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KOMMERZ/148: Medikament von genmanipulierten Tieren auf dem Markt (tierrechte)


tierrechte 3.08 - Nr. 45, August 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Gen Pharming
Medikament von genmanipulierten Tieren auf dem Markt

Von Marion Selig


Seit Mai 2008 ist das erste Medikament in Deutschland auf dem Markt, das von genmanipulierten Tieren produziert und in ihrer Milch ausgeschieden wird. Der Blutgerinnungshemmer ATryn® wird von Ziegen erzeugt, denen ein menschliches Gen ins Erbgut eingefügt wurde.


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Hersteller des Medikaments ist das US-amerikanische Unternehmen GTC Therapeutics, der Vertrieb in Deutschland läuft über die im hessischen Neu-Isenburg ansässige Leo Pharma GmbH. Das Präparat soll bei Patienten eingesetzt werden, die unter einem erblich bedingten Mangel an körpereigenem, die Blutgerinnung hemmenden Antithrombin leiden. Medikamente, die diesen Mangel ausgleichen, sind seit Jahren im Einsatz, bislang wurde ihr Wirkstoff aus menschlichen Blutspenden gewonnen. Auch eine Herstellung in Zellkulturen ist möglich.

Schon seit Jahrzehnten versuchen Forscher, Tiere wie Kühe, Ziegen und auch Kaninchen gentechnisch so zu verändern, dass sie medizinisch oder industriell nutzbare Substanzen in ihrer Milch ausscheiden, aus der sie isoliert und weiterverarbeitet werden sollen. Bei diesem als Gen Pharming bezeichneten Verfahren werden die Gene, die für die Produktion des gewünschten Stoffes verantwortlich sind, in das Erbgut der Tiere eingebracht.

Häufig handelt es sich um menschliche Gene - wie das für die Bildung von Antithrombin -, doch es geht auch um andere Produkte. So arbeitet ein Forschungsteam an der Universität von Wyoming, USA, an der Genmanipulation von Ziegen mit dem Ziel, dass die Tiere künstliche Spinnenseide-Eiweiße produzieren. Aus diesen Eiweißen sollen dann "Biomaterialien" hergestellt und z.B. zur Produktion von Fallschirmen oder kugelsicheren Westen verwendet werden. Daran hat auch das Militär Interesse und die US-amerikanische Air Force unterstützt dieses Forschungsprojekt, was zeigt, dass es beim Gen Pharming keinesfalls nur um neue Arzneimittel für Menschen geht.

Die Genmanipulation von Tieren ist meistens mit sehr hohem Tierverbrauch verbunden. Denn der Versuch, artfremde Gene ins Erbgut einzuschleusen, geht oft schief und das fremde Gen wird entweder gar nicht eingebaut oder die Tiere sterben schon im Mutterleib oder werden mit Missbildungen und Organschäden geboren. Nach eigenen Angaben wendet GTC Therapeutics zur "Erzeugung" der Ziegen, die den Wirkstoff von ATryn® produzieren, nicht mehr die sogenannte Mikroinjektion an, sondern ein neueres Verfahren - den Zellkerntransfer -, was eine höhere "Erfolgsquote" haben soll. Doch auch dies geht mit Tierversuchen einher und degradiert die Tiere zu Bioreaktoren und Medikamentenlieferanten.

Zudem gibt es, wie oben erwähnt, andere Verfahren, um solche Medikamente herzustellen. Oft wird angeführt, die Produktion durch Gen Pharming sei weitaus kostengünstiger als die Produktion in Zellkulturen oder die Isolierung aus Spenderblut. Doch bislang liegen dafür keine umfassenden Untersuchungen und Analysen vor.

Für ein weiteres Gen Pharming-Medikament, das von genmanipulierten Kaninchen produziert wird, hat die Europäische Arzneimittelagentur die Marktzulassung vor wenigen Wochen vorerst abgelehnt. Über mögliche Risiken des Mittels Rhucin® zur Behandlung der seltenen, Schwellungen verursachenden Erbkrankheit "Hereditäres Angioödem" sei noch zu wenig bekannt. Die Studien hätten eine zu geringe Zahl an Patienten beinhaltet und der Nutzen des Medikamentes würde die Risiken nicht überwiegen. Dennoch könnte die Einführung von ATryn® ein Türöffner sein für andere Medikamente, die von genmanipulierten Tieren produziert werden.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 45/August 2008, S. 15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2008