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POLITIK/486: Tierschutz-Verbandsklage im Jahr 2008 (tierrechte)


tierrechte 4 .08 - Nr. 46, Norember 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Rechte für Tiere

Tierschutz-Verbandsklage im Jahr 2008

Von Christiane Baumgartl-Simons


Die Tierschutz-Verbandsklage gehört zu den Themen, die unser Bundesverband beharrlich und stringent verfolgt. Denn dieses Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen ist dringend erforderlich, um geltendes Tierschutzrecht vor Gericht einklagen zu können und damit Tieren zu ihren Rechten zu verhelfen. Die Entwicklung schreitet bislang zwar eher langsam voran, trotzdem hat die Verbandsklage in 2008 politisch Boden gewonnen.


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12 Bundesländer[*] haben sich in den letzten fünf Jahren mit der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage beschäftigt. Bisher entschied sich allerdings nur das kleinste Bundesland Bremen Ende 2007 für das Klagerecht. In Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein beraten die Landtage noch über die Gesetzesanträge.


Hamburg

Anfang des Jahres setzte Hamburg gleich zweimal neue Akzente. Nicht nur mit der ersten schwarz-grünen Landesregierung, sondern auch mit seinem Koalitionsvertrag, der sich zu einer Evaluation der Tierschutz-Verbandsklage bekennt. Für diese Bewertung wird vermutlich Bremen herhalten müssen, das bisher einzige Bundesland mit Klagerecht. Dort könnten sich auch die Zutaten für einen Testfall der Spitzenklasse zusammenbrauen. Erstmals hat der Bremer Senat Hirnforscher Andreas Kreiter (siehe hier) die Genehmigung seiner Affenversuche verweigert. Der Experimentator hat angekündigt, gegen den Entscheid zu klagen. Sollten ihm die Gerichte recht geben und müsste der Senat deshalb weitere Affenversuche genehmigen, so wäre dies für die Tierschutz-Verbandsklage eine Bewährungsprobe erster Klasse.

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein kann sich die schwarz-rote Landesregierung über die Tierschutz-Verbandsklage nicht einigen und wird das Thema vor den nächsten Landtagswahlen im Frühjahr 2010 nicht mehr anpacken. Der Grünen-Antrag ruht deshalb in den Katakomben der Ausschüsse. Während die CDU, allen voran Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, sich vehement und beratungsresistent gegen das Klagrecht sperrt, will die SPD für anerkannte Tierschutzorganisationen die Klagebefugnis einführen. Mutig zeigte sich im politischen Gerangel Dr. Heiner Garg, tierschutzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, der sich entgegen der Position seiner Partei für das Klagerecht ausspricht und damit nicht zum ersten Mal einen Stern am dunklen FDP-Tierschutzfirmament leuchten lässt.

Berlin

Die rot-rote Landesregierung präsentierte im Oktober ein Überraschungspaket mit üblem Inhalt: Die zuständige Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) hat sich gegen die Tierschutz-Verbandsklage ausgesprochen, ganz entgegengesetzt der Position ihrer Partei. Peinlich ist hierbei, dass sich in der Stellungnahme der Senatsverwaltung grobe juristische Strickfehler befinden. Dass ausgerechnet Berlin mit einer rot-roten Landesregierung dem Tierschutz das demokratische Mittel des Klagerechts verweigern will, ist bitter und wiegt umso schwerer, als sich beide Parteien anlässlich der letzten Bundestagswahl für das Klagerecht ausgesprochen haben.

Sachsen

Richtig zur Sache geht es 2008 in Sachsen: Der Antrag von B90/Die Grünen zur Einführung des Klagerechts wurde in den Ausschüssen und mit einer Sachverständigen-Anhörung unter Beteiligung des Bundesverbandes bereits im Mai behandelt. Die Abstimmung im Landtag ist für den 12. November vorgesehen (nach Drucklegung dieser Ausgabe der tierrechte). In 2008 sammelten unser Landesverband Tierschutzverein Dresden - Menschen für Tierrechte und der Bundesverband 3438 Unterschriften sächsischer Bürgerinnen und Bürger zur Unterstützung der Verbandsklage. Weitere Unterschriften wurden vom Tierschutzverein Leipziger Land, dem Bundesverband Tierschutz, dem Bund gegen den Missbrauch der Tiere sowie von B90/Die Grünen gesammelt und am 25. September an die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Sächsischen Landtag Bettina Simon (Die Linke) übergeben. Zugegeben, die Chancen sind gering, dass genügend Abgeordnete für das Klagerecht stimmen werden. Aber schon am 30. September 2009 wählt Sachsen einen neuen Landtag. Wir kümmern uns darum, dass die Tierschutz-Verbandsklage im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen wird.

Rheinland-Pfalz

Zum Schluss muss es noch eine gute Nachricht geben, und zwar aus Rheinland-Pfalz, dem zurzeit einzigen Bundesland mit einer SPD-Alleinregierung. Ministerpräsident Kurt Beck hat uns bereits 2007 sein Wort gegeben, die Tierschutz-Verbandsklage zu unterstützen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wann bitte lösen Sie Ihr Wort ein? Die Tierschutz-Verbandsklage in Rheinland-Pfalz wäre ein angemessen schönes Weihnachtsgeschenk für Tier, Mensch und nicht zuletzt die Demokratie.

[*] In folgenden Landtagen wurden bisher keine Anträge auf Einführung der Tierschutz-Verbandsklage eingereicht:
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen.


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Nach der Bayern-Wahl

Von Christiane Baumgartl-Simons


Bei der Landtagswahl am 28. September verlor die CSU erstmals seit 1962 die absolute Mehrheit und koaliert nun mit der FDP. Horst Seehofer tauschte seinen Bundesministerjob gegen den CSU-Parteivorsitz und das Ministerpräsidentenamt in Bayern ein. Zu seiner Berliner Nachfolgerin kürte er die CSU-Bundestagsabgeordnete Ilse Aigner, deren Herz für Gentechnik und eine ausbeuterische Landwirtschaft schlägt. Tröstlich ist, dass Frau Aigner nur wenig Amtszeit bleibt, um im Tierschutz weiteren Schaden anzurichten, denn in einem knappen Jahr sind Bundestagswahlen.

Die Tiere weinen Horst Seehofer keine Träne nach. Er hat sie in seiner Dienstzeit nicht beschützt, sondern als Spekulationsware missbraucht. In Sachen Tierschutz hinterlässt er in Berlin ein Trümmerfeld: Die "Legehennen" hat er in den (Seehofer-)Käfig verbannt, und bislang hat er nichts gegen das Zusammenquetschen der "Masthühner" in riesigen Mastanlagen getan.

Im Jahr 2009 stehen etliche Urnengänge an: Im Juni wird das Europaparlament gewählt, im Spätsommer und Herbst folgen die Bundestagswahl und die Landtagswahlen in Brandenburg, dem Saarland, Sachsen sowie Thüringen. Die Wähler haben dabei hoffentlich nicht nur Finanzmiseren und menschliche Interessen im Fokus. Der Bundesverband jedenfalls wird zum Wahlkampf die Finger in die Tierschutz-Wunden legen und klar sagen, von welchen Parteien die Tiere voraussichtlich etwas zu erwarten haben und wer sie im Stich lassen wird.


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Kein Machtwechsel in Hessen

Von Marion Selig


Das Vorhaben, die ohne eigene Mehrheit und nur geschäftsführend tätige CDU-Regierung in Hessen abzulösen, ist vorerst gescheitert. Über Monate hinweg hatten SPD und Grüne verhandelt und schließlich einen Koalitionsvertrag vereinbart, in den beide Wahlkampfthemen des Bundesverbandes, nämlich Tierschutz-Verbandsklage und Professur für Tierversuchsersatzverfahren, aufgenommen worden waren. Auch die Linkspartei, auf deren Duldung eine rot-grüne Minderheitsregierung angewiesen wäre, hatte versichert, beide Themen zu unterstützen. Doch am 3. November, einen Tag vor der geplanten Wahl der SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin, kündigten vier SPD-Abgeordnete an, ihr die Stimmen zu verweigern, womit keine Mehrheit mehr möglich war.

Nun läuft wohl alles auf Neuwahlen in Hessen hinaus. Eine Chance mehr für den Bundesverband, Lobbyarbeit im Wahlkampf zu leisten. Dass wir damit Erfolg haben können, hat der rot-grüne Koalitionsvertrag gezeigt, der nun aus Gründen, die sich unserem Einfluss entziehen, nicht zum Tragen kommt.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 46/November 2008, S. 14-15
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

"tierrechte" erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2008