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FRAGEN/023: Christoph Then - Patente machen Tierversuche zu einem profitablen Geschäft (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 2/2018
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Patente machen Tierversuche zu einem profitablen Geschäft!

Interview mit Dr. Christoph Then von Carolin Spicher


Der Tierarzt Dr. Christoph Then beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Gen- und Biotechnologie. Er ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie, Testbiotech. tierrechte sprach mit ihm über die Patentierung von Tieren, warum sie zu mehr Tierversuchen führt und wer daran verdient.


tierrechte: Was haben Patente mit Tierversuchen zu tun?

Dr. Christoph Then: Patente sind ein Ausdruck kommerzieller Interessen: In der Regel sollen patentgeschützte Erfindungen innerhalb der Laufzeit der Patente (20 Jahre) möglichst gewinnbringend vermarktet werden. Eigentlich sollten Patente nichts mit Tierversuchen zu tun haben. Patente sollen die Nutzung von Erfindungen schützen und so einen Anreiz für Investitionen schaffen. Anreize, Tierversuche aus wirtschaftlichen Gründen durchzuführen, stehen den Zielen der europäischen Patentgesetze entgegen. Diese Gesetze verlangen, dass Tierversuche möglichst reduziert und ersetzt werden. Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt aber routinemäßig Patente auf gentechnisch veränderte Versuchstiere und deren Verwendung.


tierrechte: Seit wann gibt es Patente auf Versuchstiere?

Dr. Christoph Then: Der Präzedenzfall war 1992 ein Patent auf die sogenannte Krebsmaus, die gentechnisch so verändert wurde, dass sie zwangsläufig an Krebs erkranken muss. Die Firma DuPont, die die patentierten Versuchstiere vermarkten wollte, behauptete damals, dass mithilfe dieser Tiere Krebsmedikamente entwickelt und Tierversuche eingespart werden könnten. Beide Behauptungen waren nachweislich falsch. Trotzdem hatte dieses Patent erhebliche Auswirkungen auf die weitere Praxis des EPA: Seitdem wurden bereits rund 1.500 Patente auf gentechnisch veränderte Tiere beziehungsweise deren Verwendung in Tierversuchen erteilt. So werden Tierversuche zu einem Geschäftsfeld, das von wirtschaftlichen Mechanismen gesteuert wird. Patentiert werden Mäuse und Ratten ebenso wie Hunde, Katzen und sogar Menschenaffen.


tierrechte: Sind Patente auf Tiere erlaubt?

Dr. Christoph Then: Die europäischen Patentgesetze verbieten Patente, wenn diese gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung verstoßen. Anreize, die dazu führen, dass Tierversuche aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt werden, sind per se unsittlich, müssten also verboten sein. Auch Patente auf Tierarten sind verboten. Das Patentamt legt die bestehenden Verbote aber so aus, dass sie letztlich wirkungslos sind.

1998 hat die EU neue Regeln eingeführt, die Patente auf Tiere eigentlich einschränken sollen, aber wenig hilfreich sind: Demnach dürfen Patente auf genetische Veränderungen an Tieren nicht vergeben werden, wenn Leiden wahrscheinlich sind, aber kein wesentlicher medizinischer Nutzen erzielt wird. Diese Abwägung wirft erhebliche methodische und rechtliche Schwierigkeiten auf. Wie ist zum Beispiel ein "wesentlicher medizinischer Nutzen" zu definieren? Bisher dient diese Regel vor allem dazu, dass Firmen und Patentanwälte die bestehenden Verbote mit immer neuen Spitzfindigkeiten unterlaufen. Daran verdienen nicht nur Patentanwälte und die Industrie, sondern auch das EPA selbst: Seine Einkünfte werden aus der Erteilung von Patenten generiert.


tierrechte: Warum fördern Patente Tierversuche?

Dr. Christoph Then: Patente auf Versuchstiere verwandeln Tierversuche in ein profitables Geschäft. Das zeigte sich bereits bei der Krebsmaus, die von der Industrie regelrecht beworben wurde. Das zeigt sich jetzt wieder bei den neuen Gentechnik-Verfahren, bei denen u. a. CRISPR/Cas eingesetzt wird: Alle diese Verfahren sind patentiert. Auf der Grundlage dieser Patente haben sich in den USA Firmen darauf spezialisiert, möglichst kostengünstig und schnell Gentechnik-Mäuse und Ratten zu produzieren. Auf den Websites von Firmen wie Applied StemCell oder Cyagen Biosciences werden Versuchstiere regelmäßig als Sonderangebote angepriesen. Diese Firmen bieten ihre Dienste auch in Europa an.


tierrechte: Wie gehen Sie gegen Patente auf Tiermodelle vor?

Dr. Christoph Then: Testbiotech hat exemplarische Einsprüche gegen Patente eingereicht, in denen gentechnisch veränderte Menschenaffen beansprucht werden. Zwei Einsprüche wurden gewonnen, allerdings sind das Einzelfallentscheidungen. Einsprüche gegen die US-Firma Intrexon und die Max-Planck-Gesellschaft waren nicht erfolgreich, hier haben wir in der ersten Runde verloren und sind jetzt in der Beschwerde. Der Ausgang ist ungewiss.

Parallel dazu haben wir an Banken appelliert, sich zu verpflichten, nicht in Firmen zu investieren, die entsprechende Patente anmelden. Banken wie die GLS und die Ethikbank waren hier sehr offen, entsprechende Regelungen fehlen aber nach wie vor. Wir werden also auch da noch einmal aktiv werden müssen.


tierrechte: Was hat die Tierschutzbewegung/ Tierrechtsbewegung gebracht?

Dr. Christoph Then: Testbiotech arbeitet mit Organisationen wie Menschen für Tierrechte zusammen, um mehr Öffentlichkeit zu erreichen. Zudem nutzen wir deren spezielle Expertise bei der Diskussion über Ersatzmethoden und die gesetzlichen Grundlagen. Wir haben zusammen Einsprüche eingelegt und auch gemeinsam Brief-Aktionen an die Banken durchgeführt. Das wollen wir gerne fortsetzen.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 2/2018, S. 10-11
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Telefon: 0211 / 22 08 56 48, Fax. 0211 / 22 08 56 49
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2018

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