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HAUSTIER/194: Das Pferd auf der Psychiater-Couch (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2016
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Das Pferd auf der Psychiater-Couch

Von Stefanie Pöpken


Stress bis hin zum Burnout hat auch in der Pferdewelt seinen Platz gefunden

Stress bei Pferden stellen sich viele nur in Verbindung mit den Hochleistungspferden vor, die sowohl im täglichen Training als auch auf Sportveranstaltungen an ihre körperlichen Grenzen geführt werden. Einige denken an die jungen Rennpferde, die noch vor Vollendung des dritten Lebensjahres ihre ersten großen Rennen bestreiten und nach kurzer Einsatzzeit wieder aussortiert werden, weil sie dem Druck nicht standhalten und ihre Leistung entsprechend nachlässt. Oder an die zweijährigen Westernpferde, die in voller Montur und mit schwerem Reiter bereits ihren ersten "Sliding Stop" (das Pferd soll hierbei rutschend zum Stehen kommen) vollführen.

Der Stress macht aber nicht vor der Freizeitreiterei halt. Auch ambitionierte Freizeitreiter, die in den Sommermonaten ihre Tiere auf jedem Turnier vorstellen, das sich im Umkreis von 100 Kilometern um den Stall herum befindet, muten ihren Tieren oftmals zu viel zu. Sie gönnen ihren Pferden nicht die nötige Ruhe, die sie brauchen. Großen Stress verursachen auch Reiter, die meinen, ihr Pferd muss diese und jene Lektion schon im jungen Alter beherrschen. Zusätzliche Stressfaktoren können eine nicht artgerechte Haltung, Unterdrückung von artgerechtem Verhalten und aggressive Weidekollegen sein. Wenn dann noch eine grobe Handhabung der Tiere, eine unangemessene Hilfegebung oder unpassendes Sattelzeug dazu kommt, kann es zum Burnout-Syndrom (engl. burn out 'ausbrennen') kommen. Die Pferde sind dann physisch und psychisch total erschöpft, lustlos und wirken wie abgeschaltet.


Woran erkennt man einen Burnout oder stressbedingten Erschöpfungszustand?

Der Prozess ist schleichend und anfänglich kaum zu erkennen. Mit der Zeit verändert sich das Tier in seinem Wesen. Die Leistung nimmt ab, und es können plötzliche Veränderungen des Verhaltens wie Aggressivität auftreten. Das Pferd nimmt weniger am Alltagsgeschehen teil und zieht sich immer mehr zurück.


Was passiert, wenn das Pferd über eine längere Zeit in eine Stresssituation gerät?

Das sogenannte "Langzeit-Stresshormon" Cortisol sorgt dafür, dass der Stoffwechsel des Tieres von aufbauend auf abbauend schaltet. Die körpereigenen Reserven werden angezapft. Der Blutzuckerspiegel erhöht sich, der Fettabbau wird angekurbelt und im Blut finden sich erhöhte Fettwerte. Gleichzeitig werden Entzündungen gehemmt und das Immunsystem unterdrückt. Damit mobilisiert der Körper die nötige Energie, um dem Stressfaktor zu entkommen. Doch hier liegt auch eine große Gefahr, denn das Immunsystem ist Krankheiten gegenüber jetzt anfälliger, und gerade wenn der Stress nicht nachlässt, kann es zu ernsthaften Erkrankungen kommen.

Pferde, die an Dauerstress oder Burnout leiden, erkranken häufig am Magen- und Darmtrakt: Magengeschwüre, Koliken, Kotwasser, Durchfall, Atemwegserkrankungen, Stoffwechselungleichgewichte, Immunsystemschädigungen, Allergien und Knochenverkalkungen. Denn der andauernde "Ausnahmezustand" fordert seinen Tribut. Alle körperverfügbaren Reserven werden den lebenswichtigen Organen entzogen. Die Zellerneuerung ist langsamer. Wenn der Körper daher nicht genügend Regenerationsphasen erhält, stellt sich mit der Zeit eine für den Körper lebensbedrohliche Situation ein.


Vorbeugen ist die beste Medizin

Das Vermeiden eines Erschöpfungszustandes/Burnout beim Pferd ist denkbar einfach. Als erstes ist die Haltungsumgebung auf ihre Pferdegerechtheit zu überprüfen. Ausreichend Raufutter, Weidegang, Kontakt mit Artgenossen gepaart mit einer fairen und pferdegerechten Ausbildung und dementsprechenden Ruhe- und Entspannungspausen können Burnout verhindern. Pferde bei guter Leistung zu loben sollte eine Selbstverständlichkeit sein, wird allerdings gerne vernachlässigt. Dadurch kann Frust entstehen und die Motivation zur Mitarbeit erlöschen. Der Pferdebesitzer oder die Reitbeteiligung sollte sich immer wieder kritisch mit der Ausbildung und dem Training des Pferdes beschäftigen. Oft entstehen Stresssituationen durch Unwissenheit oder die "gewollte Ignoranz" des Reiters auf Kosten des Pferdes.


INFOBOX
Es gibt viele sehr gute Ausbilder/Trainer und Reitlehrer, die nicht nach Schema F trainieren. Die hier aufgeführten Links geben eine erste Übersicht (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
www.wu-wei-verlag.com
www.bfkbr.de
www.thegentletouch.de

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2016, Seite 36-37
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2016

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