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TIERHALTUNG/583: Tierschutzlabel - Der gute Weg im Schlechten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der gute Weg im Schlechten
Mit dem Tierschutzlabel soll den Tieren spontan beholfen werden, ohne das System zu ändern

von Marcus Nürnberger



In Deutschland werden ca. 27 Millionen Schweine gehalten. Die meisten von ihnen in modular aufgebauten, arbeitswirtschaftlich optimierten Ställen. In Boxen, auf Spaltenböden, mit gesteuerter Belüftung und optimierter Fütterung wachsen sie in 20er Gruppen bis zur Schlachtreife.

Wenn Verbraucher mit solchen Stallbildern konfrontiert werden, schrecken sie oft zurück. Es fällt schwer, zu akzeptieren, dass das Schnitzel in der heimischen Pfanne aus dieser unpersönlichen Massenproduktion stammen soll. Es verwundert daher nicht, dass die Bereitschaft von ca. 20 Prozent der Verbraucher groß ist, für eine tiergerechte Haltung mehr zu bezahlen. Eine Umsetzung am Markt erfährt diese Nachfrage durch das vom Deutschen Tierschutzbund, Wissenschaftlern, dem Fleischkonzern Vion und verschiedenen Handelsunternehmen entwickelte Tierschutzlabel. "Mit dem Tierschutzlabel 'Für mehr Tierschutz' des Deutschen Tierschutzbundes werden Produkte tierischen Ursprungs gekennzeichnet, denen Tierschutzstandards zugrunde liegen, die für die Tiere einen wirklichen Mehrwert an Tierschutz gewährleisten", beschreibt der Tierschutzbund das Label auf seiner Homepage. Doch was ist ein wirklicher Mehrwert? Die Antwort auf diese Frage bleibt offen. Die Antwort findet man, wenn man die einzelnen Kriterien und ihre Umsetzung betrachtet. Zuerst fallen natürlich die zwei unterschiedlichen Stufen auf. Neben der Premiumstufe gibt es die, aufgrund der Gestaltung, kaum zu unterscheidende Einstiegsstufe. Von kritischen Marktbeobachtern wird diese auch als Tierschutz light bezeichnet. Und genau hieran entzündet sich auch die aktuelle Debatte. Gibt es ein wenig Tierschutz und wenn ja: Wie geht ein bisschen Tierschutz?


Tierschutz light?

Für den Deutschen Tierschutzbund steht fest, dass er die Aufgabe hat, "jedes einzelne Tier um seiner selbst willen zu schützen". Somit sind auch kleine Verbesserungen im bestehenden System schon ein Erfolg. Eine geringere Besatzdichte, 18 statt 20 Tiere. Ein paar Strohpellets als Beschäftigung. Mit Gummimatten abgedeckte Spalten, damit es keine Klauenverletzungen gibt, und gleichzeitig ein verändertes Belüftungsmanagement, damit die Tiere von den Ammoniakausdünstungen unter den Spalten keine Atemprobleme bekommen. Ein wirklicher Mehrwert an Tierschutz? Eindeutig mit ja beantwortet werden muss diese Frage, wenn man sich die Alternativen für die Schweine in den jetzt umgebauten ehemals konventionellen Ställen betrachtet. Aber auch Tierschutzpräsident Thomas Schröder räumt ein, dass diese Veränderungen "das Herz eines Tierschützers nicht höher schlagen lassen".


Im System gefangen

Dennoch ist Schröder sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Die meisten Betriebe haben konventionelle Ställe, die sich noch lange nicht amortisiert haben. Die Betriebsleiter müssen in ihnen produzieren. Mehr als Tierschutz light ist aber allein aufgrund des grundsätzlichen Stallkonzepts gar nicht möglich. Ausläufe, Stroheinstreu, getrennte Bereiche sind in einem, unter den Gesichtspunkten Automation, homogener Klimabedingungen, größtmöglicher Rationalisierung und Gewinnoptimierung, geplanten Stall nicht zu verwirklichen. Selbst der Verzicht auf kupierte Schwänze ist hier langfristig nicht möglich. Die wenigen, dem Tierwohl dienenden, Änderungen am Stallkonzept machen das System instabil. Aufgrund der nicht vorhandenen Reaktionsmöglichkeiten der Tierhalter, muss ein mögliches Schwanzbeißen schon von Vornherein durch Kupieren ausgeschlossen werden. Damit fällt auch die Einstiegsstufe des Tierschutzlabels hinter die aktuelle Gesetzeslage zurück. Denn das Kupieren ist nach EU-Gesetzgebung nur in Ausnahmen und nicht vorbeugend erlaubt. Das Dilemma auf Seiten der Produzenten bleibt. Auch wenn für viele der teilnehmenden Betriebsleiter mittlerweile klar ist, dass die Tierschutzanforderungen einfließen würden, wenn sie neu bauen könnten.


Versteht es der Verbraucher?

Es gibt eine ganze Flut von Symbolen, Logos und Qualitätszeichen, und jetzt auch noch zweimal Tierschutz. Vom anfänglichen Plan, dass dort wo die Einstiegsstufe angeboten wird, immer auch Premium verkauft werden muss, ist man abgekommen. Dem Verbraucher fehlt damit der direkte Vergleich. Vielen wird nicht bewusst sein, dass dies ein zweistufiges Label ist. Sie werden Tierschutz light mit gutem Gefühl kaufen. Der Impuls und die Nachfrage nach einem Premiumprodukt, wie beispielsweise Neuland, werden auf diese Weise aber ausbleiben. Der Fleischkonzern Vion hat auch schon eingeräumt, gar nicht an einer langfristigen Optimierung der Haltungsbedingungen zu Lasten noch höherer Preise interessiert zu sein.

Das Engagement, den Tierschutz in die Breite tragen zu wollen, fällt dem Deutschen Tierschutzbund zu. Die geschlossenen Kompromisse sind zum Großteil den Strukturen des bestehenden Produktionssystems geschuldet. Ein System, dass die ganze Warenkette vom Ferkelerzeuger über den Futtermittelproduzenten, das Stallsystem, den Mäster und die Schlachtung, bis hin zur Ladentheke umfasst. Ob es gelingen kann, das System zu ändern, indem man die eigenen Anforderungen relativiert und mithilft den letztendlich aus diesem System stammenden tierschutzoptimierten Produkten einen Markt zu eröffnen, muss aber bezweifelt werden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2013