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KOMMERZ/147: Fakten zur Sterblichkeit von Fischen (BNA-aktuell)


BNA-aktuell 1/2008
Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz e.V.

Fakten zur Sterblichkeit von Fischen vom Fang bis zum Aquarianer

Von Harro Hieronimus


Über die Todesraten von Zierfischerei vom Fang bis zum Aquarianer kursieren die unterschiedlichsten Zahlen. Mal ist von 90 % die Rede, mal von 70-80 %, wie in einer vorgeblichen Studie von Katja Olivier, lnfofish. So sollen bis zu 40 % vor dem Transport, also beim Fang und Großhändler, sowie je weitere 25-30 % des Restbestands beim Transport, beim Großhändler sowie beim Einzelhändler versterben. Diese Horrorzahlen werden ungeprüft weitergegeben.

Ein Grund dafür ist auch, dass dieses Thema im Handel ungerne angesprochen wird, da man sich nicht angreifbar machen möchte (anhand der tatsächlichen Zahlen die falsche Taktik). Es gibt jedoch eine Zahl, die relativ aussagekräftig ist: DOA. Dies bedeutet "dead on arrival" und meint die Zahl der Fische, die 24 Stunden nach Ankunft verstorben sind. Denn diese Fische werden ersetzt oder von der Rechnung abgezogen. Auf den Transportkosten bleibt jedoch der Kunde sitzen, damit die Zahl der DOA-Meldungen möglichst gering bleibt.

Es gibt drei Hauptgründe für Todesfälle bei Zierfischen: 1. Zu geringe Erfahrung beim Verpacken. Fische müssen vor dem Verpacken eine Zeit (aber nicht zu lange, etwa ein bis zwei Tage) hungern, damit der Darm leer ist, aber nicht zu lange. Zudem müssen die richtigen Zusätze zum Transportwasser zugesetzt werden. 2. Falsche Verpackung. Gute Exporteure haben einen Mittelweg zwischen dichtmöglichster Besetzung und bestmöglicher Verpackung gefunden. Leckende Beutel sind ein Problem, ebenso zu viele Fische pro Beutel. Diese Exporteure verdienen aber deutlich weniger und werden vom Markt verschwinden. 3. Äußere Gründe. Verspätete Flüge, zerstörte Styroporboxen, Lagerung durch Flughafenpersonal in praller Sonne oder Kälte, fehlgeleitete Flüge mit anschließendem Lkw-Transport zum Ziel etc.

Ein Großhändler hat eine Spanne von etwa 100 % auf den Einkaufspreis. Würden nun die Zahlen von Katja Olivier zutreffen (44-51 % Verluste auf dem Transport und während der Hälterung), wäre der Großhändler nach der ersten Lieferung bankrott.

Aus diesem Grund hat die OFI (Ornamental Fish International) vorliegende Studien ausgewertet und einen Mitarbeiter der Universität Wageningen beauftragt, die Zahlen unabhängig zu ermitteln. Tim Verhoeff untersuchte dazu 140.508 Fische von der Ankunft bis zum endgültigen Verkauf beim Großhändler. Danach starben 0,75 % beim Transport und 1,27 % beim Großhändler - übrigens verursacht durch einen Krankheitsausbruch bei einem Großhändler nach 0 % DOA. Eine interessante Studie legte auch Prof. Labbish Chao von der Amazonas-Universität Manaus vor, Leiter des Projekts Piaba für eine nachhaltige Nutzung der Zierfischbestände Brasiliens. Danach sterben weniger als 1 % während des Fangs, etwa 0,15 % beim Transport, 0,81 % beim Großhändler und 3,50 % beim Einzelhändler. Zusammen sind dies unter 5,5 %! 19 von 20 Fischen gelangen also in die Aquarien der Liebhaber.

Es gibt auch Unterschiede zwischen Wildfängen und Nachzuchten. Bei Verhoeffs Untersuchung waren 13.493 Exemplare Wildfänge mit einer DOA-Rate von 2,62 %, die Nachzuchten hatten dagegen nur eine DOA-Rate von 0,4 %.

Die Zahlen, die von interessierter Seite ungeprüft in den Raum gestellt wurden, stimmen also nicht. Verluste lassen sich nicht ganz vermeiden - schließlich beträgt aber auch die jährliche Verlustrate in der Natur bei fast allen Fischarten über 99,9 %. Man muss es einfach immer wieder wiederholen: Ein Pärchen Roter Neon, das in der Natur während zweier Lebensjahre (das ist dort schon viel, während aus der Aquarienhaltung ein Höchstalter von zwölf Jahren bekannt ist) 600 Eier ablegt, produziert damit - statistisch gesehen und über die ganze Population Roter Neon in der Natur gerechnet - genau wieder ein Pärchen Roter Neon! Das gilt auch für Karpfen mit einer Eiablage von einer Million Eiern pro Jahr bei einer Lebensspanne von vielleicht 40 Jahren - Resultat dieser vielen Millionen Eier ist wieder genau ein Pärchen. Viele Fische werden ja gerade in der Trockenzeit und da besonders in Gewässern gesammelt, die austrocknen, mit einem 100 %igen Fischverlust.

Was kann verbessert werden? Ganz offensichtlich gibt es weitere Ansätze für Verbesserungen. Die liegen zum einen beim Transport und bei der Verpackung. Hier kann noch optimiert werden. Transporte lebender Tiere - gleich ob Fische oder andere - müssen bei den Fluggesellschaften von fachkundigem Personal durchgeführt werden. Da eine Zoll- und Veterinärabfertigung am ersten angeflogenen EU-Flughafen durchgeführt werden muss, ist ein Direktflug unbedingt vorzuziehen. Ansonsten kann ein Großhändler auch seine Beauftragten an den Zielflughafen senden, die die Abfertigung und den Weitertransport unterstützen. Der Großhandel sollte mehr mit spezialisierten Tierärzten zusammenarbeiten. Großhändler mit entsprechendem Volumen haben heute bereits fest angestellte Tierärzte, die sich um die Fischgesundheit kümmern und so Verluste minimieren.

Die größten Verluste geschehen offensichtlich im Einzelhandel, auch wenn es sich immer noch um wenige Prozent handelt. Hier ist aus meiner persönlichen Sicht ganz offensichtlich, wo der Fehler liegt: an der mangelnden Ausbildung des Personals sowie der fehlenden Zusammenarbeit mit sachkundigen Tierärzten oder auch nur Fachberatern. Nicht erkannte, ansonsten leicht behandelbare Erkrankungen wie die Weißpünktchenkrankheit führen ebenso zu unnötigen Verlusten wie falsche Pflege und Fütterung. Hier sollten auch die Geschäftsinhaber oder -betreiber in ihrem eigenen Interesse gegensteuern, etwa durch eine intensive Schulung aller Mitarbeiter.


Anmerkung:
Literatur: Fossa, S. A., Bassleer, G.M.O., Chuan, L.L., & Ploeg, A. 2007. International transport of live fish in the ornamental aquatic industry. OFI educational publications 2. Maarssen, Niederlande.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Original-Publikation:

Der Rote Neon, Paracheirodon axelrodi, ist Motivfisch des Projekts "Piaba" zur nachhaltigen Nutzung der brasilianischen Zierfische zu Exportzwecken - initiiert und durchgeführt von Brasilianern.

Das Blutende Auge, Puntius denisonii, wird mist noch als Wildfang eingeführt. Der hohe Preis sorgt mit dafür, dass die Transportverluste sehr gering sind.

Botia almorhae, die Netzschmerle, ist eine der häufiger eingeführten Prachtschmerlen, die im Aquarium über 20 Jahre alt werden kann.

Papageienplatys, Zuchtformen von Xiphophorus variatus, brauchen ein Jahr, bis sie diese Größe erreicht haben. Das setzt kein Händler leichtfertig aufs Spiel, denn das kostet.


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Quelle:
BNA-aktuell 1/2008, S. 63-65
Herausgeber: Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz e.V.
Geschäftsstelle: BNA-Postfach 11 10, 76707 Hambrücken
Tel.: 07255/28 00, Fax: 07255/83 55
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Internet: www.bna-ev.de und www.bna-sachkkunde.de

Erscheinungsweise vierteljährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2008