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ETHIK/024: Tiere und Krieg (Ingolf Bossenz)


Am Kreuz
Tiere und Krieg

Von Ingolf Bossenz


Als die Gallier 387 v. Chr. nachts zum Kapitol schlichen, ertönte Gänsegeschnatter. Es riss die Kapitolbesatzung aus dem Schlaf und rettete Rom. In Erinnerung daran trugen die Römer alljährlich eine Gans in feierlichem Aufzug durch die Stadt. Da die Hunde in jener Nacht der Gefahr geschwiegen hatten, führte man auch einen solchen mit - ans Kreuz geschlagen.

In Australien wurde jetzt ein Denkmal eingeweiht für Tiere, die in Kriegen eingesetzt waren. Im Ersten Weltkrieg bekamen 120 000 Tiere Tapferkeitsmedaillen: Pferde, Maultiere, Hunde, Tauben ... Insgesamt 14 Millionen Tiere waren von den Kriegsparteien in das Völkerschlachten gehetzt worden, um von Granaten zerfetzt oder von Kugeln durchsiebt zu werden bzw. anderweitig zu leiden und zu verrecken. Im Zweiten Weltkrieg waren es gar an die 30 Millionen. Der militärisch begründete Missbrauch von Tieren ist so alt wie die Kriegsgeschichte. Ob Elefanten als Artilleriestellungen, mit Krokodilen »bestückte« Festungsgräben oder mit Giftschlangen gefüllte Wurfgeschosse - der Erfinder-Ungeist kannte keine Grenzen. Auf dem Schlachtfeld besonders beliebt: Hunde. Im Mittelalter wurden sie als Kampfhunde in Rüstungen gesteckt, im Ersten Weltkrieg als Meldegänger und Kabelverleger geschätzt, im WK II mit Minen behängt und auf Panzer gehetzt. Später bekamen Delfine als lebende Warnsysteme in den Kriegsmaschinerien einen Platz.

Über Tiere, die in Vorbereitung auf neue Kriege zu Versuchszwecken krepieren, herrscht weitgehend Schweigen. Allein die Bundeswehr exekutierte in den vergangenen Jahren Tests zur Erforschung der Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen, bei denen Tausende starben - Mäuse, Kaninchen, Schweine, Affen. Keinen Platz in der Berichterstattung finden auch jene Tiere, die zu Zigtausenden in aktuellen Kriegen umkommen - in Nahost, in Afghanistan, in Sri Lanka ...

Kriegsdenkmale für Tiere sind so verlogen wie für Menschen. Das schlechte Gewissen wird nur in Stein oder Bronze ausgelagert, um Platz zu schaffen für neues gewissenloses Abschlachten. Die Römer waren da seinerzeit ehrlicher - mit dem Hund am Kreuz.


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Quelle:
Ingolf Bossenz, Juni 2009
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 23.05.2009


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009