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BERICHT/073: DLR ist Vorreiter beim Wildtierschutz in der Landwirtschaft (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 09.05.2008

"Wildretter" - DLR ist Vorreiter beim Wildtierschutz in der Landwirtschaft


Rehkitze, Junghasen und am Boden brütende Vögel suchen Schutz im hohen Gras. Ein gefährlicher Ort, wenn Landwirte die Wiesen mähen. Viele Wildtiere werden durch Mähwerke verletzt oder getötet. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat zusammen mit Partnern aus Forschung und Industrie neue Sensorsysteme entwickelt, die die Tiere frühzeitig entdecken. Innerhalb des Projektes "Wildretter" werden diese Erkennungsverfahren ab Mitte Mai erprobt. Ein Video zeigt, wie die Tiere entdeckt werden.

Die größte Gefahr für die Wildtiere besteht im Frühjahr. Ab Mitte Mai bis Ende Juni werden beispielsweise die Rehkitze im hohen Gras geboren, zur gleichen Zeit findet auch die erste Wiesenmahd statt. In diesem Zeitraum wollen Wissenschaftler des DLR-Instituts für Methodik der Fernerkundung neue Sensorsysteme und Methoden testen, die sie zur Entdeckung der Wildtiere entwickelt haben. Die Untersuchungen gehören zum Projekt "Wildretter", das aus dem Rahmenprogramm "Mikrosysteme 2004-2009" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. In drei Jahren Projektarbeit wird ein Prototyp eines Wilderkennungssystems für Mähmaschinen entstehen. Dabei kommen Infrarotkamera, Farbvideokamera und Mikrowellenradar bei der Suche nach dem geeigneten Erkennungsverfahren zur Erprobung. Neue Signal- und Bildverarbeitungsverfahren werden entwickelt. Partner des DLR bei diesem Projekt sind das mittelständische Unternehmen ISA, der Fachbereich Höchstfrequenztechnik der Technischen Universität (TU) München, der Landmaschinenhersteller CLAAS Saulgau GmbH und das Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim.


Bedrohte Tierwelt im hohen Gras

Seit Maschinen im Acker- und Feldbau verwendet werden, sind Wildtiere mit einer Bedrohung konfrontiert, der sie nicht gewachsen sind. Mähmaschinen haben heute Arbeitsbreiten von bis zu 14 Metern und Arbeitsgeschwindigkeiten von 15 bis 20 Stundenkilometern. Aus der Kabine der großen Maschinen kann der Fahrer Wildtiere in dichten Grasbeständen nicht oder erst in letzter Sekunde entdecken, zum Anhalten ist es dann zu spät. Aber nicht nur Mähwerke verletzen und töten die Tiere, Eggen und Hackwerkzeuge zerstören Brutgelege. Die Zahl der jährlich in der Landwirtschaft in Deutschland verletzten oder getöteten Wildtiere beträgt etwa 500.000, am stärksten gefährdet sind frisch geborene Rehkitze, zirka 100.000 sterben jedes Jahr. Auch in der Landwirtschaft stellen die getöteten Wildtiere eine Gefahr dar: Das gemähte Gras wird meist siliert und an Rinder und Pferde verfüttert. Befinden sich Kadaverteile im Futter, kann es zu tödlichen Vergiftungen (Botulismus) kommen.


Fernerkundung für den Tier- und Artenschutz

Jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass ein zuverlässiger Schutz nur möglich ist, wenn die Tiere frühzeitig entdeckt werden. Das menschliche Auge und selbst die Nase eines Jagdhundes können die Tiere im Grasdickicht nicht entdecken. Weit effektiver sind in diesem Fall Sensoren und Methoden der Fernerkundung und Mustererkennung. In diesem Fall werden die Tiere aber nicht vom Flugzeug oder gar vom Weltraum aus entdeckt. Ähnlich wie in der Fernerkundung sind jedoch die Sensorsysteme, die am Feldrand aufgestellt werden, sowie die Methoden der Datenauswertung.


Möglichkeiten der Fernerkundungssensorik zur Wildrettung

Das DLR ist dabei seit vielen Jahren Vorreiter in der Methodenentwicklung. Seit 1999 ist ein Infrarotsuchgerät mit sechs Meter Überwachungsbreite am Markt. Es wurde im DLR in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Elektrische Messtechnik der TU München und dem mittelständischen Unternehmen ISA entwickelt und wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertrieben. Damit kann eine Person zu Fuß die Wiesen vor der Mahd absuchen. Viele tausend Kitze sind seither gefunden und gerettet worden. Die Methode ist jedoch nicht für den Einsatz an der Mähmaschine geeignet. Denn die Mahd selber findet bei hochstehender Sonne statt, wenn die Wiese stark erwärmt ist. Unter diesen Bedingungen gibt das Suchgerät nicht nur bei Wildtieren, sondern auch bei warmen Stellen in der Wiese Alarm.

Neue Lösungsansatze konzipierten DLR-Forscher in Kooperation mit ISA und dem Fachbereich Höchstfrequenztechnik der TU München. Die Forscher entwickelten den Prototyp eines Mikrowellenradarsystems, das bei einer Betriebsfrequenz von 24 Gigahertz Kitze aufgrund des hohen Wassergehalts des Tierkörpers aufspürt.

Ein anderer Ansatz wurde im DLR entwickelt und in Kooperation mit der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft FAL in Trendhorst untersucht. Dabei beobachten Infrarotkameras kontinuierlich die Wiesen einige Tage bis zur Mahd. Aus den Filmen wird ermittelt, ob Tiere die Wiese betreten und nicht wieder verlassen haben, und wo sie sich aufhalten. Aus diesen Untersuchungen stammt der Videoclip (in der rechten Spalte). Verschiedene Detailfragen wurden zusammen mit der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL und dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft der Schweiz BUWAL, sowie dem Wageningen Universiteit en Researchcentrum und dem Natuur-technologisch Onderzoeks Bureau NATOB der Niederlande bearbeitet.

Der Landesjagdverband Bayern (BJV) ist assoziierter Partner beim Projekt "Wildretter" und setzt damit seine langjährige Unterstützung fort. Am Zustandekommen des Projekts hatten das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), das BMBF und der BJV großen Anteil.

Vollständiger Artikel mit Bildmaterial unter:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-667/7411_read-12432/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 09.05.2008
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2008