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HIPPOS/72: Kanadas Wildpferde von Wilderern bedroht


Kanadische Mustangs vom Aussterben bedroht

Unbekannte betrachten die freilebende Herde als Freiwild


Die letzten kanadischen Wildpferde, die derzeit noch frei und 'halbwild' am westlichen Vorgebirge der Provinz Alberta ihr 'privilegiertes' Pferdeleben genießen können, werden dieser Tage von unbekannten Wilderern bedroht. Solche vermeintlichen Privilegien sind vielen, die das von Wildtieren genutzte Brachland lieber anders verwendet oder bewirtschaftet sähen, ein Dorn im Auge. Gerade unter der profitorientierten amerikanischen Bevölkerung und hier im verstärkten Maße unter der Landbevölkerung findet man diese Einstellung häufiger, und Wildpferde, amerikanische Mustangs, die früher als das Wahrzeichen des Wilden Westens galten und denen man auf Gemälden und Statuen huldigte, werden heute als Parasiten oder gar "Geißel der Gesellschaft" verstanden.

So berichtete der Schattenblick schon vor Jahren von den Wildpferden in Nevada, die dort der Landerschließung von Farmern und Bauspekulanten im Weg sind und von lancierten Pferdemördern beseitigt werden, weil sich der Geldadel anders nicht schnell genug gegen Naturschützer und Liebhaber der Mustangs sowie den neu gegründeten Vereinen zum Schutz der wilden Pferde durchzusetzen weiß [siehe auch HIPPOS/68: Amerikanische Wildpferde verfolgt und verbannt]. Dabei wissen die Gegner der Wildpferde allerdings auch die amerikanische Regierung hinter sich, so daß sie der ohnehin eingeleiteten Entwicklung bzw. Abwicklung durch Staatsgewalt nur vorgreifen.

Entsprechende Parallelen, die einen Natur- und Pferdeliebhaber grausen lassen, finden sich nun auch im Umkreis von Ottawa.

In den vergangenen Wochen wurden allein sieben Pferdeleichen in den unerschlossenen Waldgebieten 130 Kilometer nordwestlich von Calgary gefunden. Damit erhöhte sich die Anzahl der laut der "Wild Horses of Alberta Society" als "ermordet" bezeichneten Mustangs, die man seit 2005 in diesem Gebiet fand, auf 20.

Während dieser langen Zeit der laufenden Ermittlungen konnte die Polizei bisher nichts weiter als Munition sicherstellen. Einen Verdächtigen gibt es offiziell noch nicht, was zu den naheliegenden Mutmaßungen führt, daß die Tötungen mit den Interessen des Staates konform laufen.

Die Schutzgemeinschaft für das Alberta-Wildpferd (Wild Horses of Alberta Society) setzte als einzige Organisation eine hohe Belohnung für Hinweise auf mögliche Täter bzw. für die Gefangennahme desjenigen aus, der, wie sie sagen, als "psychotisches", "schießgeiles" Individium für die Tiermorde verantwortlich sei.

Die kanadische Wildtierbehörde hält die kleine verbliebene Herde ungezähmter, freilebender Mustangs für eine versprengte Gruppe der amerikanischen Mustangs. Diese stammen ursprünglich von entlaufenen Hauspferden ab. In Kanada wurden erstmals um 1900 Pferde als Arbeitstiere für Baum-, Holz, Transport- und Aufbauarbeiten in den wilden, unerschlossenen Urwald des Rocky Mountain-Vorgebirges gebracht, wo sich für jeden, der sich von der Zivilisation zurückziehen wollte, und besonders für die Pferde ausreichend Verstecke und Lebensraum boten.

Die Schutzgemeinschaft vermutet, daß die Pferdepopulation noch in den 80er Jahren etwa 1000 Exemplare zählte, inzwischen aber trotz der zeitweise starken Natur- und Umweltbewegungen in Amerika auf nurmehr 200 Tiere zusammengeschrumpft ist. Das ist nicht mehr allein auf die schlechter werdenden Lebensbedingungen in der Natur zurückzuführen.

Auch die Lokale Presse vermutet hinter den toten Pferden Privatinteressen z.B. von ansässigen Ranchern, denn wie schon die Vorfälle in Nevada zeigten, wird gemeinhin behauptet, die Wildpferde würden den Nutztieren Wasser und Nahrung nehmen:

Local media supposed ranchers were behind the deaths of the horses, which graze much more than cows.
(AFP, 28. Januar 2007)

Etwas weiter westlich, im amerikanischen Nevada, ist die Regierung wesentlich unverblühmter, was ihre Forderung betrifft, die Population der Mustangs einzugrenzen bzw. wie Unkraut auszumerzen. Dort hat das amerikanische "Government's Bureau of Land Management" kurz BLM schon tausende der freigeborenen und -lebenden Tiere einfangen lassen, um sie fortzuschaffen. Ob tatsächlich eine Art Umsiedlung geplant wurde oder die Tiere wie in den Fällen ihres spurlosen Verschwindens schlicht abgeschafft (bzw. geschlachtet) werden, geht aus den offiziellen Berichten natürlich nicht hervor.

Die Sprecher der Behörde behaupten, daß sich die Pferde rücksichtslos vermehrten und - im Hinblick auf eine in der amerikanischen Geschichte bisher beispiellos andauernden Dürreperiode im Westen - dem Nutzvieh die wertvollen Wasser- und Futterressourcen streitig machten. Das ist natürlich ein schwerwiegendes Argument angesichts der zunehmenden Unterversorgung der ärmeren Bevölkerung mit Lebensmitteln in Amerika. Doch so ganz stimmt das nicht. Der BLM gehören 261 Millionen amerikanische "Acres" (1 acre = 4046,8 cm²) in 12 Staaten im Westen Amerikas und Alaska. Der Wildpferdebestand ist schon seit 1971, als der "Wild Free-Roaming Horse and Burro Act" im Kongreß verabschiedet wurde, um die Hälfte zurück gegangen.
(TIERE\HAUSTIERE; HIPPOS/68: Amerikanische Wildpferde verfolgt und verbannt, Schattenblick 2004)

Selbst bei 16.000 Wildpferden in Nevada kann man angesichts der 4 Millionen Rinder des Landes wohl kaum von einer Überpopulation reden, zumal Nevada nach wie vor reich an ungenutzten Weideflächen ist. Daß aber schon bei einer wesentlich kleineren Kopfzahl wie den 200 bis 1000 Tieren in Kanada um die Ressourcen gestritten wird, zeigt nur, wie es um die Entwicklung des Landes bestellt ist.

Bei zunehmenden Mißernten und weiteren Naturkatastrophen wie die alles verzehrenden Dürren und Hurrikans der letzten Jahre werden die noch unerschlossenen, wasserreichen Gebiete Kanadas möglicherweise auch von anderer Seite aus als zukünftige Ausweichflächen für die bedrohte amerikanische Landwirtschaft angesehen. Und was die Sicherung der eigenen Ressourcen betrifft, hat die amerikanische Regierung in der jüngsten Geschichte selbst vor schlimmeren Ausfällen gegen die weniger oder unbewehrte Kreatur nicht zurückgeschreckt. Dagegen sind die Mordanschläge an ein paar Pferden bekanntlich nur "peanuts".

30. Januar 2007