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INTERVIEW/042: Veganes Straßenfest - Fronten öffnen ...    Knud Bartels im Gespräch (SB)



Knud Bartels ist bei Rettet das Huhn e.V. aktiv und war auf dem 6. Veganen Straßenfest in Hamburg-St.Pauli [1] mit einem Stand der Organisation präsent. Trotz der erschwerten Bedingungen eines Unwetters, bei dem das Standzelt festgehalten werden mußte, damit es von den Windböen nicht weggeweht wurde, erteilte er dem Schattenblick Auskunft über das Anliegen und die Arbeit dieser Initiative zur Rettung von Hühnern.


Im Gespräch - Foto: © 2019 by Schattenblick

Knud Bartels
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Herr Bartels, könnten Sie erklären, worum es bei Ihrem Verein geht?

Knud Bartels (KB): Wir sind von dem Verein Rettet das Huhn. Uns gibt es seit 2007. Wir sind die Schnittstelle zwischen Hühnerlandwirt und Schlachthof. Wenn die Hühner "ausgedient" haben und in den Schlachthof sollen, stehen wir dazwischen und holen sie uns in Absprache mit den Bauern ab. Das ist alles vertraglich geregelt. Wir vermitteln diese Hühner an tierliebe Menschen, die diese dann bis an ihr Lebenswende hegen und pflegen.

SB: Geht es im wesentlichen um Legehennen, die nicht mehr kommerziell verwertet werden können?

KB: Genau. Wir würden auch andere Hühner nehmen, hin und wieder vermitteln wir auch mal einen Hahn, aber primär sind es die Legehennen. An die Masthühner, die ja der Schlachtung zugeführt werden sollen, kommen wir nicht ran. Das gilt auch für die Elterntiere, aber Legehennen gibt es massenweise, daher versuchen wir, so viele wie möglich von ihnen zu vermitteln.

SB: Gibt es genug Menschen, die gern ein Huhn bei sich aufnehmen?

KB: Bedarf gibt es natürlich immer. Wir haben seit 2007 über 68.000 Hühner vermittelt, das ist natürlich schön und viel, aber wenn man bedenkt, daß mehrere Millionen jedes Jahr in die Schlachtung gehen, ist natürlich immer Bedarf an Menschen vorhanden, die die Hühner bei sich aufnehmen.

SB: Verbindet sich Ihr Aktivismus auch mit Veganismus oder ist das nicht unbedingt ein zwingender Zusammenhang?

KB: Viele von uns sind Veganer, aber es ist natürlich nicht zwingend. Die meisten, die Hühner von Rettet das Huhn vermittelt bekommen haben, konsumieren die Eier, die die Hühner ja weiterhin legen. Viele von uns, wie meine Frau und ich, geben die Eier an andere Leute, die sonst welche kaufen würden, weiter. Es ist keine zwingende Voraussetzung, aber es ist von der Einstellung der meisten Leute, die von uns Hühner bekommen, schon so, daß sie vegetarisch oder vegan leben.

SB: Die Hühner werden ja gezielt auf eine hohe Eiproduktion hin gezüchtet, die, wenn ich richtig informiert bin, etwa um den Faktor zehn höher ist als beim sogenanntem Urhuhn. Könnten Sie das genauer erklären?

KB: Das Urhuhn legt zwischen 20 und 40 Eier im Jahr, das sind mehrere Bruten. Es brütet die Küken aus, zieht sie groß und macht dann wieder ein neues Gelege. Diese Lege-Hybriden jedoch sind darauf ausgerichtet, über 300 Eier im Jahr zu produzieren. Das wird einmal durch die Zucht erreicht, die hohe Legeleistung wird aber zusätzlich durch künstliche Tag- und Nachtzeiten vergrößert. Da wird durch An- und Ausschalten von künstlichem Licht eine Woche mit acht Tagen generiert, dadurch wird ein Ei mehr gelegt, was natürlich immer auf die Lebensleistung und die Gesundheit geht. Dieses unendliche Eierlegen, das nicht zu bremsen ist, macht die Hühner tot.

SB: Die Hühner, die ausrangiert werden, weil sie nicht mehr leistungsfähig genug sind, legen aber immer noch relativ viele Eier, weil sie darauf gezüchtet sind?

KB: Ja genau. Sie legen nicht mehr sieben Eier die Woche, sondern sechs oder fünf. Je älter sie werden, um so weniger wird das häufig. Dennoch haben wir mit sieben Hühnern häufig sieben Eier am Tag.

SB: Führt der Verein über das Vermitteln von Hühneradoptionen hinaus auch Informationskampagnen durch, etwa zum Thema Legehennen?

KB: Neben dem, daß wir im Fernsehen und verschiedenen Medien präsent sind, gehen wir mit unserem Stand auf Feste wie dieses und versuchen, überall anwesend zu sein. Dann haben wir eine sehr große Facebook-Community und eine sehr ausführliche Internetseite. Wir versuchen aufzuklären, wo es irgend möglich ist.

SB: Insgesamt scheint die Ausbeutung von Hühnern nicht so viel Aufmerksamkeit zu erhalten wie die von größeren sogenannten Nutztieren, also vor allem Rindern und Schweinen. Was fällt bei der industriellen Tierhaltung von Hühnern aus Ihrer Sicht besonders ins Gewicht?

KB: Es ist im Prinzip nicht mehr oder weniger schlimm als bei Schweinen oder Kühen in der Intensivtierhaltung. Überall, wo das passiert, findet ein Verbrechen am Tier statt. Wir kämpfen für das Huhn, ich könnte genauso für das Schwein oder die Kuh kämpfen. Was da in der industriellen Tierhaltung passiert, ist eine Katastrophe. Man muß versuchen, da zu kämpfen, wo man eine Front findet.

SB: Was halten Sie von Initiativen wie dem Versuch, das sogenannte Bruderhuhn als Alternative anzubieten?

KB: Es kommt immer auf die Haltung an. Das männliche Küken wird normalerweise in dem Moment, wo es als Männchen erkannt wird, also am ersten Tag, geschreddert [2]. Wenn es dann gerettet wird und in einer Biofreilandhaltung lebt, dann geht es halt erst mit vier Monaten in die Schlachtung. Es kann somit nicht alt werden, aber es hat dann wenigstens vier Monate gelebt, und wenn es eine gute Haltung war, ist das besser als geschreddert zu werden. Es gibt Hühner, denen würde man aufgrund ihrer Haltungsbedingungen einen frühen Tod wünschen. Das heißt, es kommt immer darauf an, was sie mit den Tieren machen.

SB: Haben Sie ein prinzipielles Ziel, zum Beispiel die Ausbeutung von Hühnern zu beenden, oder würden Sie eher sagen, es sollte eine Form bestimmter Nutztierhaltung möglich sein?

KB: Schön wäre es natürlich, wenn Tiere nicht mehr als Nutztiere gesehen würden, sondern als Mitgeschöpfe. Tiere würden nicht mehr benutzt werden, wenn jeder vegan leben würde. Das wäre schön, ich bin Veganer, weiß aber auch, daß das zumindest zeitnah nicht möglich sein wird. Ich wünsche mir einen Umgang mit Tieren, der respektvoll ist, wo die Tiere auch, wenn sie benutzt werden, zumindest auf irgendeine Weise ein lebenswertes Leben haben. Es ist natürlich immer mit Abstrichen verbunden, spätestens in dem Moment, wo sie getötet werden, weil sie eben zum Schlachten gezüchtet werden. Aber die Zeit, die sie leben, sollte so positiv für das Tier sein, wie es nur irgend möglich ist. Die industrielle Tierhaltung, wie sie überwiegend erfolgt, ist in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt akzeptabel. Ideal wäre, wenn das aufhört.

SB: Herr Bartels, vielen Dank für das Gespräch.


Transparent und Auslage am Stand von Rettet das Huhn - Foto: © 2019 by Schattenblick Transparent und Auslage am Stand von Rettet das Huhn - Foto: © 2019 by Schattenblick

Ist die Zahl notleidener Hühner auch übergroß, so ist kein Akt der Hilfe umsonst
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0015.html

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/raub1201.html


1. August 2019


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