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ETHIK/015: Todesnachrichten (Ingolf Bossenz)


Todesnachrichten

Von Ingolf Bossenz, 31. März 2011


Zu den drei Ereignissen, die in jüngster Zeit Sondersendungen im Fernsehen und Sonderseiten in Zeitungen bewirkten, gehörte neben der Katastrophe in Japan und dem Krieg in Libyen der Tod von Knut in Berlin. Das Ableben des Kult-Eisbären führte und führt zu öffentlichen Bekundungen von Trauer und Betroffenheit, die nicht weniger bizarr sind als das über das »Medium Knut« vermittelte Scheinbild einer intakten Mensch-Tier-Beziehung. Knut schaffte als Zootier in der Realität, was »Flipper«, »Fury«, »Lassie« und anderen Filmtieren in der Fiktion gelang: vom namenlosen Exemplar zum namhaften Individuum zu werden.

Ein solcher Schritt ist den 468 200 Robben nicht vergönnt, die jetzt die kanadische Regierung zu Abschuss und Totschlag freigegeben hat. Diese »Quote« wurde gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent erhöht. Junge Robben sind nicht weniger »süß« als junge Eisbären. Aber außerhalb des obligatorischen Protests von Tierschutzorganisationen regt sich kaum Empörung über das alljährliche Massaker. Vielleicht liegt es daran, dass selbst diese Zahlen dürftig wirken angesichts von 58,1 Millionen Schweinen und 3,7 Millionen Rindern und Kälbern, die 2010 allein in Deutschland geschlachtet wurden. Für Trauer und Betroffenheit sind das wohl einfach zu viele tote Tiere. Besser, man konzentriert sich auf Knut.


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Quelle:
Ingolf Bossenz, März 2011
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 31.03.2011
http://www.neues-deutschland.de/artikel/194432.todesnachrichten.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2011