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INITIATIVE/311: PROVIEH setzt auf Ebermast! (PROVIEH)


PROVIEH Heft 3 - Oktober 2008
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kampagne
Ferkel kastrieren?
PROVIEH setzt auf Ebermast!


Von Sabine Ohm


Angeregt vom durchschlagenden Erfolg unserer niederländischen Nachbarn, bei denen die Tierschutzorganisation Wakker mit einer peppigen Medienkampagne die Abschaffung der betäubungslosen Ferkelkastration innerhalb von nur eineinhalb Jahren erreichen konnte (wir berichteten: www.provieh.de/ s3203.html), hat auch PROVIEH im Juli 2008 eine entsprechende Kampagne in Deutschland gestartet. Mit tatkräftiger Unterstützung der Holländer wollen wir in Deutschland versuchen, noch einen Schritt weiter zu gehen, um zu erreichen, dass die Kastration als überflüssig anerkannt und ganz abgeschafft wird. Es gilt als erwiesen, dass die barbarische Praxis Millionen von Ferkeln Schmerzen zufügt und dass die so genannte "Jungebermast" sogar Vorteile gegenüber der Kastratenmast hat.

Die Aufzucht unkastrierter männlicher Schweine (Eber), die vor Erreichung der Geschlechtsreife (nach ca. 170 Tagen) geschlachtet werden, wird bereits seit Jahrzehnten in vielen europäischen Ländern wie Großbritannien, Irland, Portugal und Spanien rentabel betrieben. Jüngste Studien aus den USA und Europa belegen zudem, dass unkastrierte männliche Jungschweine ihr Futter viel besser verwerten und deshalb bei gleicher Futternaufnahme schneller an Gewicht zunehmen als ihre kastrierten Artgenossen. Das ist ein gewichtiges Argument in Zeiten steigender Futtermittelpreise und angesichts immer stärkerer Konkurrenz um verschiedene Landnutzungsformen (Nahrungsmittel, Futtermittel, Biokraftstoffe). Auch die Fleischqualität ist laut verschiedener Untersuchungen besser bei unkastrierten als bei kastrierten Tieren - logischerweise, denn der Anteil an Muskelfleisch ist weit höher als der Fettanteil. Die technischen Fortschritte bei der Entwicklung einer so genannten "elektronischen Nase" sind enorm und werden seit neuestem von renommierten Forschungsinstituten vorangetrieben. Hiermit kann der in einem geringen Umfang (etwa vier Prozent) bei einigen männlichen - sowie paradoxerweise auch ab und zu bei weiblichen Tieren vorhandene - "Ebergeruch" (siehe Heft 2/2008) festgestellt werden. Dieses Fleisch hat durchaus seinen Wert, es darf nur nicht erhitzt werden und kann für bestimmte Erzeugnisse wie Dauerwurst oder Pökelschinken problemlos verarbeitet werden, ohne dass die Qualität durch strengem Geruch oder Geschmack leiden würde.

Mit Einführung der Ebermast würden sich alle Einwände der vielen Gegner gegen Narkose bei der Ferkelkastration ein für alle Mal erübrigen. Vor allem die deutschen Erzeuger wendeten heftig und lautstark ein, die Kosten für die Narkose seien mit 4 bis 5 Eurocent pro Kilogramm Schweinefleisch zu hoch, und die heute verwendeten Narkosemittel (CO2 und Isofluran) seien problematisch. Bei CO2 sei die Dosierung sehr schwierig: Nimmt man zu wenig, spürt das Schwein Schmerz; nimmt man zu viel, stirbt das Schwein. Und Isofluran sei hochgradig klimaschädlich, wird pseudo-ökologisch ins Feld geführt. Zwar solle das überschüssige Narkose-Gas abgesaugt und unschädlich beseitigt werden, aber wer garantiere die flächendeckend sachgerechte Anwendung der teuren Geräte?

Wir von PROVIEH sagen: Warum schwierig, wenn es einfach geht und die Ferkelkastration ganz abgeschafft wird. Männliche und weibliche Ferkel und Jungschweine können in der Zeit vor der Geschlechtsreife naturbelassen und problemlos gemeinsam aufgezogen werden. Dem männlichen Ferkel werden Stress und Schmerz erspart, eventuell sogar Krankheit durch Infektion. Der Landwirt spart nicht nur Geld für die Narkose, sondern hat auch erheblich weniger Kosten durch effizienteren Futtermitteleinsatz. Den Kunden liefert er damit sogar noch bessere Fleischqualität, da Jungeber weniger Fett ansetzen als Kastraten. Auf dem Schlachthof lassen sich die Schweine nach Geschlechtern sortieren, und ihr Fleisch kann zielgerecht den unterschiedlichen, angemessenen Verwertungsformen zugeführt werden.

Der einzige Grund, warum in unserem Lande noch immer jährlich über 20 Millionen männliche Ferkel im Alter von wenigen Tagen routinemäßig ohne jede Betäubung ihre Männlichkeit herausgeschnitten bekommen, lautet: So ist es schon immer gemacht worden, und alle - von den Erzeugern bis zum Handel - sind darauf "eingestellt". Es gibt jedoch kein vernünftiges Argument, diese Barberei den Tieren weiter anzutun, weder mit noch ohne Betäubung. Deswegen arbeiten wir von PROVIEH gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Wakker Dier darauf hin, dass die Ferkelkastration in Deutschland und anschließend auch in der EU, wo jährlich schätzungsweise 100 Millionen Schweine auf diese Weise misshandelt werden, bald der Vergangenheit angehören wird.


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Quelle:
PROVIEH Heft 3, Oktober, 2008, Seite 20-21
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2008