt werden zudem ein Heimtiergesetz, ein Verbot gewerblicher Tierbörsen und die Einschränkung der Wildtierhaltung in Zirkussen. Darüber hinaus setzen sich die Grünen für die Etablierung von Tierschutzpädagogik in Bildungseinrichtungen ein.

Zur SPD können wir leider nichts berichten. Das Wahlprogramm schweigt zum Tierschutz, und unsere Fragen waren bei Drucklegung dieser Ausgabe noch nicht beantwortet. Bitte informieren Sie sich auf unserer Internetseite.


CDU will Jagdrecht 'novellieren'

Die CDU setzt auf die Förderung der tierversuchsfreien Forschung und will hierzu einen Wettbewerb starten. In der Landwirtschaft steht die Verbesserung der Tierhaltungssysteme an erster Stelle. Die Tierschutzerziehung sieht die Partei eher als Querschnittsthema. Tierschutz als eigenständiges Unterrichtsfach wird nicht angestrebt. Defizite im tierschutzrechtlichen Vollzug sollen im Fall der Regierungsbildung ermittelt und abgestellt werden. Zudem will die CDU das Jagdgesetz 'novellieren' (Erweiterung der jagdbaren Arten, Aufheben der Jagdruhezeiten, Einrichtung sogenannter Wildschadenskassen).

Die Wahlprogramme von Linken und FDP äußern sich nicht zum Tierschutz. Aus den Antworten auf unsere Fragen geht jedoch hervor, dass die Linke konkrete Maßnahmen für mehr Tierschutz verfolgt und einen grundlegenden sozialökologischen Wandel der Gesellschaft mit positiven Auswirkungen auf den Tierschutz anstrebt. Dafür sprechen das sofortige Verbot der Primatenversuche in Verbindung mit einem grundsätzlichen Verbot aller Tierversuche, Maßnahmen zur Reduktion des Fleischkonsums, Tierschutz als Unterrichtsfach und eine bedarfsgerechte Ausstattung der Veterinärämter. Die Antworten der FDP zeigen, dass ihr die Förderung der tierversuchsfreien Methoden ein Anliegen ist. Bei der Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung wird auf die Stallmodernisierung durch Entbürokratisierung der Förderprogramme gesetzt. Die FDP legt den Fokus auf den Schutz der Heimtiere und die schulische Tierschutzbildung.


Rheinland-Pfalz

Die rot-grüne Landesregierung hat 2011 verkündet: 'Rheinland-Pfalz ist beim Tierschutz vorne'. Das ist partiell gelungen. Hierfür stehen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage und die erfolgreichen Bundesratsinitiativen für das Ende der Haltung von Hennen in Käfigen (Verbot der Kleingruppenhaltung ab 2025). Beim Ausbau des Ökolandbaus mit besseren Tierhaltungsmethoden nimmt Rheinland-Pfalz heute bundesweit einen Spitzenplatz ein.

Der Tierschutz-Schwerpunkt der Grünen liegt auf der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Hier steht die Partei für die Förderung tierschutzkonformer Haltungen, Amputationsverbote und die Kennzeichnung tierfreundlicher Produkte. Die Förderung tierversuchsfreier Verfahren steht weiter auf der Agenda, ebenso ganzheitliche Lernkonzepte, die auch das Unterrichtsfach Tierschutz enthalten können. Die Partei setzt sich für bundesweite Regelungen beispielsweise über Bundesratsinitiativen ein (u.a. Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene, Heimtierschutzgesetz, Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen).

Die SPD strebt mehr Nachhaltigkeit in Natur- und Tierschutz an, bleibt jedoch unkonkret, wenn sie schreibt 'Wir möchten die Haltungs- und Transportbedingungen von Nutztieren weiter verbessern und die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen unterstützen'. Aus den Antworten auf unsere Fragen ergibt sich, dass die SPD eine Fortentwicklung des Tierschutzes verfolgt. Für die Verbesserung des tierschutzrechtlichen Vollzugs und des Tierschutzunterrichts in Schulen wird jedoch keine Notwendigkeit gesehen.


'Ja' zur Tierschutzerziehung

Die Linke zeigt sich ehrgeizig: Zusammengefasst steht sie für die Durchsetzung höherer Tierschutzziele. Industrielle Massentierhaltung sei weder tiergerecht noch ethisch vertretbar. Die landwirtschaftliche Förderpolitik solle im Sinne eines sozial-ökologischen Umbaus neu ausgerichtet werden. Tierversuchsfreie Forschung und Lehre müssen nach Ansicht der Linken gefördert werden, Ziel ist die Abschaffung der Tierversuche. Zudem will die Linke die Verankerung des Tierschutzgedankens in die Lehrpläne verfolgen.

Auch die CDU sagt 'ja' zur Tierschutzerziehung als festen Bestandteil der Lehrpläne und der Lehrerausbildung. Sie verfolgt eine bedarfsgerechte Ausstattung der Veterinärämter, sagt jedoch strikt 'nein' zur Tierschutz-Verbandsklage. Die 'Nutztierhaltung' soll im Land an Bedeutung gewinnen. Die Tierhaltungssysteme sollen weiterentwickelt werden und die Forschungsförderung für tierversuchsfreie Techniken und Verfahren verstärkt werden.


Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt 'glänzt' seit Jahren durch Skandale in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. In den Straathof-Betrieben sind schwere Tierschutzverstöße an der Tagesordnung. Das zeigt, wie wichtig das Klagerecht für den Tierschutz ist. Wenn es die Verbandsklage in Sachsen-Anhalt schon gegeben hätte, hätten die Tierschutzorganisationen schon vor der Erteilung der Stall-Baugenehmigungen ihre Tierschutzeinwände vorbringen und bei Nichterfüllung vor Gericht klagen können. Zudem hätte das Klagerecht die Behörden bereits viel früher und nicht erst nach Jahren bestärkt, gegen die Tierquälereien von Straathof erfolgreich einzuschreiten.


Nagelprobe Tierschutz-Verbandsklage

Die Linke hat Anfang 2014 einen Gesetzentwurf zur Einführung des Tierschutz-Verbandsklagerechts und der Mitwirkungsrechte (Drs. 6/2713) in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingebracht. Auch die Grünen wollen das Klagerecht im Tierschutz. Die SPD, Befürworter der Tierschutz-Verbandsklage und mit der CDU an der Regierung, hat sich bis jetzt dem Druck des Koalitionspartners gebeugt: Über das Gesetz wurde bisher nicht abgestimmt. Die CDU ist vehementer Gegner des Klagerechts. Anders als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die das Klagerecht im Tierschutz bereits eingeführt haben, steht die Verbandsklage zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Fokus. Sie ist die tierschutzpolitische Nagelprobe für die Durchsetzungsfähigkeit der Parteien gegenüber dem möglichen Koalitionspartner CDU.

Aus den Antworten auf unsere Wahlfragen geht hervor, dass Grüne, Linke und SPD nach wie vor das Verbandsklagerecht verfolgen und durchsetzen wollen. Die SPD will das Klagerecht im Koalitionsvertrag festschreiben.

Unter www.tierrechte.de finden Sie ausführliche Informationen zu den Tierschutzplänen der Parteien, Übersichtstabellen, Wahlprogramme und die Originalantworten der Parteien auf unsere Fragen.


(*) Menschen für Tierrechte-Tierversuchsgegner Baden-Württemberg,
Menschen für Tierrechte-Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz,
Tierschutz Halle e.V.

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Quelle:
tierrechte 1.16 - Nr. 74/März 2016, S. 12-13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2016

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