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BERICHT/072: Delfine und Menschen - Beziehung mit Zwiespalt (tierrechte)


tierrechte 1.08 - Nr. 43, Februar 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Delfine und Menschen - Beziehung mit Zwiespalt

Von Stephanie Elsner


Delfine - geliebt, verehrt, mystifiziert, aber auch gejagt, getötet und gefangen. Die durch zahllose Berichte, Geschichten und Anekdoten beliebten Meeressäuger können sich dem Einfluss des Menschen nicht entziehen und sind einer Vielzahl von Bedrohungen in einer sich schnell verändernden Welt ausgesetzt. Auch in Deutschland wird derzeit versucht, das Schicksal für Generationen von Delfinen zu bestimmen. So sollen für Millionenbeträge das Delfinarium des Nürnberger Zoos ausgebaut und auf Rügen ein neues gebaut werden. tierrechte widmet den Delfinen daher den Schwerpunkt dieser Ausgabe. Denn es sollte nicht nur regional ein aktuelles Thema sein - das Reflektieren über Flipper in Deutschland und seine globale Situation.


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Delfine gehören zu den Walen, genauer gesagt zu den Zahnwalen, und sind somit im Wasser lebende Säugetiere. Sie sind die vielfältigste und mit rund 40 Arten größte Familie der Wale und in allen Meeren verbreitet. Von allen Delfinarten ist der Große Tümmler am bekanntesten. Er ist es auch, der am häufigsten in Delfinarien gesperrt wird. In den Weltmeeren leben die sozialen Tiere in Gruppen zusammen, in sogenannten Schulen, mit teilweise mehreren Hundert Artgenossen, je nach Delfinart. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist nicht starr und dauerhaft festgelegt und kann wechseln. Trotzdem haben sie ein sehr ausgeprägtes Sozialgefüge mit teilweise starken Bindungen, was sich z. B. im Umgang mit verletzten oder kranken Tieren zeigt. Delfine stützen kranke Artgenossen, bringen sie zum Atmen an die Wasseroberfläche. Sie betätigen sich als Hebammen, beschützen werdende Mütter und helfen Neugeborenen aufzutauchen. Delfine zeigen jedoch anderen Arten gegenüber auch aggressives Verhalten, wie z. B. Große Tümmler gegenüber Schweinswalen. Ihr Kommunikationsspektrum umfasst Körperkontakte ebenso wie eine vielschichtige Lautsprache. Durch hochfrequente Töne sind sie in der Lage, ihr Umfeld mittels Echolokation wahrzunehmen. Das bedeutet, sie senden Ultraschallsignale aus, die als Echo zurückkommen, sobald sie auf einen Gegenstand treffen. So vermögen sie Größe, Form, Art, Bewegung und Entfernung eines Objektes wahrzunehmen. Ihre sogenannten Klicklaute ermöglichen ihnen also, Futter zu orten, Feinde zu erkennen und sich sogar in völliger Dunkelheit zu orientieren.

Delfine sind schnelle Schwimmer, Geschwindigkeiten von bis zu 55 Stundenkilometer sind keine Seltenheit. Auch tauchen sie bis zu 300 Meter tief und bleiben dabei bis zu einer Viertelstunde in den Tiefen der Meere. Ihre allseits bekannten Sprünge aus dem Wasser werden als Spielverhalten interpretiert, ermöglichen aber auch eine schnellere Fortbewegung als im Wasser. Zudem helfen diese bei der Suche nach Futter, da sich Delfine dabei z. B. an Möwenschwärmen orientieren. Als Nahrung verspeisen sie Fische, Tintenfische, manchmal auch Krustentiere. Als einzige Delfinart ernährt sich der auffallend schwarz-weiße Schwertwal oder Orca auch von anderen Meeressäugern wie Robben oder anderen Walarten.


Mystifiziert und malträtiert

Schon seit Jahrtausenden sind Menschen von Delfinen fasziniert. Verkörpert der Delfin doch die als positiv wahrgenommenen Eigenschaften Lebensfreude, Anmut und Gelassenheit. Sein vermeintliches 'Lächeln', die als hoch eingeschätzte Intelligenz, der ausgeprägte Spieltrieb sowie Geschichten als Helfer der Menschen lassen ihn sympathisch erscheinen. In der Antike galten Delfine als heilig und im alten Griechenland wurde die absichtliche Tötung eines Delfins als Frevel gegen die Götter gesehen. Den Glauben, Delfine seien die Boten der Götter, übernahmen auch die Römer. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Einstellung und Delfine wurden als Rohstoffquelle betrachtet sowie als Konkurrenz zu den Fischern. Noch immer halten sich aber zudem in den Köpfen der Menschen Legenden und falsche Vorstellungen vom Leben der Delfine. So trügt z. B. das Bild, frei lebende Delfine würden in großem Maße den engen Kontakt zum Menschen suchen. Tatsächlich sind es Einzelfälle und betrifft vorwiegend Delfine, die keiner Gruppe mehr angeschlossen sind und eine neue suchen. Die heutige Situation ist, dass zum Teil starke Bemühungen zum Schutz und zur Beobachtung der Delfine unternommen werden. Dennoch sind sie zahlreichen Bedrohungen durch Menschen ausgeliefert. Um das öffentliche Bewusstsein dafür weltweit zu schärfen und Delfine besser zu schützen, riefen die Vereinten Nationen 2007 zum 'Jahr des Delfins' aus und dehnten es sogar auf 2008 aus.


Zahlreiche Bedrohungen

Etliche Populationen sind gefährdet, einige vom Aussterben bedroht. So haben Delfine heute unter einer ganzen Bandbreite von Einflüssen zu leiden:

Überfischung
Durch Überfischung der Meere wird den Meeressäugern ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Rund 75 Prozent der weltweit genutzten Fischbestände stehen am Rande der Nutzungskapazitäten oder sind bereits überfischt.

Treibnetze
Jährlich kommen weltweit schätzungsweise bis zu 300.000 Delfine und Wale als sogenannter 'Beifang' ums Leben. Das heißt, sie verfangen sich in ausgelegten, kilometerlangen Fischernetzen oder sich gelösten 'Geisternetzen' und ertrinken elendig.

Bejagung
Vielerorts werden Delfine massiv bejagt, z. B. auf den dänischen Färöer-Inseln, in Peru, Chile, Sri Lanka und Taiwan. Vor allem in Japan sterben alljährlich Zehntausende Delfine in grausamen Treibjagden, um als preiswerter Walfleischersatz vermarktet zu werden. Japans Massaker haben schon die Bestände der Blau-Weißen Delfine um etwa 90 Prozent zusammenbrechen lassen. Die Internationale Walfangkommission forderte Japan wiederholt auf, die Jagd umgehend einzustellen.

Fang
Für Delfinarien werden weltweit immer noch Wildfänge aus der Natur geholt. Dabei werden auch Japans grausame Massaker unterstützt, indem die 'idealsten' Tiere aus den dortigen Treibjagden teuer an Delfinarien verkauft werden, bevor der Rest abgeschlachtet wird.


Vom Unfug künstlicher Lebensräume

Die Gefahren sind vielfältig und die genannten noch lange nicht vollständig. So gilt es, weitere umfassende Schutzprogramme zu schaffen, um das Überleben der Delfine in ihrem natürlichen Lebensraum zu sichern. Je mehr wir Menschen über die faszinierenden Lebenswelten und Bedürfnisse von Delfinen und Walen wissen, umso offensichtlicher wird, dass sie weder tier- noch artgerecht in Zoos und Delfinarien gehalten werden können. Gefangenschaft trennt sie von elementaren Aspekten ihres Lebens: ihren Sozialpartnern, ihrer akustischen Welt und der Möglichkeit, frei in den Weiten der Meere zu schwimmen und zu tauchen. Eingesperrt in künstliche Lebensräume werden viele krank, sterben gar früh. Das künstliche Meerwasser aus Chlor, Wasser und Salz verursacht Pilzinfektionen und Schleimhautreizungen. Gaben von Vitaminen, pilztötenden Mitteln, Hormonen und Antibiotika erhalten viele Delfine in der naturfernen, eng begrenzten Umgebung am Leben. Ihr soziales Verhalten schlägt nicht selten in Mobbing um, die schwächsten Tiere werden unterworfen, gehetzt und tyrannisiert. Diese können nicht ausweichen, dem Betonbecken nicht entfliehen. Eingesperrt mit ihren Widersachern leiden sie an Dauerstress. Das Leiden ist oft sogar für Laien erkennbar: Viele Tiere zeigen ständig gleiche stereotype Schwimmbewegungen, eine Verhaltensstörung, verursacht durch die Gefangenschaft. Die Todesraten sind relativ hoch, Nachzuchtprogramme scheitern und insgesamt sinkt ihre Lebenserwartung. Gemäß einer Studie der 'International Marine Mammal Association' haben Delfine in Gefangenschaft durchschnittlich eine Lebenserwartung von 14 Jahren, wohingegen die ihrer wild lebenden Artgenossen bei knapp 30 Jahren liegt.


Wider besseres Wissen: Nürnberg und Rügen

Aufgrund tragischer Erlebnisse und öffentlicher Kritik an der Haltung von Delfinen in Gefangenschaft sind in den letzten Jahren in Deutschland fünf von neun Delfinarien geschlossen worden. Derzeit sind Delfinarien noch im Zoo Duisburg, im Tiergarten Nürnberg, im Allwetterzoo Münster und im Heide-Park bei Soltau in Niedersachsen existent. Experten raten von neuen Haltungen ab. Doch die Stadt Nürnberg lässt sich nicht beirren und hat im November den mehrere Millionen kostenden Ausbau des Delfinariums im Nürnberger Zoo beschlossen. Und das, obwohl auch dieses Delfinarium eine traurige Bilanz mit einer hohen Todesrate der intelligenten Tiere vorzuweisen hat. Auch in Glowe auf der Insel Rügen werden Erfahrungen in den Wind geschlagen, der Bau eines neuen Delfinariums ist in Planung. In diese strukturschwache Gegend sollen fünf Delfine mit Shows mehrere Hunderttausend Touristen locken. Da die Nachzucht von Delfinen in Gefangenschaft kaum erfolgreich ist, ist nicht auszuschließen, dass die Tiere dafür direkt oder indirekt aus Wildfängen stammen werden. Um der Delfinhaltung ein positiveres Image zu verleihen, sollen in beiden Vorhaben auch Delfintherapien stattfinden. Doch auch die Delfintherapie ist fragwürdig und wird zunehmend kritisiert (siehe Schattenblick - INFOPOOL - TIERE - TIERSCHUTZ - BERICHT/071: Delfintherapie - Heilungs-Chance oder Kommerz (tierrechte)). Sowohl gegen das Vorhaben auf Rügen als auch in Nürnberg haben sich in den letzten Monaten zahlreiche Fachleute sowie Tier- und Artenschutzverbände - einschließlich des 'Bundesverbandes' - ausgesprochen.


Delfinschutz voranbringen

Um Delfine wirkungsvoll und nachhaltig zu schützen, gilt es, umfassende Maßnahmen zu treffen. Dazu gehören das Durchsetzen von Jagd- und Fangverboten ebenso wie die Umsetzung einer verantwortungsvollen Fischereipolitik, die Fischfangquoten reduziert und Schutzgebiete schafft. Auch Importe von Delfinen für Delfinarien oder unter dem Deckmantel des Einsatzes für wissenschaftliche Zwecke sowie für die Zucht in Gefangenschaft sind zu unterbinden. So vielfältig die Bedrohungen, so vielfältig sind Gegenmaßnahmen zu schaffen. Beiträge dazu leisten können alle, ob als organisierter Lobbyist oder Einzelperson. So kann jeder z. B. mithelfen, dass die einstigen 'Boten der Götter' nicht länger zum Dienstboten der Menschen verkommen. Solange es nämlich zahlende Zuschauer gibt, die Profite sichern, wenn Delfine in Shows zur Schau gestellt oder in Schwimmprogrammen unter dem Vorwand der Delfintherapie eingesetzt werden, werden weiterhin wild gefangene Delfine importiert und in Gefangenschaft gehalten. Aufklärung, Boykott von Delfinveranstaltungen und Proteste sind daher notwendige Instrumente. Denn ändern wird sich erst etwas, wenn immer mehr Menschen erkennen, dass den optisch immer zu lächeln scheinenden Delfinen eigentlich zum Weinen sein muss.


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Soldaten der Meere

Von Christina Ledermann

Delfine werden nicht nur zur Unterhaltung, für die Forschung oder die Delfintherapie gehalten. Auch das Militär benutzt die Fähigkeiten der hochintelligenten Meeressäuger. Die Ausbildung von Delfinen für militärische Zwecke begann 1960. In den Achtziger Jahren lieferten sich die USA und die damalige Sowjetunion sogar ein bizarres Delfin-Wettrüsten. Damals hielten die USA an vier Standorten rund 140 Tümmler einsatzbereit, die Sowjetunion etwa 120. Heute unterhalten nur noch die USA im kalifornischen San Diego ein militärisches Meeressäugerprogramm von größerem Umfang. Zu Beginn wurden vor allem die ausgeprägten Sinne der Tümmler sowie ihre Schwimm- und Tauchfähigkeiten genutzt. Dies änderte sich während des Vietnamkrieges. Nun wurden die Tiere auch für offensive Einsätze wie das Aufspüren und Markieren von Minen, die Ortung von Marinetauchern, die Objektbewachung von Schiffen und Häfen und möglicherweise auch die Tötung feindlicher Taucher ausgebildet. Außer in Vietnam wurden Delfine auch im Irakkrieg, vor der Küste Litauens, in der Ostsee und zuletzt 2007 zur Sicherung eines großen Militärhafens nahe Seattle, USA, eingesetzt. Das Delfinprogramm der US-Navy war immer von scharfen Protesten begleitet. Denn neben der Ungeheuerlichkeit Delfine zu Kriegszwecken zu missbrauchen, sind Ausbildung, Transport und Einsatz für die Meeressäuger mit großer Gefahr, Stress und Schmerzen verbunden. Einige wurden von Kriegsgegnern getötet oder starben bei Minenexplosionen. Hinzu kommen die wechselnden Wassertemperaturen und die Detonationen in Kriegsgebieten, die eine Tortur für das empfindliche Delfingehör darstellen. Da die Wissenschaft den Einsatz von Delfinen zu Militärzwecken mittlerweile in Frage stellt, arbeiten die Labore der Navy nun daran, die Meeressäuger durch ferngesteuerte Mini-U-Boote zu ersetzen.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 43, Februar 2008, S. 4-7
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2008