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ETHIK/017: Tiere in der Todeszone (Ingolf Bossenz)


Tiere in der Todeszone

Von Ingolf Bossenz, 23.04.2011


Die evakuierte Zone um die Atomruine von Fukushima ist jetzt zur Sperrzone erklärt worden. Ehemalige Bewohner, die dennoch den Bereich betreten, müssen mit Geldstrafen oder Festnahme rechnen. Zuvor hatten viele Menschen das Risiko auf sich genommen, um ihre in dem verstrahlten Gebiet zurückgebliebenen Haustiere zu versorgen. Damit ist nun Schluss, was Tausende tierliche Kreaturen zu einem elenden Tod verurteilt. Denn für die Tiere gibt es keinen Plan B. Es gibt überhaupt keinen Plan. Was angesichts der gigantischen Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Super-GAU, angesichts der überfüllten Auffanglager und der Ungewissheit für Zigtausend Menschen nicht verwundert.

Hinzu kommt, dass Tiere aus staatlicher und gesellschaftlicher Sicht in erster Linie unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit betrachtet werden. Hunde, Katzen und andere sogenannte Haustiere geraten damit in das Raster des sozial Unnützen, also im Zweifelsfall zu Opfernden. Dass andererseits die Dienste von Tieren gern und ausgiebig in Anspruch genommen werden, zeigte die Bitte der japanischen Regierung unmittelbar nach der Katastrophe an die EU: Tokio brauche vor allem Suchhunde zum Aufspüren von Verschütteten. »Nützliche« Tiere also. Für eine solche Doppelmoral gibt es ein präzises Wort: Verrat. Eine zutiefst menschliche Reaktion.


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Quelle:
Ingolf Bossenz, April 2011
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 23.4.2010
URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/196087.tiere-in-der-todeszone.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2011