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BERICHT/084: Ready to Snap - das volle Bild ... (SB)



'Ready to Snap' - Der Körper und seine Macht

Und Licht. Zwei skulpturartig posierende Körper sind an der linken hinteren Bühnenwand zu sehen. Dunkelheit. Schräg quietschende, an finstere Geistererscheinungen erinnernde Töne erfüllen sie. Licht. Die Körper stehen nun anders, noch immer zur Skulptur verspannt. Es sind zwei Frauenkörper, einzig mit einem hautfarbenen, durchdacht geschnittenen Einteiler bekleidet, mit strenger Frisur. Was also bleibt, ist Körper.

Stille. Einzig der Atem der Tänzerinnen durchbricht sie, während sich vor dem Publikum ein tänzerisches Spiel der Verzweiflung entfaltet. Die Bühne ist leer, bis auf diese einzelne Glühbirne, welche mit schwachem Licht im rechten Bühnenbereich hängt, sie jedoch nicht einmal zu beleuchten vermag, dafür wohl aber starke Assoziationen an einem Folterkeller irgendwo im Nirgendwo wecken möchte.

Zwei Körper also, die in dieser Sphäre mit einem Wechsel aus skulpturellem Muskelspiel und zitternder Verzweiflung ihr Publikum mitnehmen, an Orte, die die Seele nicht vergisst und so auch nicht der Körper - Orte der Verzweiflung, der Extreme, traumatische Orte.


© 2017 by Thies Raetzke

Skulpturelles Muskelspiel der beiden Künstlerinnen Patricia Carolin Mai und Angela Kecinski
© 2017 by Thies Raetzke

Etwa fünfzig Minuten dauert dieser Kampf der Körper. Einzig unterbrochen von einem Spiel auf der Geige, welches in der reinen, bewegungslosen Stille des Raumes verklingt und durch seine unschuldige und zugleich beklemmende Klarheit die Richtung des Weges unterstreicht, die an diesem Abend eingeschlagen wurde. Ansonsten gibt es nur diese beiden, die zumeist nebeneinander her oder gleich in ganz unterschiedlichen Welten existieren, jedoch auch zuweilen miteinander in Berührung geraten und damit jede Regel Lügen strafen.

'Ready to Snap' ist eine Arbeit, welche sich mit Extremsituationen befasst, in die Menschen im Angesicht von beispielsweise Krieg, Terror oder Naturkatastrophen geraten. Und damit, was Seele und Körper - zwei untrennbare Komponenten - daraus machen. Sie basiert auf vier ausführlichen Interviews, die mit Menschen geführt wurden, welche mit eben diesem Grauen konfrontiert waren.

Mit - so scheint es dem Betrachter - asketischer Akribie bearbeiten Patricia C. Mai und Angela Kecinski ein unaussprechliches Thema. Basierend auf einer sehr durchdachten Arbeit gelingt es den beiden Künstlerinnen nicht nur, ein weiteres Mal den standhaften Ausschluss des Tanzes aus der akademischen Welt in Frage stellen zu lassen. Ihre Performance unterstreicht außerdem, dass für wissenschaftliche und akademische Relevanz keinesfalls verkopfte überambitionierte Ansätze nötig sind. Es reicht der Körper und seine Macht, um den Akademikern nicht etwa gleichgestellt, sondern ihnen durch die Kunst vielmehr immer einen Schritt voraus zu sein.


Patricia Carolin Mai
Ready to snap
Eine Tanzperformance
Mit Patricia Carolin Mai und Angela Kecinski
Sound: Hanna Nask
Licht: Sönke C. Herm

2. Mai 2017


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