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HIPPOS/02: Pferde - auf dem Schafott des Amtsschimmels (SB)


EINE UNWILLKOMMENE GABE

und wie man sich ihrer entledigte


... Eine wahre Geschichte, bei der sich jedem Pferdefreund die Hufe hochrollen, wenn nicht vor kalter, ohnmächtiger Wut die Galle überkocht, ereignete sich in einem unserer europäischen Nachbarländer, dem schwedischen Königreich. Bezeichnend und typisch für das sture, routinemäßige Vorgehen des Amtsschimmels, den wir nicht nur in Schweden antreffen, hätte sich diese Begebenheit ebenso in irgendeinem anderen europäischen Land abspielen können und würde - stünde eine andere Behörde heute vor der gleichen Entscheidung - wahrscheinlich immer wieder in ähnlicher Weise ablaufen: Edle, gesunde Tiere enden im Schlachthaus.

Nach dem Motto "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" sandte Abdul Waheed, Chef der pakistanischen Armee, an seinen schwedischen Kollegen Ake Sagren drei wahrhaft königliche, braune Vollblutwallache. Tez, Sardar und Sher Dil sollten - so dachte sich zumindest der glücklich Beschenkte - ehrenvoll in den Stall der berittenen königlichen Leibwache eingegliedert werden. Doch da hatte er nicht an die schwierigen Einfuhrregeln für Tiere aus fernen Ländern gedacht. Als sich der Armeestab bei der Landwirtschaftsbehörde erkundigte, war die Antwort ernüchternd: Die Übertragungsgefahr von unbekannten Krankheiten wird bei Tieren aus Asien so hoch eingeschätzt, daß die Einfuhr strikt verboten ist. - Ein aussichtsloser Kampf gegen den Amtsschimmel begann. Das Geschenk abzulehnen wäre eine tödliche Beleidigung gewesen - ein Pferd zu verschenken hat einen hohen symbolischen Wert in den muslimischen Ländern, die ihre Geschichte bekanntermaßen zu einem großen Teil der Schnelligkeit des Pferdes zu verdanken haben (und das schon lange vor Dschingis Khan). Der weitere Schicksalsweg der fünf- und sechsjährigen pakistanischen Vollblüter erinnert zunehmend an diese alten, blutrünstigen Geschichten aus dem Morgenland oder 1001 Nacht, in denen die verlorene Ehre nur mit Blutrache bezahlt werden konnte und ein umsichtiges, diplomatisches Vorgehen in Ehrensachen gefragt war. Nur fehlt das Verständnis, wenn es auf dem Rücken der wehrlosen Kreatur ausgefochten wird, die man vermeintlich so hoch schätzt und liebt.

Die unliebsame, ja lästige Ehrengabe wurde also aus politischen Erwägungen und in der unbegründeten Hoffnung auf eine gütliche Lösung akzeptiert. Eine Maschine der schwedischen Luftwaffe flog kurz vor Weihnachten '94 nach Islamabad, um die Tiere abzuholen. In Estland sollten sie sechs Monate in Quarantäne gestellt werden, um dann, sozusagen durch die Hintertür, doch noch in die königlichen Stallungen zu gelangen.

Doch die esthnischen Behörden zogen die zunächst erteilte Genehmigung wieder zurück. Die Pferde kamen statt dessen direkt in schwedische Quarantäne und somit in die unerbittlichen Hände des schwedischen Veterinäramtes, das die Einfuhr zuvor schon verboten hatte. Obwohl eine veterinärmedizinische Untersuchung vor Ort ergab, daß die Tiere in einem tadellos gepflegten Zustand und vollkommen gesund waren, ließen sich die schwedischen Veterinäre nicht erweichen: Das Todesurteil für die jungen pakistanischen Vollblutpferde wurde Ende Dezember in einem schwedischen Schlachthaus vollstreckt.

Erstveröffentlichung 1995

10. April 2007