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FRAGEN/004: In der Tierschutz-Debatte noch mehr Druck aufbauen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"In der Debatte noch mehr Druck aufbauen"
Der Präsident des deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder zu Tierschutzlabel, Brancheninitiative und Neuland

von Claudia Schievelbein



Unabhängige Bauernstimme: Vor fast genau einem Jahr haben Sie das neue Tierschutzlabel der Öffentlichkeit vorgestellt, Zeit für eine erste Zwischenbilanz...

Thomas Schröder: Die fällt grundsätzlich positiv aus. Das Tierschutzlabel ist eine Kaufalternative für die, die bisher nicht auf Fleisch verzichten wollen, es ist kein Kaufanreiz. Diese Botschaft gilt es immer wieder und noch deutlicher zu nennen als bisher. Und klar ist auch: das Label auf der Einstiegsstufe ist aus Tierschutzsicht nicht zufriedenstellend, aber schon mit deutlichen Verbesserungen für die Tiere verbunden. Es ist derzeit alternativlos als Einstiegsmöglichkeit für Bauern. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht da, wo wir hin wollen. Ich glaube, dass die Debatte um Tierwohl auf politischer Ebene so viel an Fahrt aufgenommen hat, ist auch ein Erfolg des Labels. Auch der Umstand, dass im Koalitionsvertrag eine Absichtserklärung im Hinblick auf eine Bundestierwohlinitiative formuliert ist - was immer dann daraus wird - spiegelt den Druck wieder, der gesellschaftlich auch durch uns und die beiden anderen Neulandträger aufgebaut wurde. Es geht hier um langfristige Veränderungen, weil Stallbauentscheidungen und damit auch Finanzierungen langfristige Projekte sind. Wenn uns also Leute anrufen und fragen: wie baue ich denn jetzt anders oder Stalleinrichter wissen wollen, was sie ändern sollen, so beginnt da was grundsätzlich Neues. An Vorhandenem kann man nur reparieren, auch weil die Bauern, die vor 10, 20 Jahren neu gebaut haben in finanziellen Zwängen stecken. Die bittere Note bleibt, dass damit der Weg zur Premiumstufe des Labels nicht selbstverständlich ist. Wir brauchen unterstützend andere Rahmenbedingungen in der Förderung und endlich die notwendige Einsicht, dass die EU-Agrarpolitik auf Prozessqualität ausgerichtet sein muss.

Unabhängige Bauernstimme: Nun stellen Handel, Fleischindustrie und Bauernverband eine Initiative Tierwohl vor, die ganz ohne Verbraucherkennzeichnung auskommen soll.

Thomas Schröder: Erst einmal ist die Brancheninitiative Tierwohl auch die Anerkennung, dass in der Tierhaltung etwas schiefläuft. Getreu dem Motto: Wer nach Lösungen sucht, hat Probleme. Es hat aber den Anschein, dass die Initiative darauf angelegt ist, den Gesetzgeber zu besänftigen, so nach dem Motto "Wir tun was, neue Gesetze sind nicht nötig", um schlicht endlich Ruhe im Laden zu haben. Diese Tierwohlinitiative bringt, z.B. im Schweinebereich, kaum Tierschutzfortschritte und schafft für den Verbraucher Intransparenz. Damit werden alle Labelbemühungen unter Druck gesetzt, auch die Geschwindigkeit des Tierschutzlabels abgebremst. Dabei ist meine Überzeugung, dass eine wirklich gute Branchenlösung mit Labeln vereinbar sein kann. Aber diese vorgestellte Initiative hat eine Methodik, die nicht funktioniert, und es fehlt das Ziel, dass die Branche dabei anpeilt. Wir teilen aber die Meinung, dass der Landwirt, der mehr Tierschutz macht, dafür auch finanziellen Ausgleich bekommen muss.

Unabhängige Bauernstimme: Der Tierschutzbund könnte zur Verbesserung beitragen, wenn er sich in der Initiative engagiert...

Thomas Schröder: Wir waren im Boot und sind ausgestiegen, weil in der Summe kaum mehr Tierschutz erkennbar wird, der Verbraucher nicht mitgenommen wird und grundsätzliche Änderungen nicht durchsetzbar waren. So, wie die Brancheninitiative jetzt angelegt ist, dient sie weder dem Fleischkäufer, der bereit ist für mehr Tierschutz im Stall mehr zu bezahlen noch hilft sie den Tieren. Im "Basispaket für Schweine" stehen eher Selbstverständlichkeiten, mit den Wahlkriterien wird verpasst, klare Prioritäten zu setzen. Das heißt unter Umständen werden im Stall Veränderungen vorgenommen, die im Hinblick auf das Tierwohl kaum ins Gewicht fallen oder bei dem Zusammenwirken von Wahlkriterien langfristig eher schädlich für ein nachhaltiges Mehr an Tierwohl im Stall sind. Bei Geflügel bleiben die Kriterien ebenso weit hinter Tierschutz zurück. Die Wissenschaft wurde nur ungenügend beteiligt, teils probiert man einfach herum. Das ist fahrlässig.

Unabhängige Bauernstimme: Ein schon älteres Kind des Tierschutzbundes ist Neuland, was bedeutet das neuere Tierschutzlabel für Neuland?

Thomas Schröder: Wir haben als Neulandträgerverband das Programm immer als Zielvorstellung vor Augen, quasi unsere Branchenlösung. Neuland ist immer mehr gewesen als nur ein Tierwohllabel. Durch die unterschiedlichen Trägerverbände sind auch immer andere Interessen, die bäuerlichen durch die AbL, die umweltrelevanten durch den BUND, mitverfolgt worden. Ich glaube, dass das Tierschutzlabel Chancen eröffnet, aus einer Nische herauszukommen. Die strengen Kriterien der Premiumstufe. Wir lernen von Neuland und andere können dann auch von unserem Label lernen. Wir öffnen uns gegenseitig auch Türen.

Unabhängige Bauernstimme: Neuland hat immer mit Bestandsobergrenzen gearbeitet. Muss man beim Tierschutz auch die Struktur- und Größenfrage stellen?

Thomas Schröder: Natürlich ist das tierschutzrelevant und strukturpolitisch kritisch! Das Dilemma ist, dass wir uns hier oft in einer gefühlten Debatte befinden, weil es - bezogen auf den Tierschutz - keine wissenschaftlich fundierten Fixpunkte gibt, ab wann Größe und Struktur schwierig sind. In der Werbung, an Einkaufsorten, auch auf Märkten finden Sie immer noch sehr idyllische Vorstellungen von Tierhaltung, die irreführend und mit der Realität kaum vereinbar ist. Wir müssen es schaffen, mit Indikatoren, wie Mitarbeiter pro Tierzahl, Tierhaltung und Flächenbindung, Umweltbelastungen, dörflichen Strukturen, Fixpunkte festzulegen. Da muss die Forschung noch genauer hinschauen, und dann können wir in der öffentlichen Debatte noch mehr Druck aufbauen. Ich glaube, wenn wir ausschließlich auf Größe setzen, sind wir ganz schnell im politischen Abseits, aber klar ist auch: Größe ist tierschutzrelevant.

Unabhängige Bauernstimme: Der Biobereich nimmt für sich gerne in Anspruch: Bio gleich Tierschutz, braucht es da ein Tierschutzlabel?

Thomas Schröder: Wenn ich über Tierschutz im Stall spreche, lobe ich Neuland, dann mach ich erst einmal eine Pause. Klar halten die Bios ihre Tiere unendlich viel besser als die meisten anderen Betriebe. Aber sie haben sich über Jahre bestimmten Marktmechanismen unterworfen, die heute mehr denn je auch hinterfragt werden. Wenn Leute im Supermarkt bewusst mehr Geld für Fleisch ausgeben, dann tun sie das, weil sie mehr Tierschutz wollen. Das verbinden sie inzwischen nicht mehr nur zwangsläufig mit Bio. Daher sollten auch die Bios die Chancen eine Tierschutzlabels erkennen. Wir wollten uns bewusst mit der Premiumstufe des Tierschutzlabels auch den Bios öffnen, ihnen die Möglichkeit einer zusätzlichen Aufladung auch als Differenzierungsmöglichkeit gegenüber der konventionellen Ware geben und zugleich die Chance eröffnen, das Sortiment in der Breite zu ändern. Das Interesse der Bios ist aber bisher gering, das enttäuscht und verwundert zugleich. Das Label scheint Angst zu machen, Angst aber lähmt.

Unabhängige Bauernstimme: Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014, S. 10
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2014