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POLITIK/547: Deutschland hat gewählt - Keine Aufbruchstimmung für die Tiere (tierrechte)


tierrechte Nr. 50, Dezember 2009
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Deutschland hat gewählt -
Keine Aufbruchstimmung für die Tiere

Von Christiane Baumgartl-Simons


Die Ergebnisse der Bundestagswahl und der Landtagswahlen [1] zeugen weder vom Veränderungswillen der Wähler noch von dem der Parteien. Schwarz-gelb regiert nun in Berlin sowie in sieben Bundesländern [2] und verspricht in Tierschutzangelegenheiten keinen Aufschwung. Nur im Saarland riecht es nach Innovation.

In den übrigen vier Bundesländern mit neuen Landesregierungen sieht es in Sachen Tierschutz düster aus.


Brandenburg und Sachsen

Im rot-rot regierten Brandenburg kommt das Wort Tierschutz im Koalitionsvertrag überhaupt nicht vor. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung Sachsens erlaubt sich, den Tierschutz nicht im Regierungsvertrag zu berücksichtigen. Sie tritt allerdings dafür ein, EU-Richtlinien 1:1 in deutsches Recht umzusetzen und Regelungen, die darüber hinausgehen, zurückzuführen. Bei solchen Sätzen wittern wir Gefahr. Denn es gehört zur Spezialität der CDU, deutsche Tierschutzstandards auf EU-Niveau abzusenken, um angeblichen Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken. Dieser Strategie fiel bekanntermaßen das Käfigverbot für "Legehennen" zum Opfer.


Thüringen

Auch in Thüringen meidet die Landesregierung aus CDU und SPD jede Tierschutzherausforderung, obwohl sich die Sozialdemokraten in ihrem Regierungsprogramm für die Tierschutz-Verbandsklage ausgesprochen hatten. Doch der Koalitionsvertrag liefert nur karge Hausmannskost. So wird der Schutz der Tiere als wichtige, die Arbeit der Tierschutzvereine und Tierheime als unerlässliche Aufgabe eingestuft, die durch die Landesregierung eine angemessene Unterstützung erfahren soll.


Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein sehen sich die Regierungsparteien CDU und FDP dem Tierschutz "besonders verpflichtet" und stellen in Aussicht, die bestehenden Rechtsgrundlagen zu überprüfen, um sie bei Bedarf zu verändern. Bei Tierversuchen bleiben die Koalitionspartner nach allen Seiten offen und wollen Tierexperimente auf das "notwendige Maß" beschränken. Diese Sätze klingen zwar nicht schlecht, bleiben jedoch völlig unverbindlich und lassen befürchten, dass es sich lediglich um leere Worthülsen handelt. Konkret wird der Koalitionsvertrag nur in zwei Punkten: Die Landesregierung verfolgt ein Verbot der Wildtierhaltung in Zirkusbetrieben und die Streichung der Rasseliste für Hunde im Landes-Gefahrhundegesetz.


Silberstreif Saarland

Das Saarland, erstes Land mit einer "Jamaika-Regierung", zeigt sich kämpferisch. Auf Betreiben von B90/Die Grünen haben CDU-Chef Peter Müller und der FDP-Landesvorsitzende Christoph Hartmann die Einführung der Tierschutz-Verbandslage sowie zusätzlich einen ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Damit setzt Saarbrücken neue Maßstäbe, denn Bundes- und Landesparteien von CDU und FDP lehnten bislang das Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen kategorisch ab. Lediglich in Hamburg hatte der schwarz-grüne Senat die Evaluierung der Tierschutz- Verbandsklage in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Anfang September brachte dort die Fraktion Die Linke einen Antrag auf Einführung der Verbandsklage in die Hamburger Bürgerschaft ein. Dieser soll Anfang 2010 in den Ausschüssen beraten werden.


Bundesregierung

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung gibt sich in Sachen Tierschutz so, als gebe es kein Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz. Er enthält nur allgemeine Äußerungen, bleibt unverbindlich und schweigt sich zu konkreten Vorhaben aus. Wörtlich heißt es darin: "Der Tierschutz hat eine zentrale Bedeutung. Wir setzen uns für artgerechte Tierhaltung und -ernährung ein. Wir wollen den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit voranbringen. Zur Verringerung von Tierversuchen werden wir die Entwicklung von Ersatzmethoden weiter fördern. Erfolgreicher Tierschutz kann insbesondere auch auf europäischer und internationaler Ebene verwirklicht werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Tiertransportzeiten in der EU weiter begrenzt werden." Auf die Taten, die diesen Worten folgen, dürfen wir sehr gespannt sein.


Bundesrat

Schwarz-gelb regiert nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in sieben Bundesländern. Im Bundesrat bringen es die beiden Parteien auf 37 von 69 Stimmen und können damit die absolute Mehrheit sichern. Anders ausgedrückt: Es käme einem Wunder gleich, wenn die restriktive Tierschutzpolitik des Bundes durch die Länder ausgebremst würde.


Blick nach vorn

Für uns alle, die wir die Rechte der Tiere einfordern und ihre Umsetzung weiterentwickeln wollen, bedeuten die kommenden Jahre Höchstleistungen. Mehr denn je müssen wir argumentativ überzeugen und mit deutlich härteren Bandagen als bisher in den Ring steigen. Es gilt, öffentlichen Druck zu erzeugen, damit eins klar wird: Die Fortentwicklung des Schutzes und die Sicherung der Lebensrechte der Tiere ist eine obligatorische Aufgabe der Parteien und Politiker. Unsere Aufgabe ist es, alles aufzubieten, damit sich die Parlamentarier vor dieser Verpflichtung nicht länger drücken können.


[1] Brandenburg, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen

[2] Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein


*


Quelle:
tierrechte - Nr. 50/Dezember 2009, S. 12
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2009