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BERICHT/108: City of Dances - keine Nebensache ... (SB)



Podiumsteilnehmer - Foto: © 2020 by Schattenblick

Auf dem Podium, v.l.n.r.:
Prof. Nik Haffner, Ausbildungskonferenz Tanz AK|T
Dr. Kerstin Evert, K3 | Tanzplan Hamburg
Prof. John Neumeier, Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier, Bundesjugendballett
Amelie Deuflhard, Kampnagel
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien Hamburg
Foto: © 2020 by Schattenblick

Hamburg will in der Zeit vom 17. bis 23. Februar 2020 zur CITY OF DANCES erwachsen. Hierzu ziehen Kampnagel mit K3 | Tanzplan Hamburg und die Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier mit dem Bundesjugendballett an einem Strang. Unterstützung erfahren sie von der Ausbildungskonferenz Tanz AK|T, der Stadt Hamburg und dem Land. Gemeinsam werden sie die 7. Biennale Tanzausbildung 2020 Hamburg ausrichten. Eingebettet in dieses Gemeinschaftsprojekt findet auf Kampnagel die 6. Ausgabe des Tanzfestivals FOKUS TANZ statt. CITY OF DANCES präsentiert sich einerseits als Weiterbildung und Austausch für ca. hundertfünfzig Schülerinnen und Schüler von neun deutschen[1] sowie neun internationalen[2] Tanzschulen und ist andererseits verwoben mit einer Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen. Dieses Projekt wurde auf der Pressekonferenz am 23. Januar 2020 vorgestellt.


Portrait - Foto: © 2020 by Schattenblick

Dr. Carsten Brosda
Foto: © 2020 by Schattenblick


Das Wort übernahm Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien Hamburg. Dieses Projekt zeige: "... was gelingen kann, wenn man Kompetenzen und Ressourcen poolt und den Willen zur Zusammenarbeit hat."

Die Stadt ist bestrebt, in solche Projekte auch die Öffentlichkeit mit einzubeziehen, um zu zeigen, welche Bedeutung Tanz "im Rahmen einer Kulturstadt und ihrer Programmatik haben kann". Damit die Bürger und Bürgerinnen den Tanz in seiner Gesamtbreite erleben können, würden die 7. Biennale Tanzausbildung 2020 Hamburg und das Tanzfestival FOKUS TANZ #6 miteinander verwoben. So werden vor den eigentlichen Veranstaltungen von FOKUS TANZ jeden Abend ab 18:30 Uhr jeweils drei der beteiligten Schulen eine eigene Darbietung zeigen. Das Einzigartige dieser Veranstaltung fand Dr. Carsten Brosda, bestehe in der Zusammenarbeit zwischen der weltweit bekannten, maßstabsetzenden Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier, dem Jugendballett und Kampnagel sowie K3 | Tanzplan Hamburg. Dies zeige, was im Bereich des modernen Tanzes möglich wird, wenn verschiedene Welten zueinander kommen, Schulen, Institutionen und Produktionsstätten sich verbinden und mehr zusammen kreieren und kooperieren.

Das sei nicht selbstverständlich wie das aktuelle Beispiel in Berlin zeige, wo gerade eine vergleichbare Idee gescheitert sei, ergänzte später Amelie Deuflhard, denn in Berlin seien die Intendantin Sasha Waltz[3] und ihr Co-Intendant Johannes Öhman gerade gestern (22. Januar) zurückgetreten. Sie hatten den Versuch gestartet, einen umsichtig zeitgenössischen Tanz ins Staatsballett zu bringen, gleichzeitig aber auch das klassische Ballett weiterzuführen. Sasha Waltz sei erst seit einem halben Jahr dabei und jetzt schon zurückgetreten - mit einem Projekt, welches sie schon seit Jahren konzipiert hatten.

Dr. Carsten Brosda hofft, daß sich aus diesem Projekt und der gemeinsamen Arbeit etwas Dauerhaftes, die Kulturlandschaft Hamburgs Bereicherndes und Beständiges ergeben werde. Abschließend sagte er, daß die Stadt das Projekt im Bereich FOKUS TANZ mit 209 000,- Euro fördere, der Bereich Tanzausbildung, die Bienale, würde über den Bund gefördert mit 260 000,- Euro. So unterstütze die öffentliche Hand und die Stadt Hamburg diese große Veranstaltung. "Es wird spannend."


Portrait - Foto: © 2020 by Schattenblick

Prof. Nik Haffner
Foto: © 2020 by Schattenblick


Es folgte der Sprecher der Ausbildungskonferenz Tanz AK|T Prof. Nik Haffner, Künstlerischer Direktor an der HZT, dem Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin. Haffner führte auf, an welchen Orten[1] in Deutschland heutzutage Tanz studiert werden kann. Anschließend gab er einen Überblick über die Akademie AK|T sowie einen Rückblick auf die Bienale Tanzausbildung, die 2020 bereits in die 7. Auflage geht. Die AK|T Ausbildungskonferenz Tanz gibt es seit 2007. Sie ist eine Arbeitsgemeinschaft, eine nationale Interessenvertretung und ein Verbund aller staatlich geförderten Ausbildungsinstitutionen im Bereich Tanz und Choreographie.

Neben den jährlichen Fort- und Weiterbildungen ist die Bienale eines der Hauptarbeitsfelder der AK|T. 2008 wurde die Bienale zum ersten Mal ausgerichtet. Sie fördert den Nachwuchs im Bereich Tanz und Choreographie. Gewünscht ist ebenfalls der Dialog zwischen den Lehrenden. Seit 2014 ist ein Austausch mit internationalen Schulen gegeben. Bei der Bienale kommen Tänzer und Tänzerinnen zusammen, die auch zukünftig in der Szene international zusammen arbeiten werden. Tänzer, die 2008 dabei waren, begegnen sich auch heute noch auf Auditions und arbeiten gemeinsam an Projekten. Die Bienale bietet ein erstes Kennenlernen zwischen den Tänzerinnen und Tänzern.

Gefördert wird die Bienale Tanzausbildung vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), seit 2012 auch im Rahmen der Bundeswettbewerbe für künstlerischen Nachwuchs Lyrik, Film, bildende Kunst und Tanz. Die AK|T und die Bienale Tanzausbildung sind im Rahmen des damaligen Förderprogramms Ausbildungsplan Deutschland entstanden, das von der Bundeskulturstiftung initiiert war. Haffner wies darauf hin, daß daraus auch K3 | Tanzplan Hamburg entstanden sei. Dieser Ausbildungsplan habe die Ausbildungsstätten besser vernetzt und verstärkt.

Die diesjährige Hamburger Bienale sei gleichzeitig eine Premiere. Die Idee, auch das Wissen der Städte zu nutzen und die Vielfalt des Tanzes mit den Partnern vor Ort darzustellen, habe es schon länger gegeben, aber erst in diesem Jahr würde sie umgesetzt. Es war ihm wichtig: "... die Bienale so zu gestalten, daß sie dem entspricht wie auch die Tanzausbildungsszene heute in Deutschland und international aussieht, mit einer großen Bandbreite vom klassischen, über den zeitgenössischen Tanz bis hin zu Performance und zeitgenössischer Choreographie."


Portrait - Foto: © 2020 by Schattenblick

Prof. John Neumeier
Foto: © 2020 by Schattenblick


Drei Dinge liegen John Neumeier[4] besonders am Herzen: Zusammenarbeit, die Fülle verspricht; was die Beherrschung körperlicher Techniken für den Tanz bedeutet und der Wert von Traditionen.

Die Bedeutung von Zusammenarbeit für das Projekt CITY OF DANCES veranschaulichte John Neumeier mit einer Geschichte um Pina Bausch. Als 1985 Peter Zadek[5] die Tänzerin nach Hamburg bringen wollte, gab es viele Stimmen in der Presse, die John Neumeier gegen diesen Schritt vorgehen lassen wollten. Doch er habe Peter Zadek zu seinem Schritt gratuliert und ihm gesagt, es könne ihnen nichts Besseres passieren, als daß Pina Bausch mit ihrem Ensemble nach Hamburg kommen würde. Denn erst wenn man zwei große, so unterschiedliche und kreative Compagnien in einer Stadt habe, könne man sagen, es sei wirklich eine große Stadt des Tanzes.

Hier schlug Neumeier den Bogen zurück zum aktuellen Anlaß und meinte, daß er das Festival CITY OF DANCES mit all seinem Austausch in sehr unterschiedlichen Formen des Tanzes nur begrüßen könne. Vormittags würden die Schüler im Ballettzentrum verschiedene Aspekte und Techniken des Tanzes erarbeiten. "Die Kunst Tanz benutzt verschiedene Techniken, um das Instrument des Tanzes, den Menschen, vorzubereiten, das sein Körper artikulieren lernt. Diese Techniken können sehr unterschiedlich sein. Je physisch eloquenter ich als Tänzer bin, um so mehr kann ich ausdrücken, um so mehr Techniken kann ich beherrschen und um so mehr und um so klarer kann ich sprechen, um so deutlicher kann ich den Ausdruck meines Körpers darstellen." Traditionen erfahren Entwicklung und die wichtigste Entwicklung im Bereich des Tanzes bezieht sich auf die Technik: "Wofür ist eine Technik da? Um den Körper artikulieren zu lassen. Man muß schauen, welche Art von Ballett wird heute gemacht und nur dafür ist die Technik da, dafür sollen die jungen Menschen vorbereitet werden." Er bedauerte es, daß es für die Technik im Tanz keine wirklich universelle Sprache gibt. Jede Schule interpretiert Tanzbegriffe anders.

Neumeier ging auf die Themen der Workshops, genannt Do-Shops, ein und berichtete, was den Schülerinnen und Schülern zur freien Wahl stehen wird: Anhand eines Ausschnitts aus einem John Neumeier-Ballett werde das Thema erarbeitet: Wie kann man Grenzen weiter ausufern? Wie kann Tanz Teil einer Oper sein? Eine weitere Arbeit wird das Lernen und Erproben von Repertoirestücken des Bundesjugendballetts sein - "Bienale meets BJB". John Neumeier zeigte sich erstaunt, aber auch erfreut darüber, wohin es bei dem Jugendballett geht, an welchen Orten sie tanzen und mit welchen Gruppen sie arbeiten, zum Beispiel auch mit behinderten Kindern.

Die Arbeiten am Vormittag sollen zeigen, daß klassische Tänzer nicht nur auf die Opernhäuser mit ihrer Arbeit beschränkt sind, sondern daß es auch weit mehr Möglichkeiten für sie zum Agieren gibt. Denn "Tanz macht seine Bühne! Tanz erfindet die Bühne immer wieder neu", so John Neumeier. In einer weiteren Arbeit wird es um das Ballett "Yondering" gehen, das John Neumeier 1996 in Koproduktion für die Canada's National Ballet School zur Musik von Stephen Foster ausschließlich für Studierende choreografiert hatte. Als letztes Feld wird "Beethoven Dances" zur Verfügung gestellt. 2018 kreierte John Neumeier die 40 Tänze zum 40jährigen Bestehen der Ballettschule. An diesem Ballettstück können die Schüler und Schülerinnen jedes Ausbildungsniveaus das jeweilige Können ausschöpfen und präsentieren.

Wichtig war John Neumeier zu informieren, daß das Hamburg Ballett, sowie die Ballettschule mit dem Internat und das Bundesjugendballett hier im BALLETTZENTRUM unter einem Dach sind. Dies zeige, daß es um ein Zentrum und gemeinsames Handeln gehe. Leider räumte John Neumeier ein, sei das Ballettensemble während der Festivalzeit auf Tournee in Singapur.

Ein Highlight sei, daß alle Schulen die Möglichkeit erhalten werden, in kleinen Gruppen mit Dr. Schäfer die Sammlung der Stiftung über die Geschichte von Tanz zu besuchen. Mit einem einzigen herausgerutschten Wort wurde deutlich, wie wichtig John Neumeier die Hinterlassenschaft der Stiftung in Form der Sammlung zum Thema Tanz und ihrer Geschichte ist. Er hofft, daß die junge Generation aus den Traditionen ihren Nutzen zieht und den Wert der Sammlung erkennt.


Portrait - Foto: © 2020 by Schattenblick

Dr. Kerstin Evert
Foto: © 2020 by Schattenblick


Dr. Kerstin Evert, Leiterin von K3 | Tanzplan Hamburg, ging es um die Bewegung nach außen. Sie griff von ihrem Vorredner das Fortsein des Ballettensemble in Singapur während der Zeit der Veranstaltung auf, dies sei ein wunderbarer Aufhänger für Grenzüberschreitung, was den Planern von CITY OF DANCES nicht nur in der geographischen Bewegung ein großes Anliegen sei. "Tanz ist per se ein internationales Feld." Deshalb sollten den neun nationalen Schulen auch neun internationale Hochschulen und Tanzausbildungsformen an die Seite gestellt werden: "Von Indien über Kanada nach Rotterdam, in den Iran, es ist wirklich global umspannend." Manche seien vielleicht in dem Sinne keine formalisierten Ausbildungsstätten, aber in ihrem lokalen Ort, in ihrem lokalen Kontext wichtig, gesellschaftliche Entwicklungen und Prozesse anzustoßen.

In der Ausbildung gäbe es einen bestimmten Schutzkokon, den hätte man vielleicht schon früher überschreiten sollen, aber das wollten sie hier besonders forcieren. Die Grenzüberschreitungen wären im Vorfeld stark und ausgiebig diskutiert und der Blickwinkel erweitert worden, das sollen nun auch die 150 Studierenden in den verschiedensten Begegnungsformen erleben können, vormittags im Ballettzentrum, nachmittags auf Kampnagel. Kerstin Evert verwies auf die Ausschreibung für ein Stipendium für junge Menschen, die gern eine Tanzausbildung machen möchten, die aber bislang an Grenzen scheiterten, diese Ausbildung zu erreichen, weil sie vielleicht eine körperliche Beeinträchtigung hätten. "Denen soll mit zwei Stipendien ermöglicht werden, hier einmal hinein zu spüren und auch Kontakt zu den Ausbildungsstätten herzustellen. Dies ist eine weitere Grenzüberschreitung."

Bei der Bienale geht um das Zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu erarbeiten, auch in Bezug auf die Zeit nach der Schulausbildung. Es stellt sich die Frage: "... welchen Stellenwert hat Tanz in der Gesellschaft; wo kann Tanz - und das kann er - gesellschaftliche Veränderungsprozesse nicht nur spiegeln, sondern anstoßen?" Bei City of Dances soll die spätere Arbeitspraxis jenseits von Vorbehalten oder Differenzen angesprochen werden. "Hamburg ist ein Spiegel dieser internationalen Tanzprozesse, sowohl im klassischen wie im zeitgenössischen Sinn, aber auch im Bereich des HipHop." Der Austausch wäre wichtig. So soll es auch gemeinsames Essen geben und Räume für Begegnungen.

Evert lobte das Produktionsteam, das jede Menge Arbeit diesbezüglich zu bewältigen habe. Besonders benannte sie drei Leiter: Felix Wittek für den Bereich der Produktion, Markus Both als technische Leitung der Bienale und Ulrike Steffel für den Kommunikationsbereich.


Portrait - Foto: © 2020 by Schattenblick

Amelie Deuflhard
Foto: © 2020 by Schattenblick


Die Intendantin und künstlerische Leitung von Kampnagel, Amelie Deuflhard, kam als letzte zu Wort und wies ebenfalls auf die ungewöhnliche Zusammenarbeit hin und darauf, wie selten es so etwas gebe. "Wir wollen aber nicht nur workshoppen und proben, wir wollen natürlich auch Arbeiten zeigen." Dieser öffentliche Teil nimmt einen großen Bereich neben der Bienale ein. Sechs Abende beginnen jeweils mit drei Showings der Tanzschulen, wo der Betrachter einen Einblick in das erhält - von Südafrika über Burkina Faso, über Indien bis hin zur Ballettschule hier in Hamburg von John Neumeier und auch K3 -, was es an Ausbildungsmöglichkeiten gibt. Es zeigt sich, wie unterschiedlich die Ausbildung in den verschiedenen Kulturen, aber auch die Bedingungen für Tanzausbildungen sind. Es gibt viele Länder auf der Welt, wo Tanz verboten ist.

Nach den Präsentationen der Schulen wird es jeden Abend ein Programm geben, von Newcommern bis zu Tanzlegenden, zum Beispiel: Claire Cunningham mit "4 Legs Good", Deborah Hay (78 Jahre) mit "Animals On The Beach" & 3 Soli, eines tanzt sie selbst; Ousmann Sy mit "Queen Blood", ein Stück nur mit Frauen, abgeleitet vom Streetdance. Sy ist Spezialist im HipHop und unterschiedlichsten Formen des Streetdance, die eigentlich eher eine männlich geprägte Tanzform ist. Für die Soli gibt Deborah Hay Vorgaben, mit denen ihre Tänzer und Tänzerinnen dann frei umgehen können. Sie gibt quasi eine Partitur vor, die kann dann jede Tänzerin frei ausleben.

Im Late Night Programm zeigt Nora Chipaumire aus der Black Community ihre Trilogie "#Punk", "100% POP" und "N!GGER". "Dynamisch, frisch, jung, energetisch, etwas, das einem die Socken auszieht", verkündete Amelie Deuflhard. Die Trilogie sind Stücke über Musiklegenden aus den 70iger, 80iger und 90iger Jahren wie Patti Smith, Grace Jones und Rit Nzele. Die Veranstaltungen finden zum Teil um 22.00 Uhr statt, überschneiden sich also nicht, damit alle die Möglichkeit haben auch sämtliche Stücke noch mitnehmen zu können. Darüber hinaus gibt es sehr viele Talkrunden und eine Buchvorstellung zu Pina Bausch.

Deuflhard wies darauf hin, wenn es eine große Tanzkooperation in Hamburg gibt, dürfe auch die HipHop Academy nicht fehlen, die eine wichtige Rolle im Urban Dance Bereich habe. Melanie Zimmermann habe die Idee von einem FUSION DANCE BATTLE eingebracht. "Im Woking und im HipHop sind Battle ein bekanntes Format, man streitet sich tänzerisch, darum wer der Beste ist, dieses Battle wird erweitert durch Ballett, Contemporary Dance und African Dance. Dies ist ein Experiment in der K6 am vorletzten Tag."

Gespannt ist Deuflhard auch auf ein weiteres Projekt, die BOTTOM-UP DANCE SCHOOL, die im Rahmen der Bienale gestartet wird. Die BOTTOM-UP DANCE SCHOOL existiert kurzfristig und wird dann wieder verschwinden. Die Idee ist, zeitgenössische Choreographen einzuladen, die sowohl Laien als auch Professionelle unterrichten, quasi um einen Einstieg zu schaffen. Es wird sich zeigen, ob das zu einer zeitgenössischen Tanzausbildung in Hamburg führen kann.

Dank sprach Amelie Deuflhard der Kulturbehörde für ihre Unterstützung aus. Sie wies noch einmal darauf hin, daß dies eines der ganz großen internationalen Tanzevents sei, das gemeinsam in Hamburg veranstaltet werde.


Blick auf das Podium mit den Pressevertreter vor dem Wandbild von Anita Rée - Foto: © 2020 by Schattenblick

Blick auf das Gemälde "Orpheus mit den Tieren" von Anita Rée um 1930. Beim Einzug der Ballettschule war das Bild nicht zu sehen. Aber es war eines der ersten Arbeiten, das Bild freizulegen und zu restaurieren.
Foto: © 2020 by Schattenblick


Die Referenten standen anschließend für Fragen zur Verfügung. Zuerst wurde nach weiteren ansässigen Tanzschulen wie beispielsweise die Lola Rogge Schule, eine der ältesten Tanzausbildungsinstitute der Stadt, und nach der Erika Klütz Schule gefragt, warum diese, wenn es doch darum gehe, die Expertisen der Stadt zu nutzen, nicht beteiligt seien?

Kerstin Evert erklärte, daß die AK|T Ausbildungskonferenz Tanz ein fester Zusammenschluß sei und der Großteil der beteiligten Schulen von dort komme. Es gehe im Kern um die Ausbildungsstätten, die in der AK|T zusammengeschlossen seien.

Nick Haffner ergänzte, daß es bei der AK|T um staatlich geförderte Berufsausbildungen im Tanz- und Choreografiebereich gehe. Er appelierte aber an alle aus der Stadt, an den öffentlichen Angeboten teil zu nehmen, seien es Diskussionen, das Symposium oder die Aufführungen. Außerdem wäre die AK|T mit der Lola Rogge Schule schon im Gespräch, daß die AK|T gerne ein Informationsgespräch arangieren würde, das während der Woche laufen könne.

Auf die Frage an den Senator für Kultur und Medien Hamburg, ob die Kulturbehörde auch kleinere Tanz-Projekte fördere, antwortete Dr. Carsten Brosda: "Was wir haben, sind die Fördertöpfe im Bereich der freien darstellenden Künste, diese gliedern sich in drei verschiedene Förderbereiche. Einer der drei Bereiche ist der Tanz. Die Mittel, die wir in diesem Bereich haben, sind für künstlerische Projekte, die von einer Jury vergeben werden. Es geht aber um die, die sich professionalisieren und als freie Tänzer und freie Künstler unterwegs sind. Diese Mittel wurden gerade erheblich aufgestockt."

Wie geht es nach der Schulausbildung für die Tänzerinnen und Tänzer weiter? Viele landen oft auf der Straße oder kommen in Berufen unter, die nichts mit Tanz zu tun haben. Gibt es da von Seiten von Kampnagel irgendwelche Möglichkeiten der Unterstützung? Darauf antwortete Amelie Deuflhard, daß es zahlreiche Nachwuchsfestivals für junge Tänzerinnen und Choreographen auf KAMPNAGEL und auf K3 gäbe, ebenso Residenzen für Choreographen. Manchmal tanzten auch einzelne Künstlergruppen vor. Kirsten Evert verwies auf die zentrale Arbeitsagentur, die einen speziellen Bereich für künstlerische Berufe und Tanz anböte und die auch regelmäßig Vortanzen organisierten. Nick Haffner meinte, viele der nächsten Generation von Tänzern fänden ihre Arbeitsorte oder Projekte dadurch, daß sie an einem Training oder einem Workshop teilnehmen, wo nicht der Druck einer Selektion wie bei einer Audition oder wie beim Vortanzen herrsche. Er verwies noch einmal auf die AK|T, die durch ihre Treffen und Festivals ja schon Vernetzung möglich mache, und die Bienale ginge ja auf jeden Fall weiter.

Auf die Frage, ob eine solche Veranstaltung nun alle zwei Jahre in Hamburg stattfinden werde, äußerte sich Amelie Deuflhard vorsichtig, die Zusammenarbeit ginge sicher weiter, es sei ja auch nicht das erste Mal, daß die Veranstalter etwas zusammen erarbeiten würden. Aber ob es nun in diesem Rahmen oder einem anderen weitergehe und in welchem Zeitfenster das geschehe, sei noch offen.

Speziell die Veranstaltung betreffend wurde gefragt, warum das Zusammenkommen der Tänzer und warum Grenzen aufzubrechen so wichtig sei? "Das ist wichtig, weil wir in einer Welt leben, in der ständig Grenzen hinterfragt werden", antwortete Kerstin Evert. Gerade in den Künsten gebe es häufig zwischen den städtischen Ausbildungen und dem Berufsleben Grenzen, die den Studierenden häufig gar nicht bewußt seien. Evert: "Damit sehen wir uns aber konfrontiert in der täglichen Arbeit. Das gilt auch für die Fragen: Wie sind Tänzerinnen und Tänzer in der Lage eine Sprache zu finden, für das, was sie tun, jenseits der körperlichen Sprache? Die Arbeit des Bundesjugendballetts ist da in Hamburg ein sehr gutes Beispiel, wie die Grenzüberschreitungen aus der Arbeit heraus getroffen werden."

Dr. Carsten Brosda gab zu bedenken, daß die Gesellschaft immer weiter in Spezializierungen hineintreibe, und daß es daher sinnvoll sei, an diesen Grenzen und Abgrenzungsprozessen zu arbeiten. "Den Spezializierungen entgegen stehen solche Begegnungen wie die kommende. Aus ihnen kommen die Beteiligten bereichert zurück. Also ist es wichtig, einen Stein ins Wasser zu werfen."


Gruppenfoto, der Flyer wird präsentiert - Foto: © 2020 by Schattenblick

Die fünf Repräsentanten von CITY OF DANCES
Foto: © 2020 by Schattenblick


Anmerkungen:

[1] Beteiligte deutsche Schulen an der Bienale: (diese wurden von Nik Haffner auch als Ausbildungsstätten aufgezählt)
- Berlin: Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin, HZT
- Berlin: Staatliche Ballettschule Berlin
- Dresden: Palucca Hochschule für Tanz Dresden
- Essen: Folkwang Universität der Künste Essen
- Frankfurt: Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, HfMDK
- Hamburg: Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier
- Köln: Zentrum für Zeitgenössischen Tanz, Hochschule für Musik und Tanz Köln, ZZT
- Mannheim: Akademie des Tanzes der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim
- München: Ballett-Akademie Hochschule für Musik und Theater München

[2] Beteiligte internationale Schulen an der Bienale:
- GLS _La fabrique culturelle Abidjan, Elfenbeinküste
- ICCD Invisible Centre of Contemporary Dance Teheran, Iran
- Centre Méditerranéen de Danse Contemporaine Tunis, Tunesien
- NBS Canada's National Ballet School Toronto, Kanada
- SCCE School of Culture and Creative Expressions an der Ambedkar University Delhi, Indien
- Pontificia Universidad Javeriana Bogotá, Kolumbien
- Dancescape South Africa Kapstadt, Südafrika
- Codarts Dance Rotterdam, Niederlande
- ESD Escola Superior de Dança Lissabon, Portugal

[3] Nach kaum einer Spielzeit verläßt der Co-Intendant Johannes Öhman das Staatsballett Berlin, die Intendantin Sasha Waltz würde folgen, hieß es, derzeit bittet sie aber um Bedenkzeit.
https://www.spiegel.de/kultur/staatsballett-berlin-sasha-waltz-laesst-verbleib-offen-a-6e752f71-2a8d-4f1a-bd5d-5d91be7df898

[4] John Neumeier, US-amerikanischer Tänzer, Choreograf, Ensemble-Leiter des Hamburg Ballett und Direktor der Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier

[5] Peter Zadek, deutscher Regisseur und Theaterintendant am Schauspielhaus Hamburg, 2009 verstorben


28. Januar 2020


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