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TIERHALTUNG/715: Die Nutztierhaltungsstrategie (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2017
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Die Nutztierhaltungsstrategie

von Angela Dinter


Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Juli 2017 die Nutztierhaltungsstrategie für eine zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland veröffentlicht.

In dem fast sechzigseitigen Papier ist wenig Konkretes zu finden, denn knapp die erste Hälfte befasst sich ausschließlich mit der aktuellen Lage der deutschen Landwirtschaft. Der zweite Teil der Ausarbeitung besteht aus vage beschriebenen Handlungsfeldern, die uns in gewohnter Weise im Unklaren darüber lassen, wie die Nutztier-Zukunft konkret aussehen soll.


Pladoyer für eine Nutztierhaltungsstrategie

Bereits im August 2015 wurde ein sehr detailliertes Plädoyer von Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Institutes in Braunschweig, veröffentlicht. Es zeigte wichtige unabdingbare Punkte auf, die eine nationale Nutztierhaltungsstrategie beinhalten sollte. Professor Isermeyer spricht sich für eine Verschärfung von Tier- und Umweltschutzauflagen aus und schlägt zudem verbesserte Kontrollen, Beratung und Forschung vor. Mit der Einführung eines mehrstufigen Kennzeichnungssystems für alle Lebensmittel tierischer Herkunft - der Haltungskennzeichnung - beschreibt er ein Szenario, bei dem die niedrig klassifizierten Produkte schrittweise ausgelistet werden könnten.

Die Umschichtung innerhalb des Budgets der gemeinsamen EU-Agrarpolitik sieht Professor Isermeyer ebenso als wirksames Mittel zur Veränderung der Nutztierhaltung an, wie eine zielgerichtete Agrarinvestitionsförderung für mehr Tierschutz. Bereits zwei Jahre vor der Veröffentlichung der nationalen Nutztierhaltungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat Professor Isermeyer die nicht ausreichend konkretisierten Ziele der Bundesregierung bemängelt. "Begriffe wie wettbewerbsfähig, tiergerecht etc. haben nur eine sehr begrenzte Steuerungskraft, wenn es um die Entwicklung eines kohärenten Maßnahmenkataloges geht", schreibt er in seinem Plädoyer. Damit erfasst er einen der wichtigsten Kritikpunkte. Denn was nutzt eine Strategie ohne konkrete Ziele und zeitlich festgelegten Rahmen? Unsere zuständige Bundesbehörde, das BMEL in Berlin, scheint sich weiterhin gegen konsequente Maßnahmen zu sträuben, um an der "freiwilligen Verbindlichkeit" eines staatlichen Tierwohl-Labels festhalten zu können. Die aktuelle Ausarbeitung der nationalen Nutztierhaltungsstrategie sieht weder eine Gesetzesverschärfung bei Tierschutz und Haltungsbedingungen vor, noch definiert sie Förderprogramme. So bleiben Ankündigungen, Maßnahmen und Veränderungen beim Nutztierschutz weiterhin vage.


Der Stall der Zukunft

Gleich zu Beginn der für die Nutztierhaltungsstrategie relevanten Handlungsfelder steht der Punkt "Ställe für die Zukunft". Ein wichtiger und ausschlaggebender Punkt für eine bessere und tiergerechtere Landwirtschaft, der von allen Beteiligten mit Spannung erwartet wurde. Leider ist auch hier zu wenig Konkretes, dafür eher Beängstigendes, zu lesen. Von neuesten Entwicklungen und Praxiseinführungen, von hochtechnisierten Zukunftsställen und Innovationen ist die Rede. Spätestens hier wird dem Leser bewusst, dass auch weiterhin nicht das Tier im Mittelpunkt steht, sondern Gewinnoptimierung, Technik und Hochleistung. Auch wird vergessen, dass nicht der Neubau das vorrangige Problem darstellt, sondern die unzähligen, nicht zukunftsfähigen Altbauten mit Vollspalten oder Anbindehaltung.


Die Nutztierhaltungsstrategie der Zukunft

Alles in Allem ist die Nutztierhaltungsstrategie ein lobenswerter Ansatz, wenn auch mit gravierenden Schwachstellen. Denn ohne die Ergänzung beziehungsweise die Verschärfung von Haltungsverordnungen für alle Nutztierarten bleibt sie ein zahnloser Tiger. Für Milchkühe, Puten und Mastbullen gibt es keinen ausreichenden gesetzlichen Schutz, bei Schweinen und Mastgeflügel mangelt es an Verschärfungen der bestehenden Haltungsverordnung. Auch eine Überarbeitung des Tierschutzgesetztes ist nicht vorgesehen. Es bleibt also weitgehend bei großen Ankündigungen, freiwilligen Vereinbarungen und einem Tierschutz-Label, das mehr verspricht, als es halten kann.

Das Bundesministerium hat in seiner Nutztierhaltungsstrategie angekündigt, dass es mit allen relevanten Vertretern die Ausarbeitung der einzelnen Handlungspunkte diskutiert und erarbeitet. Hier sehen wir unsere Chance, um deutliche, verbindliche und nachhaltige Verbesserungen in der Nutztierhaltung einzubringen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2017, Seite 18-19
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2017

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