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INTERVIEW/023: Feiern, streiten und vegan - Bewegungsfrei und ohne Rätsel ...    Elisha, Anna und Claudia im Gespräch (SB)


Gebärdensprache - Vielfalt der Kommunikation

Interview auf dem Veganen Straßenfest in Hamburg am 13. September 2014



Die erklärte Absicht der Veranstalterinnen und Veranstalter des Veganen Straßenfestes in Hamburg, keinerlei Form von Ausgrenzung und Diskriminierung zuzulassen, wirkte sich auch darin aus, daß das Treffen so barrierefrei wie möglich gestaltet war. Um es auch für Menschen mit Hörschädigung zugänglich zu machen, wurden die Vorträge von mehreren Gebärdendolmetscherinnen übersetzt, was von nicht wenigen Besucherinnen und Besuchern des Festes in Anspruch genommen wurde. Unter ihnen befand sich auch Elisha, der dem Schattenblick zusammen mit den Gebärdendolmetscherinnen Anna und Claudia einige Fragen beantwortete.

Im Veranstaltungszelt auf dem Veganen Straßenfest - Foto: © 2014 by Schattenblick

Elisha, Anna, Claudia
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick: Warum übersetzt ihr alle Vorträge auf dem Veganen Straßenfest? Gibt es unter Gehörlosen ein besonderes Interesse an dem Thema?

Elisha: Es gibt viele Gehörlose, die selber vegan sind. Das gilt auch für mich, ich lebe seit März vegan. Mich hat die Massentierhaltung dazu angeregt, nachdem ich gesehen habe, was in den Mast- und Schlachtbetrieben geschieht. Dadurch habe ich auch gemerkt, daß man gesünder lebt, wenn man auf Tierprodukte verzichtet. Zu dem Straßenfest bin ich aus Interesse an der Sache gekommen. Ich hoffe, hier neue Informationen zu bekommen und bei den Vorträgen etwas zu lernen, daher ist es toll, daß auch Dolmetscher dabei sind.

SB: Wie ist es dazu gekommen, daß eine Begleitung mit Gebärdensprachdolmetscherinnen angeboten wird?

Anna: Das geht auf mich zurück. Ich bin Gebärdensprachdolmetscherin und ernähre mich auch vegan. Weil es in Deutschland praktisch keine Barrierefreiheit gibt, war es mir ein Anliegen, daß solche Veranstaltungen geöffnet werden. Weil ich an dem Thema Interesse habe, habe ich die Organisatoren angeschrieben und gefragt, ob sie Lust darauf hätten, die Veranstaltung barrierefrei durchzuführen.

SB: Gibt es aus der Sicht von Gehörlosen, die in dieser Gesellschaft durchaus Probleme haben, die andere Menschen nicht kennen und wahrnehmen, vielleicht einen besonderen Bezug, sich für Wesen einzusetzen, die keine Stimme haben, schwach sind und ausgebeutet werden?

Elisha: Das hat nichts mit der Gehörlosigkeit zu tun. Klar, Gehörlose stoßen auf viele Barrieren im Alltag, aber das mit Tieren zu verbinden, würde ich jetzt nicht so sagen. Mir haben Leute erzählt, daß man hier Informationen bekommt. Ich wäre zwar vermutlich auch gekommen, wenn es keine Verdolmetschung gegeben hätte, aber dann hätte ich mir die Vorträge nicht anschauen können. Dann wäre ich zu den Ständen gegangen, hätte mir die Flyer angeschaut und geguckt, was ich an Informationen mitnehmen kann. Aber die Vorträge hätte ich verpaßt, das wäre schade gewesen.

SB: Ihr seid in Gebärdensprachdolmetschen ausgebildet. Woher kommt das Interesse und wie sieht eure Ausbildung aus? Wie lange dauert es, diese Art von Sprache zu lernen?

Anna: Ich habe das als Studium absolviert und hier in Hamburg an der Universität mit einem Bachelor abgeschlossen. Der Studiengang dauert 3,5 Jahre und ist wie jedes andere Studium in unterschiedliche Module aufgeteilt. Da wird zum einen die Deutsche Gebärdensprache vermittelt, dann aber auch Linguistik, Translationswissenschaften, die Kulturgeschichte und Psychologie der Gehörlosengemeinschaft und eben alles, was man für das Gebärdensprachdolmetschen braucht. Ich bin einfach allgemein an Sprachen interessiert und finde, daß Dolmetschen ein total vielfältiger Beruf ist.

Claudia: Das war bei mir genauso, wir haben zusammen studiert.

SB: Gebärdensprachdolmetschen scheint eine sehr kommunikative Art zu sein, sich mitzuteilen. Man hat zwar keine Stimme, aber macht sehr viel mit den Händen und der Mimik. Wie wirkt sich das auf eure sonstigen kommunikativen Fähigkeiten aus? Erschließt sich darüber auch ein anderes Spektrum von Kommunikationsmöglichkeiten und könnte das Erlernen dieser Sprache auch über das Übersetzen für und von Gehörlosen hinaus von Interesse sein?

Anna: Die Kommunikation ist die gleiche, bloß daß man in der einen Sprache seine Stimmlippen bewegt und in der anderen die Hände und seine Mimik benutzt. Natürlich ist es praktisch, wenn man in der Bahn sitzt und der andere draußen steht, dann kann man sich immer noch unterhalten. Wenn man durch unsichtbare Barrieren getrennt wird, die den Klang der Sprache unterbinden, ist das natürlich ein Vorteil.

Claudia: Aber das funktioniert nur mit Menschen, die auch Gebärdensprache können.

Anna: Wenn alle Menschen Gebärdensprache könnten, hätte man natürlich viel mehr Möglichkeiten sich zu unterhalten in Situationen, wo man nichts hören kann, auf Parties oder wo es laut ist. Es ist einfach eine wunderbare Sprache an sich.

SB: Und handelt es sich um eine universelle Sprache?

Elisha: Nein, es gibt ganz verschiedene Gebärdensprachen. Jedes Land hat seine eigene Gebärdensprache, das ist auf keinen Fall gleich.

SB: Könnte man das nicht theoretisch zu einer Sprache ohne Barrieren machen, weil die Inhalte im Grunde universal sind, denn ein Stuhl ist ein Stuhl?

Elisha: Das ist ja das gleiche in den Lautsprachen. Warum machen wir das nicht auch, daß alle nur noch Englisch sprechen und es kein Deutsch mehr gibt, das wäre ja das gleiche, es sind einfach konventionalisierte Wörter, Zeichen. Man kann das nicht vereinheitlichen, das hat auch etwas mit der Kultur zu tun, mit Religion und anderen Dingen. Die Kulturen sind unterschiedlich, und deswegen sind auch die Sprachen verschieden. Es gibt konventionalisierte Gebärden, die International Sign Language genannt werden, aber das ist keine eigenständige Sprache. In Deutschland gibt es die Deutsche Gebärdensprache (DGS), das ist eine eigenständige Sprache. Genauso wie es in Nordamerika die American Sign Language (ASL) oder die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) gibt, aber etwas Internationales gibt es nicht.

SB: Elisha, würdest du vielleicht auch die Tierrechtsidee mit deinen Mitteln verbreiten wollen?

Elisha: Aufklärung über Veganismus würde ich sehr gerne machen, weil viele Gehörlose davon nichts wissen. Ich würde gerne über die Gründe aufklären, warum man vegan leben sollte. Wenn Gehörlose zu mir kämen, würde ich auch gerne erklären, warum ich selber vegan lebe.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.


Fußnoten:

Anm.: Elisha wurde von Claudia gedolmetscht

Mobilisierungsvideo für das Vegane Straßenfest in deutscher Gebärdensprache:
http://www.youtube.com/watch?v=0aIIL96w1xY



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26. September 2014